Klimakonferenz: Repression mit Tradition

"After chanting for climate justice inside #COP25, young people & indigenous leaders were pushed outside the conference. People were bullied & kicked. Then we were kettled on the street & refused to get back in – but we won't be silenced!" Bild: Fridays for Future

Statt des Klimawandels werden Klimaschützer bekämpft

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Auf der UN-Klimakonferenz in Madrid ist es heute zu Protesten akkreditierter Jugend- und Umweltaktivisten gekommen. Fridays For Future Germany berichtet auf Twitter, Jugendliche aus der ganzen Welt hätten die Bühne gestürmt, um von den anwesenden Regierungsvertretern "wirklichen Klimaschutz zu fordern". "Eure leeren Worte werden die Krise nicht lösen“, so die Jugendlichen.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) berichtet in einer per Email verschickten Pressemitteilung von weiteren Protesten, die von einem privaten Sicherheitsdienst unterdrückt wurden:

"Der BUND hat heute an einem friedlichen, aber nicht angekündigten Protest der Zivilgesellschaft gegen das Ausbleiben ausreichender Klimaschutzziele auf der Weltklimakonferenz teilgenommen. Dem Protest wurde mit unverhältnismäßiger Aggressivität von Seiten der Sicherheitskräfte begegnet. Menschen wurden daran gehindert, sich frei zu bewegen und wir haben beobachtet, wie friedliche Aktivistinnen und Aktivisten von Sicherheitskräften angegangen wurden. Wir sind entsetzt über die Versuche der Sicherheitskräfte, hier bei der Klimakonferenz friedlichen Protest zu kriminalisieren. Unsere Kolleginnen und Kollegen von Friends of the Earth sowie viele andere mit Beobachter-Status, die an dem Protest teilgenommen haben, wurden des Konferenzgeländes verwiesen und es ist unklar, ob sie wieder Zugang zur Klimakonferenz erhalten. Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit sind zentrale Stützen unserer Demokratie. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für die Rechte der Zivilgesellschaft bei den internationalen Klimaverhandlungen einzusetzen."
Stellungnahme des BUND

Normalerweise ist auf UN-Konferenzen ein UN-eigener Sicherheitsdienst und nicht privates Personal für quasi-polizeiliche Aufgaben zuständig.

Der auf der Konferenz anwesende energiepolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin, forderte die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass alle Delegierten weiter Zutritt zur Konferenz haben. Es dürfe keine Kriminalisierung der Teilnehmer geben.

"Ich verurteile diese Form der gewalttätigen Konfliktlösung, internationale Konferenzen sind nicht der Ort für den Einsatz privatisierter Sicherheit auf Kosten der Demonstrationsfreiheit und freien Meinungsäußerung. In vielen Ländern der Erde werden Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten verfolgt, mit dem Leben bedroht, ermordet. Die Klimakonferenzen sollen ein sicherer Platz für alle Formen des Klimaschutzes sein, nicht der Kessel, Freiheitsberaubung und Rausschmeisser-Mentalität."
Lorenz Gösta Beutin, MdB der Linkspartei

Beutin spricht damit Fälle wie den jener zwei Männer vom Volk der Guajajara an, die erst vor wenigen Tagen im Nordosten Brasiliens erschossen worden waren. Das indigene Volk der Guajajara wehrt sich gegen das Abholzen und Abbrennen ihres Waldes. Erst Anfang November war, wie berichtet, einer ihrer Sprecher ermordet worden.

Auch außerhalb der Konferenz geht Spanien offenbar inzwischen sehr unduldsam mit Klimaprotesten um, eine Kundgebung vor der US-Botschaft, mit der die Gewalt gegen indigene Frauen angeprangert werden sollte, wurde "innerhalb von Minuten" aufgelöst, berichtet die Plattform Common Dreams.

2009 hatte es in Kopenhagen ähnliche Vorfälle wie jetzt in Madrid gegeben. Dort hatten die seinerzeit mit Duldung einer rassistischen Partei regierenden Rechtsliberalen einen extrem harten Kurs gegen Umweltschützer gefahren. Unter anderem waren zahlreiche Delegierte aus dem Konferenzgebäude geworfen und nicht wieder hinein gelassen worden.

Friedliche Demonstranten wurden außerdem mit massiver Polizeigewalt konfrontiert und vielfach festgenommen. Unter anderem zwang man etliche von ihnen stundenlang in entwürdigender Haltung auf der kalten Straße zu sitzen. (Telepolis hatte seinerzeit mehrfach berichtet, auch darüber, dass ein Jahr später dänische Gerichte das Vorgehen der Polizei für illegal befunden hatten.)

Auch in Paris gab es 2015 massive Repressalien. Der seinerzeitige französische Innenminister nutzte den Ausnahmezustand, der kurz zuvor wegen eines Terroranschlages ausgerufen worden war, um alle Demonstrationen von Klimaschützern zu verbieten. Bei einigen bekannten Aktivisten fanden außerdem, ebenfalls die Antiterrorgesetze nutzend, Hausdurchsuchungen statt.

Und nun also Madrid. Die Europäer verzögern gemeinsam mit den USA seit Jahrzehnten die Verhandlungen und ignorieren den Protest in der eigenen Bevölkerung. Immerhin gingen noch vor wenigen Tagen in Madrid mehrere Hunderttausend Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße. In Deutschland waren es im September über eine Millionen.

Doch statt endlich die immer eindringlicher werdenden Warnungen der Wissenschaftler ernst zu nehmen, setzt man auf Repression. Man könnte fast meinen, eine Radikalisierung der Jugendproteste soll provoziert werden.