Stromversorgung in Afrika: Warum haben so viele Menschen keinen Strom?

Die kommerzielle Stromversorgung im ländlichen Raum Afrikas ist problematisch, große Solaranlagen sind Mangelware. Kleine Solarmodule springen in die Bresche.

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Solarcontainer und Speichermodule in Afrika.

(Bild: Africa GreenTec)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Gioia Forster
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In der Weihnachtszeit ist Deutschland an vielen Orten erleuchtet. Lichterketten lassen Christbäume erstrahlen und schmücken Häuser. Anders in Afrika. Wenn die Sonne untergeht, sind viele Flecken des Kontinents in Dunkelheit gehüllt – zu jeder Jahreszeit. Trotz genug Sonne und Wind, aus denen Strom erzeugt werden könnte, haben viele Menschen noch immer keinen Zugang zu Strom. Etliche Lösungsansätze gibt es – auch aus Deutschland. Warum ist es dennoch so schwer, Afrika zu elektrifizieren?

Trotz großer Fortschritte in den vergangenen Jahren haben der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge noch immer rund 580 Millionen Menschen in Afrika keinen Strom – bei einer Bevölkerung von etwa 1,3 Milliarden Menschen. Denn viele der Bewohner afrikanischer Ländern leben in entlegenen, dünn besiedelten Gebieten, wo sich der Ausbau zentraler Stromnetze aus wirtschaftlicher Sicht nicht lohnt.

"Den ländlichen Raum ausschließlich über zentrale Kraftwerke mit weit verzweigten Übertragungs- und Verteilnetzen zu elektrifizieren, erscheint für Subsahara-Afrika nicht zielführend", sagt Daniel Busche, der Leiter des Programms für Energiezugang bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). "Dafür sind dezentrale Ansätze besser geeignet."

Damit sind Systeme gemeint, die keinen Anschluss an das zentrale Stromnetz benötigen und ihren Strom meist aus erneuerbaren Energien beziehen. Denn während Zugang zu Elektrizität etwa von einem Kohle- oder Gaskraftwerk eine direkte Leitung benötigt, ist von der Sonne erzeugter Strom theoretisch für jeden und überall zugänglich. Doch da ist Afrika noch nicht weit: "Der Kontinent mit den reichsten Solar-Ressourcen der Welt hat nur fünf Gigawatt an Solaranlagen installiert, weniger als ein Prozent der weltweiten Summe", schreibt die IEA.

Eine der vielversprechendsten Lösungen sind sogenannte Mini-Grids. Diese Anlagen, die Strom aus Solarmodulen erzeugen, können je nach Größe einige Häuser bis hin zu zahlreichen Dörfern mit Elektrizität versorgen. Doch die Investitionskosten seien hoch und die Profitabilität häufig gering, erklärt Busche. Zudem gebe es noch immer wenige Betreiber, die bereit seien, solche Anlagen 15 oder 20 Jahre lang zu betreiben. "Der Markt entwickelt sich langsam."

Ein weiteres großes Problem sei die Auswahl geeigneter Dörfer für Mini-Grids, erklärt Nabin Gaihre vom Münchner Unternehmen TFE Energy. Entwicklern fehle wichtiges Wissen: Wo liegen diese Dörfer? Wie groß sind sie? Wie viel Strom brauchen sie, und können die Bewohner dafür zahlen? Das Unternehmen hat ein Tool entwickelt, das anhand von Satellitenbildern viele dieser nötigen Informationen liefert. Die Firma arbeitet nach eigenen Angaben etwa mit der Weltbank, der Regierung von Nigeria und mehreren Energie-Unternehmen zusammen.

Während Mini-Grids einen langen Atem benötigen, liefern Heimsysteme schneller und einfacher Solarstrom. Sie bestehen aus kleinen Solarmodulen, die etwa auf einem Dach installiert werden und die je nach Größe etwa ein Handy aufladen, einen Fernseher betreiben oder ein Haus erhellen können. Die deutsche Firma Mobisol, die später vom französischen Energiekonzern Engie gekauft wurde, bietet dies in Tansania, Kenia und Ruanda an. Mit diesen kleinen Anlagen, die 50 Watt bis zu 200 Watt erzeugen, können Kunden auch ihre Geschäfte betreiben, wie Mobisol erklärt: von Handyauflade-Stationen bis zu Friseursalons und Lebensmittelgeschäften. Solare Heimsysteme haben ihre Grenzen. Sie seien "wichtig, aber ihre Kapazität ist bei wachsendem Energiebedarf begrenzt", sagt Busche.

Selbst für die abgelegensten und ärmsten Gemeinden gibt es Angebote. Das Berliner Sozialunternehmen Little Sun etwa, das von dem dänisch-isländischen Künstler Olafur Eliasson mitgegründet wurde, verkauft Solar-Lampen und Solar-Aufladegeräte vergünstigt in Ländern wie Äthiopien und Nigeria. Sie können zwei der wohl fundamentalsten Bedürfnisse vieler Menschen in Afrika decken: Licht und das Aufladen des Handys. Das habe sich dieses Jahr während der Corona-Pandemie gezeigt, sagt Felix Hallwachs, Leiter der Little Sun Foundation. Das Unternehmen versorgte demnach Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit Solar-Ladegeräten.

Die Solarstrom-Möglichkeiten haben sich in den vergangenen Jahren vielerorts in Afrika verstärkt verbreitet. Das liege zum einen daran, dass die Komponenten – etwa Solarmodule – günstiger geworden seien, erklärt Busche. Zum anderen gebe es nun mit sogenanntem mobilem Geld die Möglichkeit, die Kosten für die Anlagen oder den Strom in Raten abzubezahlen. Mobile Money erlaubt es Kunden, Geld – auch sehr kleine Beträge – per Handy zu verschicken.

Dezentrale Ansätze der Stromversorgung "bieten die Möglichkeit, das Bauen großer, nationaler Stromnetze zu überspringen, um allen Menschen effizienteren und möglicherweise demokratischeren Zugang zu Strom zu ermöglichen", sagt Hallwachs. Er glaube, es werde in den kommenden Jahren noch viele große Innovationen in den Technologien und Geschäftsmodellen geben. Auch Busche von der GIZ sagt: "Ich bin überzeugt, dass wir ohne dezentrale Ansätze die Elektrifizierung Afrikas nicht stemmen können."

(olb)