Corona-Tracing-Apps: Europarat erinnert an Gebot der Datensparsamkeit

Deutschland wird nach zähem Ringen eine datensparsamere Variante einer Corona-Tracing-App entwickeln. Doch in vielen anderen Ländern sieht es anders aus.

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Gedanken, Menschen

(Bild: Grae Dickason, gemeinfrei)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Der Europarat erinnert die Vertragsstaaten der Datenschutzkonvention an ihre Verpflichtungen bezüglich der informationellen Selbstbestimmung ihrer Bürger. "Jenseits von Vertraulichkeit und Datenschutz, werfen die digitalen Tracing-Konzepte auch Fragen bezüglich Ungleichheit und Diskriminierung auf", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der italienischen Datenschützerin Alessandra Pierucci und des Datenschützers des Europarates Jean-Philipp Walter.

55 Länder haben die Konvention 108, die Datenschutzkonvention, unterzeichnet. Darunter sind auch sieben Nicht-Mitglieder, etwa Argentinien, Mexiko und der Senegal. Sie alle haben sich verpflichtet, eigene Datenschutzgesetze gemäß der Konvention auszugestalten.

Die Mitgliedsländer seien aufgefordert, mit der gebotenen Vorsicht von den technologischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, soweit sie mit Grundrechtseinschränkungen verbunden sind, sagte Pierucci gegenüber heise online. Man dürfe dabei auch nicht aus den Augen verlieren, dass die Apps nur ein Baustein seien, deren Effektivität von vielen Faktoren, etwa einem Konzept für Tests abhängig sei. Sollte sich die Effektivität der Tracing Apps nicht bestätigen können, würden sie schon an der datenschutzrechtlichen Prüfung scheitern.

Bei der Modernisierung des bereits 1985 in Kraft getretenen Völkerrechtsvertrag hat der Europarat eine Reihe von Regeln neu gefasst, die in der aktuellen Debatte um die Tracing Apps eine wichtige Rolle spielen. Nachgebessert wurde etwa bei der Schutzwürdigkeit von Gesundheitsdaten und anderen sensiblen Daten. Das Prinzip der Datensparsamkeit wurde geschärft. Zudem verbietet die Konvention "108 Plus", Bürgerinnen und Bürgern in den Unterzeichnerstaaten sich rein automatisierten Entscheidungen zu unterwerfen, ohne dass sie intervenieren, widersprechen oder sich diesen entziehen können.

Dieses Recht behielten Individuen auch in schwierigen Situationen wie der aktuellen Pandemie unterstreichen Pierucci und Walter. Sich automatisierten Entscheidungsverfahren zu entziehen, müsse vor allem dann möglich sein, wenn die Folgen für den einzelnen erheblich sind. "Sich selbst zu isolieren oder sich einem Test zu unterziehen hat selbstverständlich erhebliche Auswirkungen auf den Einzelnen", so die Stellungnahme.

Gegenüber heise online unterstrich Pierucci, dass es besonders wichtig sei, die Zweckbestimmung von Apps klar festzulegen und jegliche nachträgliche Ausweitung zu unterbinden. "Wir müssen uns darüber klar sein, dass dies Notfallmaßnahmen für eine Notfallsituation sind. Sie sollten daher auch nur solange Bestand haben, wie die Krise dauert." Zum Streit um zentrale und dezentrale Lösungen sagen Pierucci und Walter lediglich, sie würden alle die Gefahr einer Re-Identifikation bergen.

Die Debatten um die technische Ausgestaltung der Apps seien auch in anderen Konvention-108-Vertragsstaaten wie etwa Tunesien oder Marokko noch im Gang, sagte Pierucci. Genau deshalb habe man sich entschlossen, mit der Stellungnahme an die Standards der Konvention zu erinnern. Vielleicht könne man so spätere Klagen am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof unnötig machen.

(kbe)