Klimawandel verursacht hohe wirtschaftliche Schäden

30.8.2020 Demo "Alle Dörfer Bleiben – jetzt erst recht!" am Tagebau Garzweiler. Bild: Christoph Schnüll/CC BY-2.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von den Folgekosten der globalen Erwärmung, Siemens‘ fossilen Investitionen und dem europäischen Klimaziel 2030

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Extremwetterereignisse und Waldbrände entwickeln sich mittlerweile zum Normalzustand. Mit dem Hurrikan Laura hat ein Hurrikan der Stufe 4 die Küste von Louisiana getroffen und extreme Zerstörung hinterlassen, und auch im westlichen Pazifik ziehen mehrere Taifune auf das Festland zu. Und während in Pakistan aufgrund des Monsuns ganze Stadtviertel der Millionenstadt Karatschi unter Wasser standen und über 40 Menschen ums Leben kamen, wüten in Kalifornien wieder gewaltige Waldbrände, zum größten Teil ausgelöst durch Hitze und Blitzeinschläge. Auch der Amazonas-Regenwald und das Feuchtgebiet Pantanal stehen in Flammen, hier allerdings dürfte wie jedes Jahr Brandrodung im Spiel sein. Die Zahl der Brände war im August noch größer als im August 2019.

Tod und Leid, die durch den Klimawandel verursacht werden, lassen sich natürlich nicht monetär beziffern. Dennoch können ökonomische Kalkulationen zu den Folgen der Klimaerwärmung dazu beitragen, heute zu geringeren Kosten zu handeln. Je größer die zu erwartenden Schäden, desto eher macht es Sinn, heute zu handeln - es sei denn, es geht lediglich um kurzfristige Unternehmensinteressen oder kurzfristiges politisches Machtkalkül.

Jedenfalls haben das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) die wirtschaftlichen Schäden durch die Klimaerwärmung in diesem Jahrhundert neu kalkuliert und kommen auf einen Verlust der globalen Wirtschaftsleistung zwischen 7 und 14 Prozent bis zum Jahr 2100. Besonders betroffen wären tropische Regionen mit einem Wirtschaftseinbruch um bis zu 20 Prozent. Jede Tonne CO2, die im Jahr 2020 emittiert wird, schlägt mit Schäden in Höhe von 76 bis 148 Euro zu Buche, so die Studie. Die zu erwartende Schadenshöhe sei damit deutlich höher als in bisherigen Modellstudien.

Dem jetzigen Modell ist das Szenario des Weltklimarats IPCC zugrunde gelegt, wonach die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um 3,7 Prozent steigt. (Dass dieses Szenario noch zu optimistisch sein könnte, wurde an dieser Stelle berichtet) Die Forscher des MCC und PIK kombinierten das globale Modell mit regionalen Datensätzen. "Unser neuartiger, eigens für diese Arbeit entwickelter Regionaldatensatz liefert ein besonders feinkörniges Bild davon, wie Wirtschaftsleistung mit Temperatur und Niederschlag zusammenhängt", so der Leitautor der Studie, Matthias Kalkuhl.

Das Herunterbrechen der zukünftigen Klimafolgekosten auf jede heute ausgestoßene Tonne CO2 macht vor allem deutlich, dass die aktuellen CO2-Preise die Schäden bei Weitem nicht abbilden. Im europäischen Emissionshandelssystem ETS wird die Tonne derzeit zu 20 bis 30 Euro gehandelt, und in Deutschland wird ab Januar 2021 ein CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne in den Bereichen Verkehr und Gebäude fällig.

Um heutige Verursacher in Bezug auf die Höhe der zukünftigen Schäden tatsächlich zur Verantwortung zu ziehen, müssten die Emissionen wohl um ein Vielfaches teurer werden. Die Studie von MCC und PIK ist dabei in ihren Prognosen noch sehr vorsichtig. "Wir betrachten lediglich die unmittelbaren Folgen des Temperaturanstiegs, nicht die Schäden durch Extremwetter-Ereignisse oder Meeresspiegel-Anstieg", so die Co-Autorin Leonie Wenz vom PIK. "Und wir beziffern nur ökonomische Schäden - außen vor bleibt auch, dass der Klimawandel Ökosysteme zerstört, die Biodiversität vermindert und die Wahrscheinlichkeit von gewaltsamen Konflikten erhöht."

