Die Erben der CeBIT: Neue IT-Veranstaltungen in Deutschland

Nach dem Aus der einst weltgrößten IT-Veranstaltung entstehen neue zugespitzte Messen und Kongresse für Fachbesucher.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Cebit 2018

(Bild: dpa, Hauke-Christian Dittrich)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der große Knall liegt ein Jahr zurück: Ende November 2018 verkündete die Deutsche Messe AG das Ende der Cebit. Die einst größte IT-Messe der Welt war von einem auf den anderen Tag Geschichte.

Vor allem in der Cebit-Heimat Hannover rieb man sich in den Monaten danach ungläubig die Augen. Eine Veranstaltung mit einst über 800.000 Besuchern soll einfach so verschwinden? Müsste man nicht wenigstens versuchen, einen Nachfolger aufzubauen? „Die Digitalisierung wird für alle Bürgerinnen und Bürger immer relevanter und die Cebit fällt weg? Ich glaube, die Chance für eine neue Plattform sollte Hannover nutzen“, twitterte die niedersächsische CDU-Landtagsabgeordnete Mareike Wulf.

Mittlerweile ist klar: Einen Cebit-Nachfolger wird es nicht geben. Stattdessen entstehen in Hannover – und anderswo in Deutschland – neue, kleine, zugespitzte Events, vor allem für Fachbesucher. Die Cebit steht nicht wieder auf, sie wird filetiert.

Zwei solcher Cebit-Erben hat die Deutsche Messe AG selbst auf den Weg gebracht: Mitte März 2020 findet in Hannover die „Twenty2X“ statt, die „IT-Lösungen für Mittelständler und Start-ups“ zeigen soll. Anders als die Cebit richtet sie sich ausschließlich an Fachleute. Außerdem werden in erster Linie Aussteller und Besucher aus dem deutschsprachigen Raum angesprochen, nicht die ganze Welt.

Letzte Cebit im Juni 2018: Die Veranstalter konzentrieren sich nun auf Fachmessen für 5G und den Mittelstand.

(Bild: Deutsche Messe AG)

Bereits im vergangenen Oktober veranstaltete die Messe AG zudem erstmals die „5G CMM Expo“ als „umfassende Veranstaltung für den professionellen Einsatz des superschnellen Mobilfunks in Industrie und Wirtschaft“. Die nächste Auflage ist für Dezember 2020 geplant.

Gemessen an der Cebit sind Twenty2X und 5G CMM Expo noch winzig. Die Twenty2X soll zwei Messehallen füllen, also nur einen Bruchteil des Geländes. Zur ersten 5G CMM Expo kamen laut Veranstalter gerade mal „450+ Teilnehmer“. Die Cebit lockte in ihrem letzten Jahr, nach ihrem langen Niedergang, noch rund 120.000 Menschen aufs Gelände.

Trotzdem zeigt die Messe AG keine Ambitionen, die Cebit wiederzubeleben. Eine Messe müsse sich an den Bedürfnissen „einer klar definierten Zielgruppe“ orientieren, sagt Vorstandsmitglied Andreas Gruchow. „In dieser Hinsicht war die Cebit als Horizontalmesse aller digitalen Themen für eine internationale B2B- und B2C-Kundschaft zu breit aufgestellt.“

Weitere Cebit-Erben organisiert der Digitalverband Bitkom, einst wichtiger Partner der hannoverschen Messe. Er steht zum Beispiel hinter der „Smart Country Convention“, die mit der Digitalisierung der Verwaltung ein Themenfeld abdeckt, das zuvor auf der Cebit im Public Sector Parc zu finden war. Immerhin 12.000 Fachleute kamen zur zweiten Auflage im Oktober nach Berlin. „Die Lücke, die mit dem Aus der Cebit entstanden ist, wurde durch innovative und schnell wachsende Formate gefüllt“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

Schnell groß geworden ist auch die „Digital X“, eine von der Telekom in Köln organisierte Konferenz, die laut Eigenwerbung vor allem Entscheider ansprechen soll. Zur ersten Auflage 2018 kamen rund 8000 Besucher, 2019 waren es schon etwa 20.000. Auf den Bühnen standen nicht nur Telekom-Manager, sondern auch Web-Größen wie Tim Berners-Lee und Jimmy Wales. Auch Start-up-Konferenzen wie die Münchner Bits & Pretzels sind in den letzten Jahren gewachsen.

Diese Newcomer konzentrieren sich allerdings fast ausschließlich auf Fachbesucher. Neue Veranstaltungen für Privatleute, die sich in ihrer Freizeit über Technik informieren wollen, muss man mit der Lupe suchen. Die Messe-Macher sind offensichtlich der Meinung, dass etablierte Consumer-Veranstaltungen wie Gamescom und IFA den Bedarf schon gut abdecken.

Auch der Branchenexperte und ehemalige Chef der Messe Köln, Jochen Witt, sieht derzeit keine Chance für eine breite Digitalmesse wie die Cebit – weder in Hannover noch anderswo in Deutschland. Es gebe schlicht schon zu viele spezialisierte Veranstaltungen, „die das Spektrum der Cebit gut abdecken“, sagt er.

Die Entscheidung, den Namen Cebit in Deutschland komplett verschwinden zu lassen, hat ihn trotzdem überrascht. „Ich weiß nicht, welchen Zwängen die Veranstalter unterlegen waren“, sagt der Experte. Aber aus seiner Sicht hätte die Marke als zugespitzte Veranstaltung unter dem Dach der Industrieschau Hannover Messe weiterleben können, aus der sie einst ausgegründet worden war.

Die Marke sei schließlich weltweit bekannt und damit wertvoll gewesen, sagt Witt. Das plötzliche Aus war deshalb aus seiner Sicht „ein Schlag in die Magengrube für den Messestandort Deutschland“.


Dieser Artikel stammt aus c't 26/2019. (cwo)