"Fiasko", "Totgeburt": Scharfe Kritik am geplanten neuen Leistungsschutzrecht

Das Vorhaben des Justizministeriums, als erstes im Rahmen der Urheberrechtsreform Verleger zu stärken, kommt bei vielen Experten nicht gut an.

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"Fiasko", "Totgeburt": Scharfe Kritik am geplanten neuen Leistungsschutzrecht

(Bild: Blackboard/Shutterstock.com)

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Das Bundesjustizministerium hat sich mit seinem Diskussionsentwurf, mit dem es erste Bereiche der EU-Urheberrechtsrichtlinie umsetzen will, in die Nesseln gesetzt. Innerhalb der kurzen, eigentlich Ende Januar abgelaufenen Kommentierungsfrist gingen zahlreiche kritische Stellungnahmen etwa aus der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Wirtschaft bei dem Ressort ein. Der Tenor der bisher veröffentlichten Eingaben lautet, dass die Bundesregierung die Finger von der Initiative lassen sollte.

Der Verein Digitale Gesellschaft etwa fordert, das im Zentrum des Entwurfs stehende Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet "ersatzlos" zu streichen und auch eine Beteiligung von Verlegern an Vergütungspauschalen von Verwertungsgesellschaften nicht wieder einzuführen. "Die Idee, Google & Co. per Leistungsschutzrecht dazu zu zwingen, einen Teil ihrer Werbemilliarden an die Verlage abzugeben, ist eine Totgeburt", betonte Volker Grassmuck aus dem Vorstand der Organisation. Dies müssten alle Beteiligte und selbst das Medienhaus Axel Springer eingestehen, das "maßgeblich dafür lobbyiert hat".

Als viel dringender erachtet es der Verein, dass die Bundesregierung ihrer Erklärung Taten folgen lässt und im Rahmen der nationalen Umsetzung Upload-Filter im Interesse der Meinungsfreiheit und der Nutzerrechte zu verhindern sucht. Sie müsse sich "für die am wenigsten schädliche und am wenigsten fragmentierte Lösung des Dilemmas Artikel 17" einsetzen, der die Haftung von Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten verschärft und von Juristen als grundrechtswidrig angesehen wird.

Unglücklicher hätte der Start für die Adaption der EU-Urheberrechtsreform nicht ausfallen können, schlägt Oliver Süme vom eco-Verband der Internetwirtschaft in die gleiche Kerbe angesichts eines erneut drohenden "Fiaskos". Das vorgesehene erweiterte Leistungsschutzrecht sei praxisfern, weltfremd und verhindere technische Innovationen sowie Kreativität im Kern. Dürften Online-Dienste Bilder nur noch in Miniaturgröße darstellen und Video- oder Audioausschnitte von nicht länger als höchstens drei Sekunden veröffentlichen, wie es das Ministerium vorsehe, schrumpfe das Internet "auf ein Minimum zusammen" und verliere seine "Identität als Informationsmedium".

Keinesfalls dürfe das Leistungsschutzrecht ohne die von der Richtlinie ebenfalls vorgesehenen Nutzerrechte etwa auf das Erstellen von Memes kommen, warnt die frühere EU-Abgeordnete Julia Reda. Ein "Eilverfahren" sei auch nicht gerechtfertigt, da das alte einschlägige Recht für Verleger "zu keinerlei Mehreinnahmen" geführt habe.

Grundsätzlich begrüßt die mittlerweile am Berkman Klein Center for Internet & Society der Harvard-Universität forschende Expertin, dass es das Ressort versuche, die Ausnahme für "einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge" durch eine offene Liste von Beispielen zu veranschaulichen. Die Angabe genauer Zahlen erhöhe aber eher die Gefahr der Rechtsunsicherheit. "Wie groß ein 128 x 128 Pixel großes Vorschaubild erscheint", hänge vom Endgerät der Nutzer ab, schreibt Reda. Es könne im Einzelfall so klein sein, dass es seinen Zweck, über den Inhalt des Bildes zu informieren, verfehle. Ebenfalls wäre eine Darstellung, die Text enthält, in dieser Auflösung in aller Regel nicht lesbar. Völlig unklar bleibe, "ob ein nicht quadratisches Vorschaubild, bei dem nur eine Kantenlänge der Maximalgröße von 128 Pixeln entspricht, zulässig wäre".

Auch Lobbygruppen, die sich prinzipiell für die Urheberrechtsreform ausgesprochen hatten, halten wenig vom Vorhaben von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). Das gewählte Verfahren, die Richtlinie in Teilen abzuarbeiten, sei "unglücklich", konstatiert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Es werde der Eindruck vermittelt, dass die Interessen der Urheber hinter denen der Verwerter ihrer Werke zurückstünden. Die Verlegerbeteiligung bedürfe einer "echten Zustimmungslösung" im Interesse der Kreativen, ohne dass sich Verlage vertraglich einschlägige Rechte einräumen lassen könnten.

Die Initiative Urheberrecht beklagt in ihrer Stellungnahme ebenfalls, dass die Vorschläge "einseitig zugunsten der Verleger formuliert sind". Sie moniert insbesondere, dass die in der Richtlinie enthaltenen und für die Erwerbssituation der Urheber und ausübenden Künstler wichtigen Ergänzungen des Urhebervertragsrechts offensichtlich auf die lange Bank geschoben werden sollen. Ausgewogen sei der Entwurf nicht und drohe damit Stückwerk zu bleiben. Die Politik müsse gerade die Urheber stärken, damit sie sich wirksamer gegen unangemessen niedrige Honorare und unfaire Verträge zur Wehr setzen können, unterstreicht auch der Verband Freischreiber.

"Der deutsche Plan für ein Leistungsschutzrecht" sollte "ganz aufgegeben werden", verlangt das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" in seiner Eingabe. Eine Beteiligung der Verlage an der Bibliothekstantieme verstoße "gegen europäisches und deutsches Recht". "Dringlichster Handlungsbedarf" bestehe beim Verleihrecht für digitale Werke. Seit 2016 sei klar, dass die E-Ausleihe national geregelt werden könne.

Einen ersten Teil der Stellungnahmen hat das Justizministerium auf seiner Webseite für die Initiative zugänglich gemacht, die fortlaufend aktualisiert wird. Verlegerverbände haben sich öffentlich noch nicht zu dem Vorhaben geäußert. Ihnen dürften die Beispiele für rechtlich zulässige "Snippets" für die Anzeige etwa in Suchmaschinen zu weit gehen. (olb)