Deutscher Zukunftspreis: Gewinner Celonis erstmals aus dem Software-Bereich

Mit dem Deutschen Zukunftspreis wurde in diesem Jahr ein Unternehmen ausgezeichnet, dessen Arbeit schwer zu greifen, aber von größter Bedeutung ist: Celonis analysiert Massen von Daten, um Prozesse zu erkennen und zu verbessern.

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Deutscher Zukunftspreis: Gewinner Celonis erstmals aus dem Software-Bereich

(Bild: DZP)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sascha Mattke

Schon mit 21 Jahren, als Mathematik-Student an der TU München, begann Alexander Rinke, seine Kenntnisse in die Praxis zu bringen: Zusammen mit zwei Kommilitonen von der Informatik-Fakultät bekam er vom Bayerischen Rundfunk den Auftrag, die Abläufe an dessen Zuschauertelefon effizienter zu machen. Noch im selben Jahr, 2011, gründete das Trio das eigene Unternehmen Celonis, das inzwischen mehrere Milliarden Euro wert ist. In dieser Woche wurden Rinke und die Mitgründer Martin Klenk und Bastian Nominacher für diese Leistung mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet.

Die Analyse beim Bayerischen Rundfunk ging noch "ziemlich analog" vor sich, wie Rinke bei der am Mittwochabend im ZDF übertragenen Preisverleihung erzählte. Heute aber ist die Celonis AG ein Software-Unternehmen, das sich auf das neue Feld des "process mining" spezialisiert hat. Anhand von Daten-Spuren wird dabei rekonstruiert, wie Prozesse großer Unternehmen wirklich verlaufen – in der Realität unterscheiden sie sich oft sehr von der theoretischen Planung, was auf Kosten der Effizienz gehen kann.

Außer um diese "discovery", also Entdeckung der realen Abläufe, kümmert sich Celonis auch um "Enhancement", also um ihre Verbesserung. Anschließend erfolgt ein "Monitoring" – es wird also überwacht, ob die veränderten Abläufe eingehalten werden und tatsächlich funktionieren.

Bei der Vorstellung des Preisträgers mit einem Kurzfilm im ZDF fiel es erkennbar schwer, dieses Geschäft mit TV-tauglichen Bildern darzustellen. Als Beispiel wählte die Redaktion einen Liefer-Dienst, der mehrere Geschäfte nacheinander anzufahren hat. Wenn es an einer dieser Stationen oder auf dem Weg dorthin zu Verzögerungen komme, bedeute dies auch für die weiteren eine Verspätung. Celonis könne solche Problempunkte anhand von Daten identifizieren und für Abhilfe sorgen, wurde erklärt – in diesem Fall durch eine andere Route.

Das hört sich überschaubar an, ist aber in Wirklichkeit deutlich komplizierter. Mit einer Vielzahl von Prozessen, an denen unterschiedliche Software-Programme, Personen und Abteilungen beteiligt sind, versuchen heutige Unternehmen, ihre Abläufe möglichst effizient zu gestalten. Bei der Umsetzung aber stellt sich oft heraus, dass die Systeme eine Art Eigenleben entwickeln, das keiner mehr richtig versteht und beeinflussen kann. Celonis ist in der Lage, die Prozesse in der Praxis mit automatisierten Werkzeugen abzubilden, zu verbessern und im Auge zu behalten.

Celonis - Gewinner des Deutschen Zukunftspreises (8 Bilder)

Die Gewinner des Deutschen Zukunftspreises 2019 (v.l.n.r.): Bastian Nominacher, Martin Klenk und Alexander Rinke (Sprecher) von Celonis.

Konkretere Beispiele für seine Arbeit als das ZDF nannte das Unternehmen selbst für einen Fachartikel Ende 2015. Demnach ist es Celonis unter anderem gelungen, Bestellprozess und Produktionsplanung bei einem Großhändler von individuellen Mountain-Bikes zu optimieren, um die Lieferzeiten zu verkürzen. Bei der Analyse zeigte sich, dass die Bearbeitung von Bestellungen durch ineffiziente Freigabeprozesse verzögert wurden, die daraufhin vereinfacht wurden. Auch das klingt ganz einfach – aber der Teufel steckt in den Details, die oft erst nach einer solchen Analyse offensichtlich werden.

Über mangelnden Erfolg seines Angebots jedenfalls kann Celonis nicht klagen. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen "Marktführer im Bereich Enterprise Performance Acceleration" mit großen Kunden aus der gesamten Welt wie Siemens, 3M, Airbus und Vodafone und inzwischen rund 800 Beschäftigten. In den ersten Jahren finanzierte sich Celonis ausschließlich aus seinen laufenden Einnahmen. Erst 2016 kam erstmals externes Wagniskapital ins Haus, von den namhaften Gesellschaften Accel und 83North.

Mit einer weiteren Finanzierungsrunde von denselben Geldgebern erreichte Celonis im Jahr 2018 sogar den damals noch ausgesprochen seltenen Status als "Unicorn" (Einhorn), also nicht börsennotiertes Unternehmen, dessen Wert mehr als 1 Milliarde Dollar beträgt. Die Technologie-Website TechCrunch listet derzeit sieben Unicorns aus Deutschland auf, von denen der Preisträger der einzige Anbieter von Unternehmenssoftware ist. Seit der jüngsten Kapitalaufnahme in diesem November dürfte Celonis zudem das wertvollste deutsche Einhorn sein, denn bei ihr stieg die Bewertung weiter auf 2,5 Milliarden Dollar.

Diese lupenreine Wachstumsgeschichte dürfte dazu beigetragen haben, dass Celonis für den diesjährigen Zukunftspreis ausgewählt wurde. Ebenfalls im Finale standen die Bayer-Ausgründung Covestro, die CO2 als Rohstoff für Kunststoffe verwendet, und Forscher der Siemens-Tochter Healthineers, die präzisere MRT-Aufnahmen möglich gemacht haben. Während Kandidaten aus den deutschen Traditionsbranchen Medizintechnik und Chemie beim seit 1997 vergebenen Zukunftspreis schon mehrmals berücksichtigt wurden, ist Celonis der erste Preisträger aus dem Software-Bereich.

(sma)