TikTok: Oracle-Deal löst Probleme nicht, wahrt aber Trumps Gesicht

Ein glorifizierter Hosting-Deal könnte den Spagat schaffen: TikToks US-Geschäft zu retten und Trump einen Ausweg aus einem selbst gegrabenen Loch zu weisen.

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Donald Trump auf einem Rollfeld in Mikrofone sprechend

(Bild: Weißes Haus/Tia Dufour (gemeinfrei))

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Gute Freunde sind was wert. Oracle soll TikTok hosten, die Chinesen 25.000 Arbeitsplätze in den USA schaffen. So wäscht eine Hand die andere: Oracle kann einen prominenten Cloud-Kunden vorzeigen, dessen Videos durchaus hohe Ansprüche an das Hosting stellen. ByteDance kann TikTok behalten, wie es ist. Und US-Präsident Donald Trump kann behaupten, die Nation gerettet und Arbeitsplätze an Land gezogen zu haben.

Die Details des Deals zwischen TikToks chinesischem Eigentümer ByteDance und der von Trump-Unterstützer Larry Ellison mitgegründeten Firma Oracle sind noch nicht öffentlich. Aber so viel ist bekannt: ByteDance verkauft das US-Geschäft TikToks nicht. Dafür wird Oracle zum Hoster und "trusted technology partner" TikToks in den USA.

Außerdem verspricht ByteDance, eine Weltzentrale TikToks in den USA zu etablieren. Das hat US-Finanzminister Steven Mnuchin am Montag im US-Fernsehsender CNBC verraten. Das Hauptquartier würde laut Mnuchin 25.000 neue Arbeitsplätze bringen. Laut Wall Street Journal ist ein Joint Venture geplant, an dem neben Oracle mehrere US-Investmentfirmen beteiligt sind – es sind bestehende ByteDance-Aktionäre.

Die Zeichen in Washington stehen auf Durchwinken, auch wenn der Republikanische Senator Josh Hawley den Deal als "völlig inakzeptabel" bezeichnet und Mnuchin dazu auffordert, Nein zu sagen. Hawley hat recht, wenn er sagt, dass "ByteDance überhaupt keine Absichten hat, die ultimative Kontrolle über TikTok aufzugeben". ByteDance bleibt chinesischem Recht unterworfen, der Firmengründer bleibt prominentes Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas. Das Problem, das Donald Trump mit seiner Executive Order gegen TikTok vorgab lösen zu wollen, wird nicht angegangen.

Ein Kommentar von Daniel AJ Sokolov

(Bild: 

Daniel AJ Sokolov

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Daniel AJ Sokolov schreibt seit 2002 für heise online, anfangs aus Wien. Seit 2012 versucht der Jurist, als Nordamerika-Korrespondent von heise online Kanadier und US-Amerikaner zu verstehen und ihr Wesen begreiflich zu machen.

Der TikTok-Algorithmus, der entscheidet, welche Inhalte den Nutzern vorgesetzt werden, bleibt in chinesischer Hand – ja, er darf laut neuen Vorschriften Chinas gar nicht aus der Hand gegeben werden. Shadow Banning, die Manipulation von Inhalten, oder das Wegsehen bei Lügenkampagnen bleiben also als Bedrohungsszenarien bestehen. Wie es mit dem Zugriff Chinas auf US-Nutzerdaten aussieht, bleibt abzuwarten.

Doch wie könnte Oracle glaubhaft machen, dass es potentiell böswillige Eigentümer daran hindern kann, unerwartete Routinen in den TikTok-Code einzuschleusen? Laufend tauchen in der Software großer IT-Konzerne Sicherheitslücken auf. Und deren Programmierer haben vollen Einblick und in aller Regel beste Absichten. Oracle hingegen ist ein Partner, dem die Chinesen vertrauen. Nur weil der Code auf Oracle Cloud-Instanzen ausgeführt wird, heißt das noch lange nicht, dass Oracle Kontrolle hat und auch ausübt.

Der Vorschlag Oracles und ByteDances wird diese Woche in einem mehrstufigen Prozess unter die Lupe genommen. Zunächst untersucht das CFIUS. Das steht für Committee on Foreign Investment in the United States (Komitee für ausländische Investitionen in den Vereinigten Staaten). Unter dem Vorsitz des US-Finanzministers kommen in dem Komitee Vertreter weiterer US-Ministerien und anderer Bundesbehörden zusammen, um über die Auswirkungen ausländischer Investitionen auf die nationale Sicherheit zu befinden.

Daran wird sich eine weitere Untersuchung über die Auswirkungen auf die Nationale Sicherheit anschließen, im Einklang mit jener Verfügung Trumps, die eigentlich einen Verkauf TikToks an ein US-Unternehmen erzwingen sollte. Die Letztentscheidung liegt dann bei Donald Trump selbst. Die von ihm gesetzte Frist endet am kommenden Sonntag.

Die kurze Frist zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt nicht eingehend geprüft wird. Es geht vielmehr darum, Trumps Gesicht zu wahren. Er hat hoch gepokert, und Peking hat dagegen gehalten. Die Chinesen hätten TikTok lieber vom US-Markt genommen, als es zu verkaufen. Die Folge ist eine Niederlage Trumps, die für sich genommen klein ist.

Doch sie ist ein Zeichen der Schwäche in einem wichtigen Kräftemessen. Das Ringen um IT-Sicherheit muss auf Jahrzehnte angelegt sein, nicht mit Blick auf die US-Wahlen am 3. November. China darf sich bestärkt fühlen. Zudem hat der Wirtschaftsstandort USA Vertrauensvorschuss eingebüßt.

Dabei sind viele chinesische Produkte so schlecht abgesichert, dass man an keinen Zufall mehr glauben kann. Doch auch die USA haben sich mit absichtlich eingeschleusten Schwachstellen und Abhöreinrichtungen geoutet. Erster Schritt Washingtons müsste sein, vor der eigenen Tür zu kehren. Strenge Vorschriften an Datenschutz und Datensicherheit würden schon viele chinesische Firmen und Spione vom Markt ausschließen – und natürlich so manches US-Unternehmen und so manchen US-Spion auch.

Angesichts der eigenen Defizite ein Exempel gerade an einer App statuieren zu wollen, die von fast jedem dritten US-Amerikaner genutzt wird und an deren Gedeihen einflussreiche US-Investoren großes Interesse haben, war gewagt und ist nicht geglückt. Profitieren dürfte nun Oracle und damit dessen Vorsitzender und Trump-Fundraiser Larry Ellison. Ein namhafter Gewinn für die Nationale Sicherheit der USA ist nicht auszumachen.

(kbe)