Star Trek: Picard – Ein Winzer im Weltall

Muss man sich Star Trek: Picard angucken? Der Versuch einer Rezension der ersten Staffel.

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Star Trek: Picard – Ein Winzer im Weltall

In seinen besten Szenen ist Ruhestands-Winzer-Picard kaum von Risa-Expeditions-Picard zu unterscheiden.

(Bild: CBS Television Studios / Roddenberry Entertainment)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Star Trek: Picard ist eine merkwürdige Serie. Sie ist weder klassisches Star Trek, noch etwas ganz Neues. Auf der einen Seite fügt sie sich viel besser in das bestehende Trek-Universum ein als Discovery, auf der anderen Seite auch wieder nicht. Jetzt, wo die zehn Folgen der ersten Staffel vorbei sind, eine Bilanz zu ziehen, ist alles andere als einfach – besonders als hartgesottener Trekkie. Trotzdem folgt nun ein, notwendigerweise subjektiver, Versuch der Einschätzung.

Achtung: Die Folgende Rezension enthält erhebliche Spoiler für die erste Staffel von Star Trek: Picard.

Die ganze Serie lebt unzweifelhaft von Patrick Stewart, der nach knapp siebzehn Jahren zum ersten Mal wieder in die Rolle des legendären Sternenflotten-Kapitäns Jean-Luc Picard schlüpft. Stewart ist großartig, daran ist nicht zu rütteln. Seine schauspielerischen Leistungen lassen auch in Star Trek: Picard nichts zu wünschen übrig. Allerdings hat sich die Welt um ihn herum verändert. Und das gilt nicht nur für Stewart, sondern auch für seine Figur, die als alternder Admiral a. D. ein fast bemitleidenswertes Leben auf dem alten Weingut seines mittlerweile verstorbenen, legendär grummeligen Bruders fristet. Picard ist fertig mit der Welt und wirkt seinem Bruder Robert ähnlicher denn je.

Aber dann wird der alte Mann, wie könnte es auch anders sein, plötzlich wieder aktiviert und muss, diesmal erst einmal gegen den Willen der Sternenflotte, das Universum retten. Stewart spielt den alternden Admiral sehr überzeugend, allerdings gibt es in den Drehbüchern viele Ungereimtheiten, die diese Leistung zum Teil wieder zunichtemachen. Picard spricht auf einmal Französisch, eine Sprache, die in den Drehbüchern von The Next Generation de facto als ausgestorben erklärt worden war, um Stewart diese Mühe damals zu ersparen. Und der Admiral a. D. flucht. Und das nicht zu knapp. Wer mit TNG aufgewachsen ist, wird verstehen, wie undenkbar das für eingefleischte Trekkies ist.

Captain Picard definiert sich als Figur außer über seine moralische Aufrichtigkeit und seine Liebe zu Earl Grey über drei Dinge: Er ist immer höflich, zeigt nie Gefühle und kann nicht mit Kindern umgehen. Keine dieser drei Konstanten gilt für Admiral Picard. Und es wird nicht erklärt, was er in den letzten zwei Jahrzehnten erlebt hat, das diese Änderungen auslöste. Sollen wir etwa glauben, dass der Verlust seines Glaubens in die Sternenflotte dazu geführt hat, dass er nun auf einmal flucht? Oder war es etwa seine Pensionierung? Stewart wirkt in manchen Szenen ebenso wenig überzeugt wie der Zuschauer.

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Auf der einen Seite erinnert Star Trek: Picard mehr an das klassische Star Trek der TNG-Ära als alle anderen Serien seit Voyager. Wahrscheinlich, weil es endlich mal kein Prequel ist. Und natürlich, weil Jeri Ryan, Jonathan Frakes, Marina Sirtis und natürlich Brent Spiner allesamt wieder in alte Rollen schlüpfen. Spiner trägt sogar gleich zwei seiner alten Uniformen noch mal auf, was deren Überlegenheit zu den grauenhaft schludrig geschneiderten neuen Sternenflotten-Kostümen umso deutlicher macht. Bei diesen Auftritten der alten Garde, gekrönt von Will Riker auf der Brücke eines neuen Föderations-Schiffes, fühlt man sich wieder wie in alten Zeiten.

Mal ganz ehrlich: Diese Gruppe würde man doch eher in einem Star-Wars-Film vermuten...

