Themenmolekül: Die ersten Tage in Amerika

Glasers gesammelte Linkwolke aus der Welt der Wissenschaft und Technologie. Diesmal unter anderem mit einem Curare-Querschnitt, Seeungeheuern auf alten Karten und Energiequellen der Zukunft.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter Glaser

Auf meinen Expeditionen durch das Netz finde ich immer wieder bemerkenswerte Informations-Atome, die sich im Lauf der Zeit zu Themenmolekülen verbinden. Gelegentlich möchte ich an dieser Stelle solche Link-Gravitationswolken aus der Welt der fröhlichen Wissenschaft und Technologie vorlegen.

Mit 30,1 Millionen Büchern und umfangreichen Online-Sammlungen ist die amerikanische Kongressbibliothek die größte Bibliothek der Welt. Auf einem eigenen Portal (Free to Use and Reuse Sets) werden digitale Sammlungen präsentiert, die nach bestimmten Themen zusammengestellt wurden und die zur freien Nutzung zur Verfügung stehen. Die Auswahl umfasst nur einen kleinen Teil der Millionen Bücher, Zeitungen, Manuskripte, Drucke und Fotos, Karten, Filme, Noten und Tonaufzeichnungen, die sich in den Sammlungen insgesamt finden. Sie deckt aber bereits ein breites Themenspektrum ab, von Katzen und Hunden (!) über japanische Farbholzschnitte, Fotos und Briefe von Abraham Lincoln bis hin zu illustren Postersammlungen und architektonischen Appetithäppchen. Dazu gibt es noch eine Sammlung gemeinfreier Filme aus dem National Film Registry – eine Art Verzeichnis des US-Kino-Kulturerbes – sowie eine Sammlung klassischer Kinderbücher, die online durchgeblättert werden können. Die Inhalte sind entweder gemeinfrei oder der Rechteinhaber hat die freie, öffentliche Nutzung gestattet.

Hier der mikroskopische Querschnitt durch eine Curare-Ranke. Ohne Gegenmaßnahmen tritt der Tod durch Curare langsam und relativ unangenehm ein, da das Opfer zwar bei klarem Bewusstsein ist, sich aber nicht bewegen und auch nicht sprechen kann. Wird jedoch eine künstliche Beatmung durchgeführt, bis das Gift abgeklungen ist, überlebt der Vergiftete. Das Gift zeigt keine Wirkung, wenn man ein Tier isst, das mit einem Curare-Pfeil getötet wurde. Von Curare abgeleitete Substanzen dienen in der modernen Medizin als sogenannte Muskelrelaxantien, die bei Operationen und längerer künstlicher Beatmung eingesetzt werden, wobei die Beatmung unbedingt stattfinden muss, da Curare eine Atemlähmung verursacht.

Das 2013 gestartete First Days Project ist ein digitales Archiv, in dem Geschichten über die ersten Erfahrungen gesammelt werden, die Einwanderer in Amerika gemacht haben. Mehr als vierhundert Berichte von Immigranten, Flüchtlingen und Touristen aus der ganzen Welt haben sich inzwischen eingefunden, als Texte, gesprochene Geschichten oder als Videos. Man kann sich zu den Berichten unter anderem anhand einer Karte orientieren, auf der verzeichnet ist, woher die Leute kamen und wo in den USA sie ursprünglich angekommen sind. Das Projekt wird von einer gemeinnützigen Organisation unter Leitung von Samip Mallick betrieben, einem ehemaligen Bibliotheksdirektor der Universität Chicago.

Karten faszinieren sogar Könige. Friedrich der Große etwa wusste den Wert genauer Karten für die Kriegsführung hoch einzuschätzen und verbarg seine wertvolle Kartensammlung über seinen Wohnräumen im Potsdamer Stadtschloss, wo ihm eine knarrende Treppe als Alarmeinrichtung diente. Aber auch gewöhnliche Bürger kann das Kartenfieber packen, das dann auf einer Website wie Mapdragons unvermeidlich zum Ausbruch kommt. Die beiden Betreiber Greg Miller und Betsy Mason sind Wissenschaftsjournalisten, die Karten und die Geschichten dahinter lieben. Ursprünglich hatten sie ein Kartografie-Blog bei Wired, später bei National Geographic. Auf Mapdragons gibt es handverlesene Themen für kartophile Menschen, etwa einen Essay, in dem eine ungewöhnliche Erklärung dafür diskutiert wird, weshalb historische Karten häufig Abbildungen von Seeungeheuern enthalten, oder ein Posting zu Untersuchungen, die belegen, dass unsere mentalen Karten der Welt häufig ungenau oder falsch sind.

Powering the Future: In dem Peer-Review Journal Open Library of Humanities findet sich eine kleine, feine Special Collection wissenschaftlicher Essays über Energieressourcen in Science-Fiction- und Fantasy. Die Betrachtungen reichen von Karel Čapek (1890-1938), von dem der Begriff Roboter stammt, bis zu Solarpunk, einem SF-Subgenre, das von der Vorstellung einer nachhaltigen Zukunft nach der Energiewende geprägt ist. Die Texte sind unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht und können online gelesen und kostenlos heruntergeladen werden.

Und wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann schließ' ich einen Regelkreis.

(bsc)