Dem Eis beim Sterben zuschauen

Expeditionsschiff RV Polarstern während der Mosaic-Expedition (vor dem Polarwinter 2019/2020). Bild: Janek Uin/CC BY 4.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Erschreckende Befunde aus der Arktis, unwillige Unionspolitiker, Dörferzerstörung für die Braunkohle und ein Plan für den Weg nach Paris

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Und wieder ein neuer Rekord. Der zurückliegende September war im globalen Durchschnitt der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Das berichtet das Europäische Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersagen ECMWF in seinem neuesten Klima-Bulletin. Auch in Europa war der September ein Rekordmonat in der in vielen Regionen zudem mal wieder viel zu trocken ausfiel.

Eine Ausnahme bildete vor allem Griechenland, das von einem sogenannten Medikan, einen mediterranen Wirbelsturm heimgesucht wurde. Dieser brachte sintflutartigen Regenfälle mit sich, die schwere Zerstörungen anrichteten. Auch andere Länder wurden von tropischen Wirbelstürmen heimgesucht, namentlich unter anderem die beiden Koreas, Japan und die USA. Zur Zeit steuert Tropensturm "Nangka" gerade auf die südchinesische Insel Hainan und danach den Norden Vietnams zu.

Wie kann sich ein Zentrum für Wettervorhersagen mit Klimastatistik beschäftigen? Das ECMWF bezieht die aktuellen Wetterdaten mehrmals täglich über die Weltmeteorologieorganisation WMO und die nationalen Wetterdienste in aller Welt und speist diese in die Vorhersagemodelle ein. Ähnlich machen es auch die größeren nationalen Wetterdienste und einige andere internationalen Einrichtungen wie das ECMWF. Mit diesen Daten kann nebenbei auch Klimastatistik betrieben werden, wie es die Forscher im britischen Reading im Rahmen des Copernicus Programms der EU machen.

Rekorde werden auch aus der Arktis berichtet, die sich deutlich schneller als der Rest des Planeten erwärmt. Dort waren die drei Monate Juli bis September so warm wie nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen. Um rund 2,8 Grad Celsius lag diese Periode über dem Durchschnitt der zurückliegenden drei Jahrzehnte, wie unten stehende Grafik zeigt.

Bild: NOAA

Entsprechend verfehlte die Eisbedeckung der arktischen Meere nur knapp den bisherigen Minusrekord aus dem September 2012. Aktuell geht die Neubildung wegen der für dortige Verhältnisse sehr hohen Temperaturen so langsam von statten, dass die Eisbedeckung derzeit auf einen neuen historischen Minusrekord für Oktober zusteuert. Die Nordostpassage ist noch immer sehr weit offen, nun schon seit rund zwei Monaten.

Kein Wunder daher, dass die Wissenschaftler, die am vergangenen Montag mit dem deutschen Forschungsschiff "Polarstern" von der bisher größten und umfangreichsten Polarexpedition in der Geschichte der Menschheit zurückkehrten, ziemlich besorgt sind. Über ein Jahr lang hatte das Schiff im Eis zugebracht und mit wechselnden Besatzungen als Plattform für Untersuchungen von Umwelt und Ökosystemen nahe dem Nordpol gedient.

Nachdem die "Mosaic"-Expedition zehn Monate durch das Eis gedriftet war und von diesem im Sommer schließlich wieder freigegeben wurde, führte ihre letzte Etappe noch einmal unter Motor direkt an den Pol.

"Das Eis am Nordpol war völlig aufgeschmolzen, bis kurz vor dem Pol gab es Bereiche offenen Wassers", berichtet Expeditionsleiter Markus Rex der Schweizer Internetplattform Watson. "Wir haben dem Eis beim Sterben zugeschaut", so Rex.

Unwetter-Bilanz

Mit dem Klimawandel nehmen auch die Unwetter zu. Vor allem ihre Intensität steigt, weil in einem wärmeren Klima mehr Wasserdampf in der Atmosphäre ist, was Wirbelstürme verstärkt und Niederschläge kräftiger ausfallen lässt. Da passt es, dass der gestrige 13. Oktober von den Meteorologen in aller Welt als Internationaler Tag der Abwehr von Unwettergefahren begangen wurde.