(Bild: CBS Television Studios / Roddenberry Entertainment)

Im Gegensatz dazu hat die Serie aber auch vieles an sich, was für alte Trekkies befremdlich ist. Angefangen mit dem merkwürdigen Titel-Song in bester Discovery-Tradition, oder einem Raumschiff, das besser in ein Firefly-Remake als in eine Trek-Serie gepasst hätte. Auch die Crew, die Picard um sich schart und deren Art Probleme zu lösen, wirkt eher so, als hätten Star-Wars-Fans versucht, ein Star-Trek-Drehbuch zu schreiben. Das Gleiche gilt für die Raumkämpfe, die auch besser in einen Star-Wars-Film gepasst hätten. Statt gut verständlicher (pseudo)wissenschaftlicher Erklärungen und einer optimistischen Weltanschauung trifft man bei Star Trek: Picard auf Mystik und düstere Zukunftsvisionen. Dass die Hintergrundgeschichte der ersten Staffel recht uninspiriert vom Plot der Videospiel-Reihe Mass Effect geklaut und Picards Schicksal am Ende der Staffel unglaublich abgedroschen ist, hilft auch nicht gerade, eingefleischte Trekkies zu vertrösten.

Es wäre ja eigentlich gar kein Problem gewesen, die düstere Unterwelt der Föderation abseits der Sternenflotte zum Thema einer Serie zu machen. Dass diese Welt existiert, wissen wir spätestens seit Deep Space Nine und mehrerer Kinofilme mit der TOS-Besatzung. Das Problem mit Star Trek: Picard ist, dass die Sternenflotte bis auf die allerletzten fünf Minuten der Serie komplett abwesend ist. Für den größten Teil der Serie scheint es fast so, als sei sie gar nicht existent. Die zwei wichtigsten Sternenflotten-Charaktere abseits vom Admiral a.D. und von Captain Riker – der ebenfalls im Ruhestand ist – sind romulanische Spione. Dieser Verfall der Organisation, um die sich bisher fast ausschließlich alle Star-Trek-Geschichten drehten, wirkt wie ein Verfall der ganzen Serie. Es wirkt wie ein Verfall der alten Star-Trek-Werte.

Immerhin ist die Geschichte, die in den zehn Folgen erzählt wird, interessant. Und sie ist nicht so voller Plot-Löcher wie Discovery. Obwohl auch bei Picard manche Dinge wenig Sinn ergeben: Etwa der abgestürzte Borg-Würfel, der eigentlich einen riesigen Krater in den Planeten der Androiden reißen müsste, aber trotzdem auf wundersame Weise sehr sanft landet – und sich die Figuren der Serie sichtlich Mühe geben, Zerstörung zu beschreiben, die eventuell im Drehbuch stand, am Ende aber nicht auf der Leinwand umgesetzt wurde.

Einer der besten Aspekte der Serie: Eine umwerfend aussehende Jeri Ryan tritt in Hintern

(Bild: CBS Television Studios / Roddenberry Entertainment)

Ebenso wenig versteht man als Zuschauer, warum Narek es schafft, der La Sirena in einigen hundert Metern Abstand in einen Trans-Warp-Korridor zu folgen, ohne dass die Crew das bemerkt. Oder warum ein angeblich extrem dezimiertes Romulanisches Imperium mal eben 200 Warbirds auf kurzfristigen Zuruf zusammentrommeln kann. Zu Zeiten von TNG wäre das ein signifikanter Teil der Flotte der Romulaner gewesen, die damals auf dem Höhepunkt ihrer Macht standen. Diese Schiffe wären damals wahrscheinlich im ganzen Quadranten verteilt und Wochen bei Warp 9 voneinander entfernt gewesen.

Unterm Strich kann man sich Star Trek: Picard durchaus angucken. Die Charaktere der Serie sind interessant. Und besonders Patrick Stewart und Santiago Cabrera, der nicht nur Captain Chris Rios, sondern auch die fünf Hologramme seines Schiffes spielt – mit fünf unterschiedlichen Akzenten, ein netter Touch – spielen sehr überzeugend. Und natürlich ist Jeri Ryan als Seven ein Highlight. Seven ist immer ein Highlight. Trotzdem hat man als lebenslanger Trekkie irgendwie das Gefühl, der Plot der Serie wäre bei TNG in einer Doppelfolge ausreichend abgehandelt worden. Star Trek: Picard wirkt gestreckt und etwas uninspiriert. Jetzt wo man alle zehn Folgen bei Amazon Prime im Binge-Watch-Modus am Stück gucken kann, wird das sogar wohl noch etwas mehr auffallen als verteilt über zehn Wochen. (fab)