FOSDEM: Warum nicht einfach eine neue Computerarchitektur entwickeln?

Auf der FOSDEM gibt es reines Nerd-Futter, etwa die Idee eines Computers ohne Dateisystem oder Festplatte, der alles in nicht-volatilem RAM speichert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 25 Kommentare lesen

Laut Liam Proven wird es Zeit für eine neue Computer-Architektur.

(Bild: Fabian A. Scherschel)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel

Das Schöne an der FOSDEM sind oft die leicht verrückten Dinge, die man entdeckt, wenn man zufällig in einen Vortrag wandert. Da die größte europäische Konferenz der Open-Source-Entwickler dieses Jahr komplett digital stattfand, waren solche Entdeckungen nicht ganz so einfach, wie wenn man vor Ort über den Campus der Freien Universität Brüssel wandert. Aber es gibt sie trotzdem, die nerdigen, verrückten Vorträge – auch dieses Jahr. Ein Beispiel dafür war die Idee von Liam Proven, einem Technical Writer beim Linux-Distributor Suse. In seinem Vortrag "Starting Over" schlug Proven vor, eine radikal neue Computer-Hardware zu entwerfen.

Es sei jetzt über dreißig Jahre her, seit der IT-Markt die Standardisierung auf die PC-Architektur vollzogen habe. Seitdem habe man keine komplett neue Architektur mehr gebaut, die gänzlich mit der Rückwärts-Kompatibilität gebrochen habe. In den '70er und '80er Jahren sei das regelmäßig passiert und habe viel Innovation gebracht. Der PC habe diese Entwicklung Größtenteils gebremst.

Das will Proven ändern und schlägt deswegen eine Computer-Architektur vor, die komplett ohne Festplatten oder SSDs auskommt. Eine neue Art von Computer, dessen Betriebssystem ganz ohne Dateisystem funktioniert (ähnlich wie das des iPhone-Vorgängers Palm) könne einfach alle Daten in NVDIMM-Speichermodulen ablegen, die auch bei abgeschaltetem Strom ihren Inhalt nicht verlieren.

Um das umzusetzen, müsse man lediglich den vom Betriebssystem zugewiesenen Speicher so partitionieren, dass nur Daten, die sich schnell ändern, im RAM liegen und alles andere direkt auf NVDIMMs geschrieben wird. An die Stelle des Dateisystems träte eine große Datenbank (wie beim Palm). Das Betriebssystem und den kompletten Software-Stack will Proven am besten gänzlich in einer einzigen Programmiersprache schreiben (inklusiver Runtime und Compiler). Dafür schwebt ihm Lisp oder Smalltalk vor – vielleicht auch einer der neueren Smalltalk-Nachfolger wie Squeak oder Newspeak.

Das Ganze soll nicht etwa Windows oder Linux ablösen, die könnten den Desktop- und Cloud-Markt behalten. Proven schweben kleine, billige Computer um die hundert Euro vor. Schulen könnten diese ihren Schülern mitgeben, die damit dann etwa Smalltalk lernen und so das Betriebssystem und alle Apps auf dem Gerät direkt manipulieren und anpassen können, was Experimentierfreudigkeit wecken soll. Außerdem will Proven Millionen von Menschen mit Computern versorgen, die sich weder PC noch Smartphone leisten können, eventuell auch gar kein Internet haben.

Proven entwickelte in seinem Vortrag ein durchaus faszinierendes Konzept. Auch wenn es höchstwahrscheinlich wenig Aussichten auf Erfolg hat, so ist die Idee doch nicht ohne Sympathiepunkte am Publikum der digitalen Konferenz vorbeigegangen. Manchmal sind die verschrobensten Ideen ja genau jene, die am meisten inspirieren. Falls jemandes Interesse geweckt wurde, der findet mehr Informationen (und bald hoffentlich auch eine Aufzeichnung von Provens Vortrag) auf der FOSDEM-Website.

(kbe)