Proteste gegen Abbaggerung von Dörfern

Auch wenn ein schnellerer Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger nötig bleibt, treiben die Kohlekonzerne in Deutschland weiter die Zerstörung von Landschaft und Dörfern voran. Im Rheinland demonstrierten am Sonntag 3000 Menschen gegen die Abbaggerung von Dörfern am Tagebau Garzweiler II. Sie bildeten eine Menschenkette um den Ort Lützerath, den RWE noch in diesem Jahr abreißen will. Außerdem wurde am frühen Sonntagmorgen ein Braunkohlebagger besetzt, der nach Angaben von RWE aber außer Betrieb war.

Mehrere Aktivisten wurden festgenommen. Nach Informationen des Ermittlungsausschusses sollen sie bis Freitag abend in verschiedenen Gefangenensammelstellen festgehalten werden. Damit findet wohl erneut das verschärfte nordrhein-westfälische Polizeigesetz Anwendung, wonach Ingewahrsamnahmen zur Identitätsfeststellung bis zu sieben Tage dauern dürfen. Das Legalteam von Extinction Rebellion teilte auf Twitter mit, dass sieben verhaftete Aktivisten in den Hungerstreik getreten sind.

30.8.2020 Demo "Alle Dörfer Bleiben – jetzt erst recht!" am Tagebau Garzweiler. Bild: Christoph Schnüll/CC BY-2.0

Wie bereits berichtet), leiden die Menschen in den von Abbaggerung bedrohten Orten am Tagebau Garzweiler II derzeit unter den Folgen des Abrisses der Straße L277, da der Verkehr nun durch die Ortschaften rollt. Und auch in der Lausitz sollen mit dem Bagger vollendete Tatsachen geschaffen werden. Der Kohlekonzern LEAG will in Mühlrose in diesen Tagen zwei Häuser abreißen lassen. Nach Angaben der Initiative "Alle Dörfer bleiben" hat die LEAG keine bergrechtliche Genehmigung für die Inanspruchnahme von Mühlrose. In den Tagebauen der LEAG sei auch ohne das Sonderfeld Mühlrose ausreichend Kohle für den Betrieb bis zum Jahr 2038 vorhanden.

Kritik an Siemens Energy

Unnötige Zerstörung und Investitionen in fossile Projekte führen nicht nur in Deutschland dazu, dass man an fossile Technologien gebunden bleibt. Auch international tragen neue fossile Projekte dazu bei, dass Klimaziele langfristig nicht eingehalten und dass lokale Bevölkerungen Umwelt- und Gesundheitsrisiken ausgesetzt werden.

Ausgerechnet das deutsche Unternehmen Siemens, mit seinem Ableger Siemens Energy, investiert derzeit in hochumstrittene Kohle- und Gasprojekte in Israel und in Indonesien, wie die Organisationen Urgewald, EcoPeace Middle East und Market Forces am Montag in einer Pressekonferenz hervorhoben. Siemens Energy soll im September an die Börse gehen, im April war die Energiesparte aus dem Hauptunternehmen ausgegliedert worden. Und obwohl das Unternehmen gerne die Schlüsselwörter Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung benutze, sei das tatsächliche Handeln kaum danach ausgerichtet.

Der beste Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels ist, alle Projekte zu beenden, die zu einem zusätzlichen Gebrauch von Kohle, Öl und Gas führen. Während Länder weltweit in den nächsten Jahren ihre Erneuerbare-Energien-Ziele steigern, schaden langfristige Investitionen in fossile Energien nicht nur dem Klima, sondern auch den Aktionären von Siemens Energy. Das Unternehmen will offenbar immer noch von fossilen Geschäften profitieren anstatt eine klare Ausstiegsstrategie zu entwickeln.

