Qt-Pläne für 2020: Qt 6 und verzögerte Open-Source-Releases

Die Veröffentlichung von Qt 6 steht für Ende des Jahres auf der Roadmap, aber die KDE-Community warnt vor weiteren Einschränkungen für die Open-Source-Variante.

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(Bild: zeevveez  CC-BY 2.0 (bearbeitet))

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Von
  • Rainald Menge-Sonnentag
Inhaltsverzeichnis

Die Qt Company hat die Roadmap für 2020 veröffentlicht und kündigt die nächste Hauptversion für Ende des Jahres an. Bereits im Mai ist das nächste Release mit Long-Term Support (LTS) Qt 5.15 geplant. Im selben Monat soll Qt Design Studio 1.5 folgen. Für Qt Creator steht vor allem eine Verbesserung der C++-Funktionen für den Clang-Compiler an. In der Roadmap finden sich zudem die Pläne für die Qt Automotive Suite, Qt for Automation und Qt for Microcontrollers.

Abgesehen von dieser Ankündigung zeichnet sich eine Zweiklassengesellschaft mit der kommerziellen Variante auf dem Oberdeck und der Open-Source-Version in den Innenkabinen ab. Dass die LTS-Releases künftig kommerziellen Kunden vorbehalten sind, hatte die Qt Company bereits im Januar angekündigt. Parallel zur Roadmap weist eine Mail aus der KDE-Community auf einen womöglich anstehenden Einschnitt hin, der deutlich größer wäre.

KDE-Entwickler Olaf Schmidt-Wischhöfer berichtet über die Verhandlungen zwischen der Qt Company und der KDE Free Qt Foundation, die er im Dezember letzten Jahres noch als Win-Win-Situation beschrieben hatte. Nun überlegt aber die Qt Company nach Schilderung Schmidt-Wischhöfers, die fruchtbare Zusammenarbeit zu beenden.

Die schärfste Abgrenzung ist zwar wohl noch nicht beschlossen, stehe aber durchaus real im Raum: Die Qt Company erwägt, kommende Qt-Version für die ersten 12 Monate den kommerziellen Anwendern vorzubehalten. Zwar soll es weiterhin Open-Source-Releases geben, die aber womöglich ein Jahr verspätet erscheinen. Als Grund nennt das Unternehmen die finanziellen Einbußen in der Corona-Krise, die sie zwinge, kurzfristig die Einnahmen zu verbessern.

Die Qt Company hat inzwischen zwar mit einer offiziellen Stellungsnahme reagiert, die aber nichts weiter aussagt als, dass das Unternehmen stolz sei, sich seinen Kunden, Open Source und dem Qt Governance Model gegenüber verpflichtet zu fühlen. Die Bedenken hinsichtlich der verzögerten Veröffentlichung räumt das kurze Statement dagegen nicht aus.

Die nun veröffentlichte Roadmap für 2020 könnte somit das Menü für zahlende Kunden mit dem für Ende des Jahres angekündigten Hauptgericht Qt 6 beschreiben, während Nutzer der Open-Source-Variante potenziell bis Ende 2021 auf die nächste Hauptversion des Qt-Frameworks warten müssen. Abgesehen vom Zeitrahmen finden sich in der Roadmap keine Informationen zur technischen Ausrichtung, die nicht schon Bestandteil der offiziellen Planung waren, die Qt-Chef-Maintainer Lars Knoll im August letzten Jahres veröffentlicht hat.

Zu den wichtigsten Punkten gehört eine zusätzliche Schicht für 3D-Grafik, die eine Loslösung von OpenGL bedeutet und eine Anbindung sowohl an dessen Nachfolger Vulkan sowie an Microsofts Direct3D und Apples Metal ermöglicht. Die Vorbereitungen dazu finden sich bereits in Qt 5.14, das im Dezember 2019 erschienen ist. Außerdem ist eine strikte Typisierung für die Skriptsprache QML (Qt Meta-object Language) und eine optionale Anbindung an JavaScript geplant.

