Blaulicht oder Smart Meter: Zoff ums 450-MHz-Band verschärft sich

Die Zuteilungen für 450 MHz laufen aus. Neben der Energiewirtschaft erheben Sicherheitsbehörden Ansprüche, lassen Spektrum im 700-MHz-Band aber ungenutzt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 162 Kommentare lesen
Feuerwehr, Notruf, Blaulicht

Blaulicht oder Stromzähler: Der Streit ums Spektrum geht weiter.

Lesezeit: 4 Min.

Die Bundesregierung will vor dem Hintergrund der Ende 2020 auslaufenden Frequenzzuteilungen im begehrten langwelligen 450-MHz-Funkband "rechtzeitig" über die Neuvergabe entscheiden. Dies teilt das Verkehrsministerium in einer heise online vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen mit. Die Zeit drängt, damit die zuständige Bundesnetzagentur die noch nötigen Schritte veranlassen kann, um das Spektrum ohne Verzögerung für die neuen Nutzer verfügbar zu machen.

Bedarf für die alte C-Netz-Frequenz hatten laut der Auskunft bereits 2017 neben Vertretern der Energie- und Wasserwirtschaft auch die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) sowie die Bundeswehr angemeldet. Seitdem haben sie alle ihre Ansprüche mehrfach erneuert.

Die Bundesnetzagentur empfahl im September, das Band "aus frequenzregulatorischer Sicht" an Energienetzbetreiber und die Versorgerallianz zu vergeben, der rund 120 Unternehmen auch aus der Wasserwirtschaft angehören. Sie hat dazu ein offizielles Zuteilungsverfahren eingeleitet, um den "drahtlosen Netzzugang vorrangig für Anwendungen kritischer Infrastrukturen" wie Smart Meter zu ermöglichen.

Das Bundeswirtschaftsministerium unterstützt diesen Plan, um den Ausbau intelligenter Stromzähler und damit auch die Energiewende zu beschleunigen. Stünde ein 450-MHz-Breitbandnetz dafür nicht zur Verfügung, müssten Smart-Meter-Gateways völlig neu entwickelt und zertifiziert werden, was "mehrjährige Verzögerungen und erhebliche Mehrkosten" mit sich brächte. Das Bundesinnenministerium drängt dagegen darauf, das Band den Sicherheitsbehörden zu übergeben. Für diese wäre das Breitbandnetz "unabdingbar".

Über das 450-MHz-Funknetz sollten gegebenenfalls für Polizei, Feuerwehr und andere Hilfskräfte "Basisdienste wie ein Messenger-Dienst", ein E-Mail-Service, Melderegister- und Kfz-Halterabfragen sowie der Austausch von Lage-, Einsatz- und Fahndungsinformationen realisiert werden, erläutert die Regierung nun. Insbesondere für "einsatzunkritische Anwendungen", die höhere Datenraten etwa für Videoübertragungen benötigten, sei noch in diesem Jahr aber ein alternativer Testbetrieb geplant, "bei dem auch eine Mitnutzung öffentlicher Mobilfunknetze im Rahmen eines hybriden Modells untersucht wird".

Zugleich erklärt das Verkehrsressort, dass für die Blaulichtbehörden schon 2018 Frequenzen im Umfang von je zweimal 5 MHz und 3 MHz im 700-MHz-Band im Rahmen der zweiten "digitalen Dividende" aus dem Rundfunkbereich freigeschaufelt worden seien. Laut Plan könnten diese seit Juli 2019 bundesweit genutzt werden. Für die den Behörden gewidmeten Bereiche habe die BDBOS eine Frequenzzuteilung erhalten, um im Einklang mit einem Auftrag der Innenministerkonferenz einen Breitbandtest bis zum Mai durchzuführen.

"Die Nutzung der Frequenzen im 700-MHz-Band wurde von den Sicherheitsbehörden bislang nicht aufgenommen", heißt es in der Antwort der Bundesregierung weiter. Dies liege möglicherweise daran, dass die vom Verkehrsministerium beauftragten Gutachter zu unterschiedlichen Einschätzungen über die Nutzbarkeit des Spektrums für Polizei & Co. gekommen seien. Handhelds für das 700-MHz-Band existieren dem Verkehrsressort zufolge bisher nur in Form teurer "proprietärer Endgeräte" einzelner "spezialisierter Hersteller". Zeitpläne zur Verfügbarkeit weiterer Modelle und deren Kosten seien "bislang nicht bekannt".

Die Regierung will bei ihrer Entscheidung nach eigenem Bekunden dafür Sorge tragen, "dass die Versorgungssicherheit" im Energiebereich gewährleistet ist. Auch über Mitnutzungsmöglichkeiten berieten die Ressorts noch, auch wenn diese voraussichtlich nur in engem Rahmen möglich seien. Die Energieexpertin der Grünen, Ingrid Nestle, beklagt eine andauernde Tragödie in dem Streit: "Bereits seit 2013 weiß die Bundesregierung von den verschiedenen Interessen für die Frequenzen und seit 2017 von den Konflikten." Sie plädiert dafür, das Band der Energiewirtschaft zuzuteilen mit der Option, dass die Sicherheitsbehörden es "auf regionaler und lokaler Ebene" verwenden könnten. (vbr)