Die bereits oben erwähnte WMO berichtet in diesem Zusammenhang, dass in den letzten 50 Jahren über 11.000 große Umweltkatastrophen mit Wetterereignissen im Zusammenhang standen. Mehr als zwei Millionen Menschen seien dabei gestorben - 70 Prozent davon in den ärmsten Ländern - und ein ökonomischer Schaden von 3,6 Billionen US-Dollar entstanden.

Während die durchschnittliche Zahl der Opfer pro Ereignis über diesen Zeitraum um ein Drittel zurückgegangen sei, stieg die Zahl der Ereignisse um das Vierfache und der ökonomische Schaden habe sich versiebenfacht. 2018 hätten 108 Millionen internationale humanitäre Hilfe aufgrund von Stürmen, Überschwemmungen, Dürren sowie Busch- und Waldbränden benötigt. Für 2030 wird mit einer Zunahme der Hilfsbedürftigen um weitere 50 Prozent und der Kosten auf 20 Milliarden US-Dollar jährlich gerechnet.

Frühwarnsysteme fehlen

Extreme Wetterereignisse würden aufgrund des Klimawandels an Intensität, Häufigkeit und Schwere zunehmen und arme sowie exponierte Bevölkerungsteile besonders hart treffen. Hinzu komme, dass vielen Menschen keine Frühwarnsysteme zur Verfügung stünden, die sie rechtzeitig über nahendes Unheil informieren könnten. Jeder dritte Mensch sei davon betroffen, so die WMO.

Besonders in den am wenigsten entwickelten Länder und den kleinen Inselstaaten fehlt es an den Warn- und Vorhersagesystemen. 90 Prozent von ihnen hätten Unwetterwarnsysteme im Rahmen der Klimaverhandlungen als eine ihrer obersten Prioritäten benannt, aber es fehle meist an den notwendigen Mitteln. Seit 1970 hätten in den Staaten der SDIS (Small Islands Development Staes) Unwetter einen wirtschaftlichen Scahden von 153 Milliarden US-Dollar angerichtet. Angesichts einer durchschnittlichen jährlichen Wirtschaftsleistung dieser Staaten von lediglich 13,7 Milliarden US-Dollar sei das eine beachtliche Summe.

Die Frühwarnsysteme müssten unbedingt verbessert werden, damit die Menschen rechtzeitig auf Naturkatastrophen reagieren können, so die WMO. Das sei nicht zuletzt in Afrika besonders wichtig, wo nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung im Falle eines Falles gewarnt werden könne.

Enteignen für die Braunkohle

Die schwarz-gelbe Landesregierung Nordrhein-Westfalens lässt sich derweil von all den Meldungen über Unwetter und den Anzeichen der sich anbahnenden Klimakrise nicht weiter beeindrucken. Am Donnerstag letzter Wochen verabschiedete sie ihre Leitentscheidung für das Rheinische Braunkohlerevier.

Bis weit in die 2030er Jahre hinein soll weiter Braunkohle abgebaut und verbrannt werden. Braunkohle ist der mit Abstand klimaschädlichste fossile Brennstoff, der in keinem anderen Land so exzessiv genutzt wird wie in Deutschland. Aufgrund ihres geringen Brennwertes entsteht für jede erzeugte Kilowattstunde in einem Kraftwerk über ein Kilogramm CO2, deutlich mehr als bei der Verbrennung von Steinkohle oder Erdgas.

Wie der Westdeutsche Rundfunk berichtet, hält die Regierung in Düsseldorf an der Zerstörung von sechs Dörfern (Keyenburg, Kuckum, Manheim, Unter- und Oberwestrich sowie Beverath) fest. Allen Bewohnern, die nicht an den Tagebaubetreiber RWE verkaufen, droht letztlich die Enteignung, wie sie übrigens auch für den Straßenbau gang und gäbe ist.

Zum Aufreger werden diese für die bürgerliche Presse und Parteien jedoch nie. Umso mehr echauffiert sich das gleich Publikum, wenn wie in Berlin der Spieß einmal umgedreht und die Enteignung großer Wohnungsbesitzer gefordert wird.