Zum Tode von Chuck Peddle, Vater des MOS 6502-Prozessors

Chuck Peddle entwickelte die MOS 6502-CPU, die in Apple II, C64 und vielen weiteren legendären 8-Bit-Computern steckte. Er verstarb bereits am 15. Dezember.

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Zum Tode von Chuck Peddle, Vater des MOS 6502-Prozessores

Chuck Peddle 2014 während eines Interviews.

(Bild: Screenshot: Youtube / Computer History Museum)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die IT-Welt trauert um Chuck Peddle. Wie am Wochenende bekannt wurde, ist Charles "Chuck" Peddle, Entwickler des legendären 6502-Prozessors, bereits am 15. Dezember verstorben. Peddle galt als einer der Köpfe der Heimcomputer-Revolution, da sein 8-Bit-Prozessor in vielen maßgeblichen Systemen zum Einsatz kam.

Neben dem Commodore PET 2001, dem VC 20 und (als 6510) dem C64 kam er außerdem im Atari 800, Apple I und II bis hin zu Konsolen wie NES oder Atari 2600 in vielen Varianten vor. Mit diesem Prozessor hielt die IT endgültig in den Haushalten Einzug.

Geboren wurde Peddle 1937 in Bangor im US-Staat Maine als Sohn britisch-kanadischer Einwanderer. Schon zu Highschool-Zeiten kam er mit Elektronik in Kontakt, als er in einer Radiostation arbeitete. 1955 wurde er ins Marine Corps aufgenommen und ließ sich über den Militärdienst an der Universität von Maine zum Elektroingenieur ausbilden.

Die erste Beschäftigung nach seinem Abschluss 1960 war in der Computer-Abteilung des amerikanischen Mischkonzerns General Electric. Dort entwickelte er ein Zeitmanagement-Konzept für den Zugriff verschiedener Kunden auf die Rechenzeit von Großrechnern. Nach einem Ausflug in eine eigene unternehmerische Tätigkeit 1970, die später an zu geringem Eigenkapital scheiterte, lotste CPU-Entwickler Tom Bennett Peddle 1973 zu Motorola. Er verhalf Motorolas 6800-Prozessor (nicht zu verwechseln mit 68000) zur Serienreife zu bringen.

Chuck Peddle 1937 - 2019

(Bild: Jason Scott, Lizenz CC BY 2.0, Bearbeitung durch heise online)

Bei den Präsentationen des neuen Chips gegenüber potenziellen Kunden wurde Peddle klar, dass durchaus Interesse an der Chiptechnik bestand, aber nicht zu dem Preis, den Motorola verlangte: 300 US-Dollar (2019 über 1700 Dollar) waren für die Einsatzzwecke als Controllerchip viel zu teuer. Über Gespräche fand er heraus, dass etwa 25 US-Dollar ein akzeptabler Kurs für einen Massenmarkt wäre.

Da Chuck Peddle bei den Vorgesetzten mit dieser Preisvorstellung auf taube Ohren stieß, verließ er mit einigen weiteren Entwicklern Motorola und schloss sich MOS Technology an. Hier entwickelte er den MOS 6501, der 1975 kurz vor der Serienreife stand, zum Motorola 6800 pinkompatibel war, aber mit dem angepeilten Verkaufspreis von 25 Dollar nur einen Bruchteil kostete. Als sein alter Arbeitgeber Wind davon bekam und mit Urheberrechtsklagen drohte, stampfte Peddle kurzerhand die Einführung zugunsten des MOS 6502 ein. Dieser war ähnlich in der Bauart, aber nicht pinkompatibel zum 6501 und somit auch nicht klagegefährdet.

1976 erschien als MOS-Eigenentwicklung der KIM-1 (Keyboard Input Monitor) mit diesem Prozessor, unmittelbar danach übernahm Commodore die in finanzielle Schieflage geratene Chip-Firma. Seinen neuen Chef, den umtriebigen Jack Tramiel überzeugte Peddle, basierend auf der bisherigen KIM-1-Entwicklung einen günstigen Computer zu entwickeln. Daraus wurde der Commodore PET 2001, der erste Komplett-PC mit Tastatur, Monitor und Laufwerk in einem Gehäuse.

Noch vor dem PET 2001 erschien der erste PC überhaupt – der Apple I, ebenfalls mit 6502-Prozessor. Weitere Computer, die den 6502 oder Derivate davon beinhalteten: Apple II, Atari 800, BBC Micro, Commodore VC 20. Mit dem im C64 enthaltenen 6510-Prozessor war ebenfalls eine Variante des 6502 im erfolgreichsten Heimcomputer aller Zeiten enthalten. Abgeleitete Varianten hielten in Konsolen wie dem Atari 2600 oder auch Nintendo NES Einzug. Weitere Einsatzgebiete waren Schachcomputer und als Mikrocontroller in diversen Geräten. Dieser Prozessor traf den Nerv der Zeit und entwickelte sich zu einem weltweiten Erfolg. Außerdem ließ er sich leicht programmieren.

Peddle zog es 1978 nach ersten Differenzen mit dem Commodore-Chef zu Apple, kehrte allerdings 1979 reumütig zurück, da er bei Apple nicht den zugesagten Posten erhielt. 1980 geriet Peddle mit Tramiel erneut in Streit, verließ Commodore endgültig und gründete mit seinem ehemaligen MOS-Kollegen Chris Fish die Computerfirma Sirius Systems. Der daraus 1981 entstandene Büro-PC Sirius I war zwar leistungsfähig, wurde aber durch den überwältigenden Erfolg des fast gleichzeitig erschienenen MS-DOS-PCs vom Markt gedrängt, auch weil er nicht zu 100% MS-DOS-kompatibel war, sodass 1983 Peddles Firma Konkurs anmelden musste. Ab 1985 arbeitete Peddle beim PC-Zulieferer Tandon. Hier entwickelte er unter anderem ein Wechselplatten-Laufwerk für MS-DOS-PCs.

Bill Mensch, langjähriger Kollege und Weggefährte von Chuck Peddle, hat ihm einen lesenswerten Nachruf gewidmet.

Chuck Peddle ist nicht der erste Name, der einem einfällt, wenn man an die Heimcomputer-Revolution denkt. Seine 6502-Reihe, eine der meistverkauften Prozessorreihen überhaupt, ist aber ein entscheidender Faktor davon. Ohne sein Streben und seine Hartnäckigkeit, gegen alle Widerstände die Prozessoren so erschwinglich und einfach wie möglich zu konstruieren, wäre die 8-Bit-Heimcomputer-Revolution so nicht möglich gewesen. Und viele Menschen, die heute in der IT arbeiten, hätten womöglich nicht die erste Begegnung mit ihrem 8-Bit-System erlebt. (mawi)