Vernetztes Dorf – wie die DorfFunk-App in der Corona-Krise hilft

Beim ersten bundesweiten Digitaltag schaut der Bundespräsident nicht ins Silicon Valley oder nach Berlin-Mitte, sondern auf die Digitalisierung in der Provinz.

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Vernetztes Dorf - wie die DorfFunk-App in der Corona-Krise hilft

(Bild: Fraunhofer IESE / digitale-doerfer.de)

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Von
  • dpa
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Familien durch Kontaktverbote getrennt, die Arbeit ins Homeoffice verlegt, das öffentliche Leben lahmgelegt: Die Corona-Pandemie hat den Menschen in Deutschland in den vergangenen Wochen vieles abverlangt. Aber es hätte schlimmer kommen können – ohne die Möglichkeiten, die die digitale Technik heute bietet, um miteinander zu kommunizieren, zu arbeiten und den Alltag zu organisieren. "Uns miteinander vernetzen, um verbunden zu bleiben – diese Erfahrung haben wir während der Pandemie besonders intensiv gemacht", sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Freitag.

Es ist der erste bundesweite Digitaltag (19.6.2020). Und Steinmeier will erfahren, wie die digitale Technik in der Corona-Krise das Leben ein Stück weit leichter gemacht hat. "Ich mag mir gar nicht vorstellen, wo wir heute wären, hätten wir die digitalen Möglichkeiten nicht gehabt", sagt er. Sein Blick richtet sich auf das Land, also dorthin, wo die Menschen sich gegenüber der Großstadt oft abgehängt fühlen. Wo aber die Digitalisierung längst Einzug gehalten hat.

Etwa in der rheinland-pfälzischen Gemeinde Betzdorf-Gebhardshain, wo die Bürger untereinander mit der DorfFunk-App in Kontakt stehen, sich austauschen, Hilfe suchen und anbieten sowie einen direkten Draht zu ihrer Gemeindeverwaltung haben. Die vom Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) in Kaiserslautern entwickelte App ist ein Messenger-Dienst mit lokaler Reichweite, die sich auch auf Nachbargemeinden erstrecken kann. Bundesweit wird der Dienst bereits von rund 50.000 Menschen genutzt.

"Man ist in einem ganz anderen Austausch untereinander", berichtet Caroline Decker aus Gebhardshain am Freitag per Videokonferenz dem Bundespräsidenten. Sie habe den Messenger-Dienst auf ihr Smartphone geladen, weil sie gerade älteren Menschen, die als Risikogruppe gelten, helfen wollte. "Die App kann einen dabei sehr unterstützen. Für mich war es einfach, wenn Hilfe gebraucht wird, diese direkt anzubieten, ohne dass man andere komplizierte Wege gehen muss." Und: "Der Informationsfluss über die App ist nochmals ganz anders als über zum Beispiel in Zeitungen oder bei persönlichen Treffen."

Den Erfolg macht die "persönlichere Ansprache auf Dorfebene" aus, wie Sascha Hensel aus dem Rathaus Betzdorf berichtet. "Man hat sich eher gefühlt wie in seiner Heimat, obwohl es sich halt doch alles in der digitalen Welt abgespielt hat."

Auch im nordrhein-westfälischen Ovenhausen wird die DorfFunk-App genutzt und hat in der Hochphase der Corona-Krise besonderen Zuspruch erhalten. Gut 500 der 1030 Einwohner hätten die App inzwischen geladen, sagt Hans-Werner Gorzolka von der örtlichen Kirchengemeinde. "Ich behaupte mal, dass wir jede Familie in Ovenhausen erreichen mit unseren Nachrichten." Die Vernetzung der Bürger steht hier unter der Überschrift "Sorgendes Dorf".

Im Gespräch mit dem Bundespräsidenten zeigt sich Agnes Klocke aus Ovenhausen begeistert: "Ich weiß einfach, an wen ich mich wenden kann, wenn ich Hilfe brauche." Nach ihrer Beobachtung stärkt das digitale Angebot auch das ehrenamtliche Engagement der Bürger. "Das Ehrenamt war vor ein paar Jahren ja doch ein wenig Stiefkind. Jeder hat so sein privates Ding gemacht." Jetzt werde es wieder mehr. Vereine blühten beispielsweise wieder auf.

Die Corona-Krise also als Chance? Aus Steinmeiers Sicht ist sie dies jedenfalls mit Blick auf den Stand der Digitalisierung in Deutschland insgesamt. Denn: "Die Krise hat viele digitale Defizite schonungslos ausgeleuchtet, ganz besonders in den Schulen und in der öffentlichen Verwaltung."

Und sie zeige, dass Deutschland auch beim gerechten Zugang zur digitalen Grundversorgung viel aufzuholen habe – "etwa auf dem Land oder für Familien, wo nicht jedes zweite Jahr ein iPad unter dem Tannenbaum liegt oder ein neuer Laptop zum Geburtstag kommt".

(tiw)