Breaking Changes werden beim Umstieg auf Qt 6 unvermeidbar sein, aber die Qt Company plant eine breite Kompatibilität auf Sourcecodeebene, während eine Binärkompatibilität wohl nicht erreichbar ist. Wenn Qt 6 wie geplant zum Jahresende erscheint, zählt die aktuelle Hauptversion acht Jahre: Qt 5.0 war im Dezember 2012 erschienen, was wiederum siebeneinhalb Jahre nach dem Release von Qt 4.0 im Juni 2005 war.

Die erste Beta von Qt 5.15 ist bereits Anfang März erschienen. Das fertige Release steht für Mai auf dem Plan. Es bringt unter anderem Erweiterungen für Qt 3D, Qt Quick und QML. Für Letzteres sind die Inline-Komponenten und ein Tool zum Formatieren des QML-Codes nach den offiziellen Coding-Konventionen für QML nennenswert.

Dass es sich bei Qt 5.15 um ein LTS-Release handelt, ist insbesondere aufgrund der zu erwartenden Inkompatibilitäten der kommenden Hauptversion nennenswert. Damit profitieren (ausschließlich) kommerzielle Nutzer von garantierten drei Jahren Support, in denen sie schrittweise auf Qt 6 umsteigen können. Das letzte LTS-Release war 2018 als Qt 5.12 erschienen.

Neben dem Qt Framework hat die Qt Company zahlreiche Tools im Portfolio. Für Entwickler spielt die Entwicklungsumgebung Qt Creator eine maßgebliche Rolle. Große Neuerungen stehen für die IDE nicht auf dem Plan, aber hinsichtlich der Integration anderer Tools gibt es einige Pläne. So soll Qt Creator über den integrierten Compiler Clang C++20 unterstützen, sobald der Standard offiziell verabschiedet ist.

Die Syntaxhervorhebung soll künftig durch das Language Server Protocol (LSP) erfolgen. Die IDE verwendet bereits seit der Ende 2018 erschienen Version 4.8 das System, auf das auch die Eclipse-IDE und Visual Studio Code setzen, bisher jedoch lediglich zur Autovervollständigung und Fehlererkennung. Derzeit läuft die Hervorhebung dagegen noch über das interne Highlight-Tool.

Qt Design Studio baut auf Qt Creator auf, zielt aber in erster Linie nicht auf Entwickler, sondern passend zum Namen auf Designer und Grafiker. Die erste Beta von Qt Design Studio 1.5 ist Ende März erschienen und das fertige Release ist für Mai geplant. Es baut auf die Verbesserungen von Qt Quick in Qt 5.15 auf und hat ein neues UI an Bord. Außerdem soll es weitere Integrationswerkzeuge für externe Tools wie Adobe XD mitbringen.

Das Toolkit für die Embedded-Entwicklung Qt for MCUs ist seit Ende letzten Jahres allgemein verfügbar. Mit dem Grafikframework lassen sich Anwendungen erstellen, die direkt auf dem Mikrocontroller ohne Betriebssystemschicht laufen. Ab dem Release von Qt 5.15 LTS und dem zugehörigen Release von Qt for MCUs ist eine volle Kompatibilität auf der QML-Sprachebene geplant. Außerdem soll Qt Creator eine bessere Unterstützung für das Toolkit bieten.

Auch die auf spezielle Anforderungen im industriellen Umfeld zugeschnittenen Varianten Qt for Automation und Qt Automotive Suite will die Qt Company im kommenden Jahr aktualisieren und dabei besonders die erhöhten Sicherheitsanforderungen im Auge haben.

Weitere Pläne der Qt Company für das laufende Jahr, darunter der Ausbau des im letzten Jahr eingeführten Qt Marketplace, lassen sich dem Qt-Blog entnehmen. (rme)