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Wie soll gegenüber der fortgesetzten Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen gehandelt werden? Ein Plädoyer zur Betrachtung des verfassungsrechtlichen Aspekts dazu unter Ausblendung ideologischer Mythen

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Noch immer ist kein Durchbruch in Sicht. Zwar fordert mittlerweile der überwältigende Teil internationaler WissenschaftlerInnen von der Politik einschneidende und weitestgehende Maßnahmen gegen die menschengemachte Klimaerhitzung und gegen andere Gefahren für die natürlichen Lebensgrundlagen. Doch diese antwortet weiterhin nur mit Symbolpolitik und völlig unzureichenden Beschlüssen.

Die deutsche Bundesregierung ist mit ihrem jüngsten "Klimaschutzprogramm 2030" lediglich zu lächerlich niedrigen Kostenaufschlägen für die emittierte Tonne CO2 bereit. Ansonsten setzt sie auf fragwürdige Subventionierungen für noch fragwürdigere technische Alternativen und verschont wieder einmal all jene Verursacher, die eine Lobby haben und "unangenehm" reagieren könnten. So werden die angedachten Teile des "Maßnahmenbündels" von Industrieverbänden und Autobauern wohlwollend akzeptiert.

Doch die "Eckpunkte" sind alles andere als geeignet, auch nur den leisesten Hauch eines marktwirtschaftlichen Effekts in Gang zu bringen, aus dem Alternativen zu CO2-intensiven Prozessen entstehen könnten. Diese Alternativen müssen ausdrücklich mehr sein, als nur der Austausch einer schädlichen Technik durch eine etwas weniger schädliche, wie etwa der Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektromotor oder von der Ölheizung zur Gasheizung.

Im Prinzip beschränken sich die Regierungsparteien mit ihrer neuen Zertifikats- und Fördergeldstrategie, genannt "Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030", abermals auf die Täuschung der vom Thema überforderten Öffentlichkeit und ihrer Stammwähler. Offensichtlich kann man diesen immer wieder den gleichen Bullshit erzählen, wenn er nur frisch dekoriert ist. Die Bandbreite an symbolpolitischer Fantasie der Volksvertreter reicht vom Versprechen im "Klimapaket", dass "jede und jeder mit den neuen Gegebenheiten zurechtkommt", bis hin zur spektakulären Ausrufung des "Klimanotstandes" durch das EU-Parlament.

Nicht die Kosten des Klimaschutzes sind ein Problem, sondern die CO2-Vermeidung

Darüber hinaus kann die Politik, wie auch die sonstigen Funktionäre und Profiteure des herrschenden Wirtschaftssystems bis heute unwidersprochen den Unsinn wiederholen, der Klimaschutz würde enorm viel Geld verschlingen und müsse schließlich auch finanziert werden. Diese Behauptung aber dient vor allem drei Dingen:

Erstens muss der Umstieg möglichst schwierig und unattraktiv dargestellt und die Notwendigkeit nach weiterem Wirtschaftswachstum suggeriert werden. Dies geht natürlich, so soll man glauben, nur mit denselben Strukturen, Regeln und "wichtigen" Köpfen, welche die Misere erst verursacht haben, - ist also unterstellte Notwendigkeit nach Beibehaltung des herrschenden Systems.

Zweitens soll auch der Klimaschutz als Investitions- und Subventionsprogramm enden, um wieder Gelder von unten nach oben zu schaufeln und der einschlägigen Industrie neue Geschäftsfelder zu eröffnen.

Und drittens ist die ausgesendete Botschaft - "Also gut, wenn ihr Klimaschutz wollt, müsst ihr eben alle zahlen!" - bestens geeignet, um die unterschiedlichen Schichten in der Bevölkerung zu spalten und sie gegeneinander aufzubringen.

Tatsache aber ist, dass Klimaschutz ebenso wenig Kosten aufwirft, wie wenn ein Kettenraucher das Qualmen einstellt. Allein der Entzug, das ist zutreffend, könnte zum Problem werden. Durch radikalen Klimaschutz, also durch Maßnahmen zur Vermeidung von CO2-Emissionen, können lediglich die seit Jahrzehnten gewohnten Profite aus CO2-verursachenden Prozessen nicht mehr eingestrichen werden, denn diese Profite waren allein durch die Externalisierung verursachter Schadkosten auf die Allgemeinheit und in die Zukunft hinein möglich.

Wer hier ernsthaft von Kosten für den Klimaschutz redet, kann genauso gut einem erwischten Bankräuber eine finanzielle Entschädigung zubilligen, weil dieser seine Beute abgeben muss - um ein Bild aufzugreifen, das der Volkswirtschaftler Niko Paech in Interviews gerne bringt.

Druck auf die Politik muss erhöht werden

Über das Thema Klimaschutz hinaus zeigt sich dieses längst schon programmatisch wirkende Nichts-Tun der Politik auch bezüglich aller sonstigen Arten von Umweltzerstörung, wie etwa dem fortgesetzten Giftstoffeintrag ins Grundwasser, der Zugrunde-Richtung fruchtbarer Bodenschichten durch unangemessene Landwirtschaft, der Ausräumung und Überbauung auch der letzten Reste gewachsener Naturflächen und alter Kulturlandschaft, der immer größer werdenden Verursachung von Abfall infolge konsumorientierter Produktion, die Vermüllung der Meere, der Süßwasserspeicher und immer größerer Regionen an Land, der massiven Schädigung und Vernichtung von Lebensräumen anderer Kreaturen, usw.

Längst sollte man von einer erkennbaren Systematik sprechen, von einem übergeordneten und ungeschriebenen Plan gewinnorientierter Akteure und Zuträger, das ökonomische System des "Profits aus Verbrauch und Zerstörung" nur ja nicht durch soziale und ökologische Richtungsänderungen zu gefährden.

Was die CO2-Konzentration in der Atmosphäre anbetrifft, so hindert NICHTS die globale Industriegesellschaft bislang daran, den so empfindlichen Idealwert von früher einmal rund 0,03% immer weiter in die Höhe zu treiben. Auch nach der jetzigen Klimakonferenz in Madrid werden wir Menschen der Gegenwart unbeirrt damit fortfahren, mittels Verbrennung fossiler Energieträger die Wärmedämmung unseres Planeten zum Weltall hin, aus dem genau austarierten und für den homo sapiens so wichtigen Gleichgewicht zu bringen.

Von den Auswirkungen werden, weitaus stärker noch als wir heute, wohl einige hundert Milliarden Menschen mehrere Tausend Jahre lang betroffen sein. Ob diese fernen Enkel von uns nun direkt, also durch Überschwemmung, Austrocknung oder sonstige Verwüstung und Entwertung, ihre Heimat verlieren, oder ob sie in weniger geschädigten Regionen indirekt durch Massenmigration, Wasserkriege, Währungsverfall, Rohstoffmangel und andere Verteilungskämpfe der Normalität beraubt sind, wird dann zweitrangig. Für alle wird "echtes menschliches Leben", wie es der Philosoph Hans Jonas einmal ausdrückte, also jenseits einer Diktatur der Sachzwänge und des Mangels, unmöglich sein.

Angesichts dieser Dramatik ist das Vorgehen von "Fridays for Future" oder "Extinction Rebellion" bei weitem nicht übertrieben, ja eher zu zaghaft. Der Druck auf die Politik müsste noch von anderen, von kompetenteren Seiten her verstärkt werden.