Grundkurs in Gründergeist – Starthilfe für Firmen im Silicon Valley

Baden-Württemberg fördert im Silicon Valley deutsche Unternehmen. Innovations-Scout Annika Hoeltje ist die Mittlerin zwischen den Welten.

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Grundkurs in Gründergeist [--] Starthilfe für Firmen im Silicon Valley

(Bild: whiteMocca/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Nico Esch
  • dpa
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Reisen bildet nicht nur, es kann auch verändern – Ansichten, Einstellungen, sogar den Kleidungsstil. Annika Hoeltje erlebt das oft bei ihrer Arbeit. Im InnovationCampBW bringt sie Managern aus Deutschland bei, wie das Silicon Valley tickt. "Am Anfang kommen sie im Anzug", sagt Hoeltje. "Nach einer Woche sind sie dann schon viel lockerer." Wer den Geist des Silicon Valley verstehen und davon profitieren will, ist damit oft schon einen großen Schritt weiter.

Hoeltje ist Director of Innovation Solutions and Innovation Scout for the State of Baden-Württemberg in Silicon Valley und damit so etwas wie die Türöffnerin für Südwest-Firmen an einem der wichtigsten Hightech-Standorte der Welt. Apple, Google, Facebook, Tesla und etliche weitere Riesenkonzerne sind hier im US-Bundesstaat Kalifornien zu Hause. Aber auch unzählige kleine Start-up-Firmen, oft Ausgründungen aus einer der nahen Hochschulen oder Forschungseinrichtungen.

Innovations-Scout Hoeltje und das InnovationCampBW sollen deutschen Unternehmen helfen, hier Anschluss zu finden, dazu gute Ideen und gegebenenfalls auch neue Partner. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hat das Projekt 2017 ins Leben gerufen, nachdem sie selbst das Silicon Valley besucht hatte. Es läuft vorerst bis ins kommende Jahr und ist bei der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer (GACC) in San Francisco angesiedelt. Dort gibt es auch eine offizielle Repräsentanz Baden-Württembergs.

"Unsere Aufgabe ist, eine Brücke zu schlagen zwischen Baden-Württemberg und dem Silicon Valley", sagt Hoeltje, die seit vielen Jahren in der Region lebt und auch vor ihrem Scout-Job schon bei der GACC tätig war. Als Zielgruppe hat die Landesregierung vor allem technologieorientierte Mittelständler im Blick, oft Maschinenbauer oder Softwarefirmen. Das Ministerium organisiert und fördert das Programm finanziell. Die Reisekosten müssen die Firmen selbst tragen, zudem einen Anteil an den Kosten des Programms, der von der Firmengröße und dem Umsatz abhängt.

Mehrmals im Jahr kommen dann Vertreter der Unternehmen für mehrere Wochen zu Hoeltje und ihrer Kollegin Theresa Bellermann an die US-Westküste, werden dort von Mentoren betreut, bearbeiten gemeinsam konkrete Fragestellungen, besuchen Start-ups und tauschen Erfahrungen mit anderen deutschen Firmen aus, die schon im Silicon Valley vertreten sind.

Aber warum ausgerechnet dort? "Das Silicon Valley ist ein ganz, ganz spezieller Ort", sagt Hoeltje. "Hier herrscht eine ganz andere Geschwindigkeit. Und alles ist extrem fokussiert auf den Kundennutzer." In diesem Punkt könnten selbst gestandene Unternehmer noch viel von Start-ups lernen. Denn selbst die brillanteste Idee nütze nichts, wenn der Kunde sie nicht brauche. "Oft ist einfach das Problem nicht groß genug. Das passiert auch vielen Mittelständlern", sagt Hoeltje. Letztlich bekämen die Teilnehmer der Camps einen ganz anderen Blick auf ihr Geschäft.

Dazu gehöre auch eine andere Kultur des Scheiterns. "Hier ist es kein Makel, wenn man scheitert", sagt Hoeltjes Kollegin Bellermann. "Das wird hier nicht als Scheitern im negativen Sinne empfunden, solange man aus seinen Erfahrungen die richtigen Schlüsse zieht und zeigt, dass man aus vorherigen Fehlern gelernt hat."

"Es ist in erster Linie eine Kulturfrage", sagt auch Mats Gökstorp. Er ist Vertriebsvorstand bei der Sick AG, einem Sensorhersteller aus Waldkirch bei Freiburg, der mittlerweile selbst im Silicon Valley vertreten ist. Die Geschwindigkeit, mit der dort an Innovationen gearbeitet werde, könne nur verstehen, wer selbst dabei sei. "Wir entwickeln auch in Deutschland viele Innovationen. Und das machen wir auch sehr gut", sagt Gökstorp. "Es benötigt aber Zeit, um als Partner auf Augenhöhe akzeptiert zu werden. Vor Ort präsent zu sein, wirkt sich positiv auf die Beziehung aus."

Denn generell, das ist auch Hoeltjes Erfahrung, sind deutsche Unternehmen gern gesehen im Silicon Valley. "Deutschland ist immer noch bekannt für Qualität und als Partner sehr angesehen", sagt sie. Nur eben vielleicht noch ein bisschen zu langsam.

Es gehe aber auch nicht darum, alles eins zu eins zu übernehmen. Es gehe darum, zu lernen, wie man das Beste aus beiden Welten miteinander verbinden könne, um in einer globalisierten und digitalen Welt erfolgreich zu sein. "Wir brauchen unsere eigene Art des Silicon Valley", sagt auch Sick-Vorstand Gökstorp. "Eine reine Kopie wäre wenig förderlich. Das passt nicht zu unserer Kultur und wäre nicht authentisch." (cbr)