FOSDEM: In der Cloud bleibt die Freiheit oft auf der Strecke

Der Open-Source-Chef von Percona sagt harte Zeiten für Entwickler voraus. Deren Kultur werde von Open-Core-liebenden Firmenchefs und Investoren angegriffen.

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Matt Yonkovit sieht die Zukunft von Open-Source-Projekten in Gefahr.

(Bild: Fabian A. Scherschel)

Lesezeit: 4 Min.
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  • Fabian A. Scherschel
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Auf der Open-Source-Entwicklerkonferenz FOSDEM hat Matt Yonkovit, Open-Source-Chef bei der Datenbankfirma Percona, in seinem Vortrag über Open-Source-Geschäftsmodelle in der Cloud eine klare Warnung ausgesprochen. Seiner Meinung nach ist die Entwicklerkultur von Open-Source-Projekten in Gefahr. Yonkovit zieht diesen Schluss aus den Diskussionen, die im Umfeld der Projekte MongoDB und Elasticsearch und deren Lizenzierung unter der Server Side Public License (SSPL), beziehungsweise der Elastic-Lizenz, ausgebrochen sind.

Open-Source-Softwareprojekte bilden das Fundament der modernen Cloud-Infrastruktur. Laut Yonkovit wären keine der Innovationen, die in den letzten zehn Jahren in diesem Bereich stattgefunden haben, ohne Open Source möglich gewesen. Auf der anderen Seite sieht er aber auch ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel beim kreativen Umgehen der Vorgaben von Free-Software-Lizenzen.

Die GPL schreibt vor, dass man Änderungen am Quellcode der Software öffentlich machen muss, wenn man diese verbreitet. Also hätten Firmen ihre Software einfach in der Cloud gehostet und ihre Kunden zu Nutzern anstatt zu Empfängern einer Software-Distribution gemacht – was diese GPL-Bedingung aufhebt. Daraufhin sei die AGPL entwickelt worden, die vorschreibt, dass man Änderungen am Quellcode veröffentlichen muss, wenn man Software für jemanden in der Cloud bereitstellt. Darauf hätten Firmen reagiert, in dem sie verstärkt lieber auf Open-Core-Lizenzen setzen. Also solche, bei denen zwar der Kern der Software unter einer Open-Source-Lizenz steht, bestimmte, fortgeschrittene Funktionen aber proprietär sind und nur mit einem Software-Abo genutzt werden dürfen.

Wieso machen Firmen so etwas, wenn die Entwickler der Software doch alle wissen, welche klaren Vorteile das Open-Source-Entwicklungsmodell hat? Yonkovit sieht Firmen-Chefs und Manager in der Schuld. An diesem Punkt gab es viel virtuelles Kopfnicken der FOSDEM-Besucher in dem Vortrag begleitenden Chat. Laut Yonkovit interessieren sich nämlich Chefs von Firmen, auch von Open-Source-Firmen, weniger für ihre Entwickler als vielmehr für das, was sich Investoren und Aktionäre wünschen. Und die wollen meist einen umfassenden Lock- in der Kunden. Je "stickier" das Produkt ist, desto besser. Wird es erst einmal von einem zahlenden Kunden benutzt, will man den bloß nicht wieder gehen lassen.

Yonkovit sieht die Kultur der Open-Source-Entwicklung in Gefahr, weil seiner Meinung nach immer mehr Open-Source-Firmen einen solchen, relativ Open-Source-feindlichen Kurs fahren. Der Analyse in seinem eigenen Umfeld – bei Firmen, die Open-Source-Datenbanken anbieten – nach, liegt das wohl auch an den Firmen-Chefs. Laut Yonkovit hat sich so manche Firma, die mit Open Source ihr Geld verdient, sich eine Chefetage eingekauft, die vorher nur mit proprietärer Software zu tun hatte. Das gefällt den Investoren, die mehr Profite sehen wollen, führe dann aber zu solchen Open-Core-Manövern wie bei MongoDB und Elastic.

Das Ganze sei langfristig nicht tragbar, meint Yonkovit. Denn viele dieser Firmen seien jetzt überhaupt nur in der Position, mit ihrer Software Geld zu verdienen, weil deren Vorgänger eben Open Source gelebt haben. Hätten diese Projekte unter Open-Core-Lizenzen gestanden, hätte man auf den Schultern dieser Vorgänger eben keine neuen Firmen aufbauen können. Und noch eine weitere Entwicklung komme hier auf uns zu, sagt Yonkovit: nämlich eine Generation von Entwicklern, die mit solchen Open-Core-Projekten aufwachsen und dann gar nicht mehr wissen, wie freie Zusammenarbeit unter einer "echten Open-Source-Lizenz" aussieht.

Yonkovit schloss seinen Vortrag unter viel (virtuellem) Applaus mit einem Appell an die (virtuell) versammelten Entwickler: Die müssten zusammen diesen Trend bekämpfen. Allerdings ließ er dabei offen, wie genau sich die Arbeiterklasse der Open-Source-Entwickler in solchen Firmen gegen ihre Chefs und die Investoren durchsetzen soll. Eindeutig ist aber wohl, dass er allen Freiwilligen mit seinem Vortrag indirekt davon abgeraten hat, in ihrer Freizeit an Verbesserungen für Open-Core-Programme mitzuarbeiten.

(bme)