Handel befürchtet "endlose Warteschlangen und chaotische Situationen vor den Supermärkten"

Nikolaus und Krampus (1896)

Merkel und Ministerpräsidenten genehmigen Weihnachtsgeschäft mit nur einem Kunden auf 20 Quadratmeter

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Gestern meldete das Robert Koch-Institut mit 410 in 24 Stunden die bislang höchste Zahl von Sars-CoV-2-infizierten Toten. Der bisherige Tageshöchststand aus dem April wurde damit gleich um 95 übersprungen. Auch auf den Intensivstationen liegen nun mehr Covid-19-Patienten als im Frühjahr. Und die Zahl der Positivtests übersteigt mit 18.633 die 17.561 vom letzten Mittwoch um mehr als tausend.

Kunden könnten bei Kälte, Schnee oder Regen lange auf einen Einlass warten

Angesichts dieser Entwicklung konferierte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel heute Nachmittag mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer über eine Verschärfung der Wirtschafts- und Kontaktbeschränkungen. Dabei kam heraus, dass Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche nur mehr höchstens einen Kunden pro 20 Quadratmeter hereinlassen dürfen. Hat ein Geschäft weniger als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche, sind es pro 20 Quadratmeter zwei.

Während Merkel mit einem Kunden auf 25 Quadratmeter eine noch strengere Regelung durchsetzen wollte, kritisierte Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), die Maßnahme könne leicht nach hinten losgehen, wenn die Kunden bei Kälte, Schnee oder Regen lange auf einen Einlass warten. Seinen Worten nach haben sich "die Hygienekonzepte der Handelsunternehmen bewährt" und es gab "keine Hotspots beim Einkaufen", weshalb es auch "keinen Grund [gibt], die Regeln zu verschärfen". Ähnlicher Ansicht zeigte sich der Rewe-Vorstandsvorsitzende Lionel Souque, der "endlose Warteschlangen und chaotische Situationen vor den Supermärkten" befürchtet, die "weder dem Schutz vor Infektionen noch der Gesundheit der Menschen dienen".

Steigt ein Inzidenzwert über 200 sollen der Einigung nach "die umfassenden allgemeinen Maßnahmen nochmals erweitert werden". Dann werden Schüler ab der 8. Klasse abwechselnd eine Woche lang online und eine Woche lang im Klassenzimmer unterrichtet. Was sonst noch geschieht, bleibt im Ermessen der Länder. Merkel, die das bundesweit regeln wollte, konnte sich hier nicht durchsetzen.

Die deutschen Gaststätten bleiben der heutigen Übereinkunft nach bis mindestens 20. Dezember geschlossen. Kontaktverbote werden zwischen dem 23. Dezember und "längstens" dem 1. Januar etwas gelockert. Außerdem wird an Silvester "auf belebten Plätzen und Straßen die Verwendung von Pyro-Technik untersagt". An Familienweihnachtsfeiern mit "Haushaltsfremden" dürfen maximal zehn Gäste teilnehmen. Dabei werden allerdings Kinder unter 14 Jahren nicht mitgezählt. Außerdem werden die Deutschen nun öffentlich aufgerufen, sich mehrere Tage vor solchen weihnachtlichen Zusammenkünften in eine "Selbstquarantäne" zu begeben, wegen der die Bundesländer den Beginn der Weihnachtsferien auf Montag den 16. Dezember vorverlegen dürfen.

Sankt Nikolaus darf in Österreich auf die Straße - Situation in Bayern unklar

In den katholischen Gegenden Deutschland gibt es jedoch einen Weihnachtsfeiertag, der in die Zeit des strengen Lockdowns fällt: Der Nikolaustag am 6. Dezember, an dem traditionell als Bischöfe verkleidete Erwachsene mit langen weißen Bärten Kindern Lebkuchen, Südfrüchte, Nüsse und neuerdings auch Spielzeug bringen, wenn sie das Jahr über artig waren. Ließ das Verhalten zu wünschen übrig, steckte sie der Krampus, der Begleiter des "Nikolo", in einen Sack. Seit den 1970er Jahren fungiert die mit Rute und Kette ausgestattete Figur aber eher als Drohung, denn als Strafvollzugsgehilfe.

Beim bayerischen Innenministerium heißt es auf Anfrage von Telepolis, auch "wenn bei der Aufgabenbeschreibung von Nikolaus und Krampus gewisse Parallelen [zum Zuständigkeitsbereich Polizei] nicht zu leugnen sind", sei hier "eine grundsätzliche Beurteilung aus infektiologischer Sicht" gefragt und deshalb das Gesundheitsministerium zuständig. Von dort war bislang keine Auskunft über die Nikolausvorschriften im Pandemiejahr zu bekommen.

Im benachbarten Österreich hat die Regierung den Nikolo dagegen ausdrücklich von den heute vom Nationalrat verlängerten Ausgangsbeschränkungen ausgenommen. Hier hat sich sogar Bundeskanzler Sebastian Kurz selbst der Sache angenommen und verlautbart, man wolle "den Kindern auch dieses Jahr die Freude auf den Nikolo nicht nehmen", weil dieses Jahr "mit Abstandhalten, Verzicht und Einschränkungen" gerade für sie "eine enorme Belastung" gewesen sei. Daher liege "unabhängig von der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Nikolo-Tätigkeit ein zulässiger Ausgangsgrund vor".

Die Erzdiözese Freiburg wirbt währenddessen für "neue Formen der Nikolausbegegnung", bei denen Darsteller des Heiligen von den Kindern nur "von weitem" auf der Straße gesehen werden und vermeintlich etwas "an der Türe hinterlassen" (das in Wirklichkeit aber die Eltern dort abgestellt haben). Ähnlich wie das Christkind, das sich gar nicht sehen lässt, soll dieses Jahr auch der bärtige Geschenkbringer seine Hinterlassenschaften mit einer Glocke ankündigen. Aber auch Begegnungen im Garten, vor dem Haus, oder "mit Mundschutz und ohne Gesang in einer Wohnung" hält man für "unproblematisch", wenn sie den aktuell gerade gültigen Coronaregeln nicht widersprechen.

Ebenfalls unklar ist die nähere Zukunft einer jüngeren Wintertradition: dem Skifahren. Hier möchte der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte eine EU-weite Sperre bis mindestens 10. Januar durchsetzen und hat dabei die Unterstützung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Der einflussreiche EU-Beamte Martin Selmayr erteilte der von Conte gewünschten "Koordinierungsrichtlinie" jedoch eine Absage, weil die EU seinen Worten nach "keine Skifahr-Kompetenz" hat. Angela Merkel will dem heutigen Beschluss nach trotzdem "auf europäischer Ebene zu abgestimmten Regelungen kommen, um bis zum 10. Januar Skitourismus nicht zuzulassen".

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