Türme in Shanghai tauschen quantensicher Krypto-Schlüssel aus

Einer chinesischen Forschergruppe gelang der quantensichere Schlüsselaustausch per Freistrahl von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer – wenn auch sehr langsam.

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Mit Quantenschlüsselaustausch lässt sich der Datenverkehr über öffentliche Netze absichern.

(Bild: Fraunhofer IOF)

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Das hat bisher noch keiner verwirklicht: ein Quantenschlüsselaustausch per Freistrahlverbindung über 19,2 Kilometer mitten in einer Großstadt. Mit einem Quantenschlüssel, dessen Austausch ein Lauscher physikalischerseits nicht unbemerkt abhören kann, können Partner anschließend ihre Kommunikation auf öffentlichen Leitungen sicher verschlüsseln.

In ihrem Versuchsaufbau sandten Forscher einer Gruppe um Professor Jian-Wei Pan, Universität für Wissenschaft und Technik in Hefei, von zwei Wolkenkratzern mitten in Shanghais Finanzzentrum Pudong Schlüsselcodes als polarisierte Photonen zu einem Hochhaus zwischen ihnen. Dort bildete eine Anlage das Interferenzsignal beider Codes und sandte dieses wieder an die beiden Sender zurück; dieses Verfahren wird "measurement device independent quantum key distribution" (MDI-QKD) genannt.

Gemäß BB84-Protokoll können anschließend beide Partner aus dem Interferenzsignal angesichts des eigenen Bitcodes den neuen Quantenschlüssel ermitteln. Ist der eigene Bitcode oder das Interferenzsignal unterwegs abgefangen worden, so lassen sie sich aufgrund des No-Cloning-Theorems der Quantenmechanik nicht vollständig kopieren. Ausgetauschte Codes aber kann der Empfänger statistisch sicher nachweisen.

Derzeit taugt der Versuchsaufbau der chinesischen Forscher allerdings nur als wissenschaftliche Studie, denn die erreichte Schlüsselaustauschrate lag mit etwas mehr als sechs Bit pro Sekunde noch sehr niedrig. Das hängt auch mit den suboptimalen Bedingungen über einer Großstadt zusammen, in der Lichtreflexe und Luftturbulenzen die Sichtverbindung stören. Die Forscher arbeiten daran, optische Fehler etwa durch thermisch-optisch turbulente Luftschichten mittels adaptiver Optiken auszugleichen.

An den technischen Problemen einer quantensicheren Kommunikation arbeitet seit November 2019 auch die deutsche Forschungsinitiative QuNET. Im vergangenen Dezember wollten die Projektpartner unter anderem den Quantenschlüsselaustausch per Freistrahlverbindung zwischen zwei Bundesbehörden in Bonn vorführen. Diese Demonstration fiel leider den Corona-Beschränkungen zum Opfer. Dabei wollten die beteiligten Forscher des Fraunhofer IOF (Institut für angewandte Optik und Feinmechanik) zwar nur etwa 300 Meter Luftlinie überwinden, hatten in ihren Experimenten aber bereits Quantenschlüssel-Austauschraten von 5 bis 10 Kilobit pro Sekunde erreicht. Auch die Forscher des IOF haben in Jena bereits jahrelange Erfahrungen mit dem Einsatz adaptiver Optiken gesammelt. Noch im ersten Quartal dieses Jahres planen sie Versuche eines Quantenschlüsselaustausches im Stadtgebiet mitsamt der Kompensation innerstädtischer Luftturbulenzen.

In der QuNET-Initiative arbeiten Forschungsinstitute und Industriepartner an technisch durchgängigen und robusten Lösungen für den Quantenschlüsselaustausch sowohl über Freistrahlverbindungen als auch durch Glasfaserleitungen (bis 100 Kilometer Distanz) und später auch über weite Entfernungen mit Satellitenunterstützung. Der Vorteil der Quantenkommunikation liegt in den quantensicheren Schlüsseln, deren Austausch ein Lauscher aufgrund quantenmechanischer Effekte wie etwa des No-Cloning-Theorems nicht unbemerkt abhören kann. Den quantensicheren Schlüssel können die Partner anschließend für eine abgesicherte Kommunikation selbst über öffentliche Kommunikationsnetze einsetzen.

(agr)