Probleme mit Dienst-Handys: Corona-App läuft in Ministerien oft nicht

Viele Mitarbeiter in Ressorts der Bundesregierung können die Corona-Warn-App nicht verwenden, da ihre dienstlichen Mobiltelefone nicht dafür geeignet sind.

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Probleme mit Dienst-Handys: Corona-App läuft in Ministerien oft nicht

(Bild: Marco.Warm / Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung wirbt massiv dafür, dass möglichst viele Bürger die nationale Corona-Warn-App nutzen. Jeder Anwender sei ein Gewinn, heißt es in Berlin immer wieder. Just viele Mitarbeiter von Bundesministerien und Kanzleramt können die Mobilanwendung im Kampf gegen die Pandemie aber gar nicht nutzen: ihre Dienst-Handys spielen nicht mit, erfüllen die technischen Anforderungen zur freiwilligen Installation und zum Betrieb des Programms nicht.

Laut der Bild am Sonntag sind etwa im Bundesfinanzministerium (BMF), im Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ), im Ressort für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie im Staatsministerium für Kultur und Medien (BKM) zahlreiche Mobiltelefone im Einsatz, die die App nicht unterstützen. Im BMZ sei die Anwendung nur bei 30 Prozent der Dienstgeräte installierbar. Bei der Mehrzahl der dortigen Telefone seien die Betriebssysteme zu alt.

"Das BMZ gibt eine lange Laufzeit der Geräte vor, um im Einklang von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit, Kosten sowie Umweltbelastung durch Elektroschrott gering zu halten", erklärte ein Sprecher des Ressorts gegenüber dem Blatt. Beim BKM sollen nur zehn von insgesamt 90 Dienst-Handys die Anforderungen für die App erfüllen. 65 Mobilgeräte dienten ausschließlich der Telefonie, ist dem Bericht zu entnehmen. Bei 20 Smartphones müsse die für die Abstandsmessung und den Schlüsselaustausch erforderliche Bluetooth-Verbindung "aus Sicherheitsgründen" ausgeschaltet bleiben.

Das BMF gab nur pauschal an, "Modelle unterschiedlicher Hersteller" in Betrieb zu haben, "die zum Teil den Einsatz der Corona-Warn-App zulassen". Konkrete Zahlen lieferte das Haus von Olaf Scholz (SPD) nicht. Man arbeite daran, den Betrieb auf sämtlichen Geräten zu ermöglichen, beim BMEL sind dem Bericht nach noch zehn von 150 Dienst-Smartphones nicht auf die App ausgerichtet, sollen aber in den kommenden Tagen ausgetauscht werden.

Den Unterbau der hiesigen Anwendung bildet eine Bluetooth-Schnittstelle von Apple und Google. Diese funktioniert auf Smartphones, auf denen Betriebssystem-Versionen ab Android 6 oder iOS 13.5 laufen. Die Deutsche Telekom schätzt, dass mindestens 65 Prozent der Bundesbürger Mobiltelefone haben, die diesen Anforderungen entsprechen. Sie wollte notfalls auch geeignete Extra-Handys etwa für ältere Menschen in ihren Shops ausgeben.

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Daniela Kluckert kritisierte es als Farce, "dass die App nicht auf den Smartphones der Mitarbeiter der Ministerien installierbar ist". Was die Bundesregierung von der Bevölkerung erwarte, "muss mindestens für die eigenen Mitarbeiter gelten". Arbeitgeber können laut Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) ein Weisungsrecht haben und der Belegschaft die Anwendung vorschreiben. Dabei müssten aber "unterschiedliche Interessen abgewogen werden", wobei ihrer Meinung nach der Aspekt der Freiwilligkeit dominiere.

Die App luden sich binnen einer guten Woche 13 Millionen Nutzer hierzulande aufs Handy. Auf einschlägige Zahlen wies jüngst der neue britische Oppositionsführer Keir Starmer (Labour) den britischen Premierminister Boris Johnson hin, nachdem der Konservative im Abgeordnetenhaus behauptet hatte, das derzeitig kein Land eine funktionierende Anwendung zum Nachverfolgen von Infektionsfällen habe.

Laut dem Independent will sich Johnson nun bei der Bundesregierung Hilfe holen, wie die auf einem zentralen Speichermodell beruhende App des Landes neu ausgerichtet und doch noch zu einem Erfolg geführt werden könnte. Der deutsche Botschafter in Großbritannien, Andreas Michaelis, twitterte, er habe über eine mögliche Kooperation mit Gesundheitsminister Matt Hancock gesprochen.

Hierzulande soll derweil der Austausch von Ergebnissen von Corona-Tests beschleunigt werden. Das könnte laut Kanzleramtschef Helge Braun "die alles entscheidenden" zwei bis vier Tage rausholen, um Infektionen effektiv zu unterbinden. Seit wenigen Tagen haben Labore die Möglichkeit, Erregernachweise von Sars-Cov-2 elektronisch an die zuständigen Gesundheitsämter zu melden, teilte das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (Fokus) am Freitag mit. Es hat nach eigenen Angaben das Bundesgesundheitsministerium und das Robert-Koch-Institut bei der Umsetzung des Projekts unterstützt.

Dadurch sollen Testergebnisse schneller und vollständiger zunächst beim Gesundheitsamt und dann auch bei den Betroffenen vorliegen. "Die Zeit des Faxens ist damit endgültig vorbei", erklärte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). "Jede Stunde weniger Infektionsgefahr ist ein Gewinn beim Kampf gegen das Virus."

Die rund 170 Labore und 400 Gesundheitsämter sollen in den kommenden Wochen schrittweise an das Deutsches Elektronisches Melde- und Informationssystem (DEMIS) angebunden werden. Derzeit müssen sich App-Nutzer oft noch über eine Hotline eine spezielle TAN besorgen, um ihre Kontakte bei einer nachgewiesenen Infektion warnen zu können.

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