Regine Richter von Urgewald

Siemens Energy argumentiere mit der Steigerung von Effizienz. Würden aber neue, effizientere Kohlekraftwerke gebaut oder alte auf effizientere Technik umgerüstet, bedeute das immer auch längere Laufzeiten für die Kohle. Ein wichtiges Argument von Siemens wie von anderen Investoren in fossile Infrastruktur sei auch stets, dass diese auch auf grünen Wasserstoff umgestellt werden könne. Hier muss man sich allerdings fragen, ob dieser auch verfügbar gemacht werden kann.

In Israel, an der Grenze zur palästinensischen Westbank, will Siemens Energy gemeinsam mit Phoenix Insurance und privaten Anlegern ein 1300-Megawatt-Kraftwerk bauen, das mit Erdgas und Diesel betrieben werden soll. Israelische wie auch palästinensische Kommunen aus der Region haben Beschwerden gegen das Projekt eingereicht und wollen notfalls bis vor das Oberste Gericht ziehen. Die Gemeinden wenden ein, dass das Kraftwerk mitten in dicht besiedeltes Gebiet und mit zu wenig Abstand zu Wohnhäusern gebaut würde, durch ein Diesellager die Wasserressourcen der Bevölkerung gefährdet würden und sie zusätzlicher Luftverschmutzung ausgesetzt würden. Zudem sei die Öffentlichkeit nicht ausreichend beteiligt worden und es sei nicht einmal ökonomisch sinnvoll, da Investitionen in Photovoltaik und entsprechende Speicher in der Region mittlerweile günstiger seien.

In Indonesien ist Siemens Energy am geplanten Bau zweier neuer Kohlekraftwerksblöcke, Jawa 9 und 10, beteiligt. Hier soll das Unternehmen die Turbinen liefern. In der Region Banten, wo das Kraftwerk gebaut werden soll, existieren bereits 22 Kohleblöcke. Durch den Neubau droht eher ein Überangebot von Strom, wofür letztlich die Steuerzahler aufkommen müssten. Zudem sei es auch in Indonesien günstiger, in Photovoltaik als in neue Kohlekraftwerke zu investieren. Laut Binbin Mariana von der Organisation Market Forces sind die Umweltgenehmigungen fehlerhaft und es gab keine ausreichende Beteiligung der Öffentlichkeit.

Minus 55 Prozent machbar

Hoffnung auf ein ambitioniertes Klimaziel der EU bis zum Jahr 2030 macht eine aktuelle Publikation des Thinktanks Agora Energiewende. Technisch und wirtschaftlich sei eine Reduktion der CO2-Emissionen um 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 möglich, so das Fazit der vom Öko-Institut erstellten Studie. Die EU-Kommission beabsichtigt, das Klimaziel der Staatengemeinschaft von derzeit 40 Prozent weniger Emissionen bis 2030 auf 50 bis 55 Prozent zu verschärfen.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssten beispielsweise auf EU-Ebene wie auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten zusätzliche Maßnahmen verabschiedet sowie das europäische Emissionshandelssystem reformiert werden. Damit die ärmeren Staaten vor allem in Südost- und Osteuropa die neuen Ziele erreichen können, sollte es einen Solidaritätsmechanismus innerhalb der EU geben, der in den künftigen EU-Haushalten einberechnet werden sollte.

Es ist wichtig, dass die EU-Mitglieder möglichst rasch anfangen, ihre Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität umzubauen. Die dadurch erzielten Emissionsminderungen summieren sich über die Jahre auf und erleichtern das Erreichen von Klimaschutzzielen für 2030 und auch für 2050. Spätere Emissionsminderungen müssten hingegen äußerst drastisch ausfallen, um einen ähnlichen Effekt zu erzielen. Sie sind daher viel schwerer politisch und wirtschaftlich umsetzbar.

Patrick Graichen, Direktor von Agora-Energiewende