Mehr Streik in französischen Privatbetrieben

Zwar waren nach Angaben der Gewerkschaft CGT am Dienstag weniger Streikende auf den Straßen, aber die Unterstützung in der Öffentlichkeit wächst

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Dem Aufruf zum zweiten großen Streik- und Aktionstag gegen die Rentenreform von Emmanuel Macron sind auch nach Angaben der großen Gewerkschaft am heutigen Dienstag etwas weniger Menschen gefolgt. Dabei sind die neuen Rentenpläne nicht einmal bekannt, da sie Premierminister Édouard Philippe erst am Mittwoch im Detail in Paris vorstellen will.

Tatsächlich ist das System zwar bizarr, da es 42 verschiedene Regelungen gibt. Die Regierung behauptet deshalb, die gegenwärtige Lage sei unfair und finanziell nicht tragfähig. Die Frage ist nur, warum das der Fall ist.

Immer wieder verweisen auch Gewerkschaften darauf, dass große Firmen kaum oder nur wenig Steuern bezahlen. Man könnte natürlich auch unter anderem viele Subventionen streichen oder auf Bankenrettungen und die vielen Milliarden verweisen, die Frankreich in seinen Atom-Abenteuern versenkt.

Die Gewerkschaften sehen sich einem Angriff auf fundamentale Arbeitnehmerrechte ausgesetzt. Statt der angeblichen Abschaffung von Privilegien, wie gerne argumentiert wird, dürften insgesamt Verschlechterungen für fast alle stehen. So wird allgemein auch davon ausgegangen, dass unter anderem das offizielle Renteneintrittsalter von bisher 62 Jahren angehoben werden und es insgesamt zu Rentenkürzungen kommen soll.

Hatte die große Gewerkschaft CGT die Beteiligung an Demonstrationen im ganzen Land am 5. Dezember mit etwa 1,5 Millionen angegeben (Immense Proteste gegen Macrons Renten-Kürzungspläne), beziffert sie sie am Dienstag mit knapp 900.000 Teilnehmern. Die Regierung drückt die Zahl ihrerseits auf 339.000. Sollen nach Angaben der CGT am vergangenen Donnerstag allein in der Hauptstadt Paris 180.000 Menschen demonstriert haben, sollen es am 5. sogar 250.000 gewesen sein.

Klar ist aber, dass im gesamten Land wieder gestreikt und auf Demonstrationen schon am Morgen gegen die Rentenpläne protestiert wurde. Das zeigt die Streikkarte, aber auch über soziale Netzwerke veröffentlichte Bilder und Videos wie zum Beispiel aus Marseille. Und seit sechs Tagen kommt es nun schon zu großen Behinderungen vor allem im Verkehr.

Auch am Dienstag gab es deshalb erneut Staus im ganzen Land, da Pendler auf das Auto zurückgriffen. Am Dienstagmorgen staute sich der Verkehr allein im Großraum Paris auf rund 600 Kilometern, teilte der Verkehrsdienst Sytadin mit. Normalerweise ist es nur etwa halb so viel. Nach Angaben der Bahngesellschaft SNCF fuhren heute lediglich 20 Prozent der TGV-Hochgeschwindigkeitszüge. Vor "starken Einschränkungen" warnte die SNCF auch für die übrigen Züge im gesamten Streckennetz.

In Paris blieben erneut zehn Metro-Linien geschlossen und große Einschränkungen gab es auch in den verschiedenen Nahverkehrsnetzen. Die Beschäftigten der Nahverkehrsgesellschaft RATP in Paris haben schon angekündigt, dass der Streik schnell nicht vorbei sein wird. Bis Mittwoch ist der Ausstand schon beschlossen. Aller Wahrscheinlichkeit werden die Beschäftigten der RATP den Streik bis Freitag ausweiten.

"Die Woche ist tot", kündigte der Sprecher der Gewerkschaft UNSA, Thierry Babec, an. Ähnlich sieht es sein CGT-Kollege Bertrand Hammache. Der erklärt, dass in einigen Streikversammlungen vorsorglich schon für einen Streik bis Freitag gestimmt wurde.

Interessant ist, dass am ersten Aktionstag vor allem Beschäftigte im Öffentlichen Dienst und in den Staatsbetrieben gestreikt haben, womit die Argumentation Auftrieb erhielt, dass vor allem die Privilegierten wegen Besitzstandswahrung auf die Straße gehen würden.

Doch am Dienstag sind nun auch viele Streikende aus Privatbetrieben hinzugekommen, die allerdings zum Teil die Arbeit nur für Stunden niedergelegt haben. Klar ist auch, dass die Unzufriedenheit gegen Macron über die Rentenreform hinausgeht. Dafür steht nicht zuletzt auch die Gelbwesten-Bewegung, die nun schon seit einem Jahr auf der Straße ist.

Auch die Zustimmung in der Bevölkerung ist seit Beginn des Ausstands deutlich gestiegen. Die Zeitung Journal du Dimanche hatte am 1. Dezember ermittelt, dass 46% der Franzosen "Verständnis und Unterstützung" für die Aktionen hätten. Am vergangenen Sonntag waren es nach Streikbeginn allerdings schon 53% und damit eine Mehrheit im Land. Dass am Mittwoch auch Polizisten demonstrieren und ihre Rente verteidigen wollen, sagt sehr viel über den wachsenden Unmut.

Sowohl die Alliance Police Nationale, Unsa Police und Unité SGP rufen zum Protest auf, bevor Edouard Philippe seine Pläne darlegen will. Der sieht sich nun sogar dem Protest einer der zentralen Stützen der Staatsgewalt ausgesetzt.