Pilotprojekt: Wissenschaftler gewinnen Lithium aus Geothermalwasser

Lithium für bis zu 20.000 Auto-Batterien könnte eine Anlage in Bruchsal aus Geothermalwasser jährlich liefern.

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Die Geothermal-Anlage in Bruchsal.

(Bild: EnBW / Uli Deck)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marco Krefting
  • dpa
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Pechschwarz ist die Flüssigkeit vor Klemens Slunitschek. Schläuche führen in Bechergläser, Chemikalien in Hellblau und Orange stehen daneben. Der Geoökologe erforscht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), wie aus Tiefenwasser im Oberrheingraben Lithium gefördert werden kann. Für die schwarze Färbung sorgt ein Manganoxid, das er ins Geothermalwasser gibt, um an Ende ein weißes Pulver – Lithiumhydroxid - zu erhalten.

In jedem Liter des unterirdischen Wassers befänden sich bis zu 200 Milligramm Lithium, erklärt Slunitschek. Das Metall gilt nach Angaben des Verbands Deutscher Wirtschaftsingenieure (VWI) als das Schlüsselelement schlechthin in Lithium-Ionen-Batterien. Um die steigende Nachfrage zu decken, seien zusätzliche Rohstoffgewinnung und ein wachsendes Recycling nötig. Und hier könnte die Geothermie-Anlage Bruchsal eine – zumindest kleine – Rolle spielen.

Deren Mitbetreiber EnBW, das KIT und weitere Projektpartner wollen dort eine Pilotanlage einrichten. Dabei soll mit einem speziell hergestellten Manganoxid Lithium gewissermaßen aus dem geförderten Wasser gesiebt werden. "Man kann sich das vorstellen wie kleine Tunnel, in die nur Lithium gehen kann", erläutert Slunitschek die Eigenschaften des Manganoxids. In einem weiteren Schritt werde das Lithium dann wieder gelöst. Im Labor nutzen sie dafür gerade eine hochverdünnte Salzsäurelösung. "Wir testen noch, was am besten ist."

Schon in wenigen Minuten ist ein Großteil des Lithiums auf diese Weise aus dem Wasser gelöst, das bislang ungenutzt wieder in den Boden zurückgeleitet wird. Maximal wenige Stunden dauere es, bis der weiter verwertbare Rohstoff vorliegt, sagt Slunitschek. Im Vergleich etwa zu den Salzseen in Südamerika sei das ein enormer Zeitgewinn: Denn da muss das rausgepumpte Wasser erst über Monate verdunsten, bis schließlich Lithium aus der Sole gewonnen werden kann.

Damit verbunden wären weitere Aspekte, die den internationalen Handel mit Lithium und seine Umwelt- und sozialen Folgen betreffen. So ist nach VWI-Angaben im Laufe der Jahre Australien zum weltweit größten Lieferanten von Lithium geworden – von dort kämen zwei Drittel der Weltproduktion. Abgebaut wird der Rohstoff auf dem Kontinent im klassischen Bergbau. Eine Studie des Öko-Instituts verweist auf die damit verbundenen Umweltauswirkungen und -risiken wie Schlammteiche und Absetzbecken sowie auf Folgen für die Artenvielfalt. Probleme im Sozialen gebe es unter anderem mit dem Bergbau auf Aborigine-Gebiet.

Auch die Gewinnung von Lithium aus Salzsee-Solen in Chile, Argentinien und Bolivien ist umstritten. Die Kritik hier zielt in der Regel auf die Wasserknappheit in den Regionen ab. Anteilsmäßig spielt die Lithiumförderung dort allerdings dem VWI zufolge mit einem Drittel der Weltproduktion eine abnehmende Rolle.

Lithium-Ionen-Akkus sind überall dort gefragt, wo viel Energie gebraucht wird, aber der Speicher möglichst leicht sein soll: etwa in Smartphones, Laptops und Digitalkameras. Ohne Lithium-Ionen-Batterien wäre aber auch ein Erfolg der Elektromobilität nach Angaben des Batterieforums Deutschland gar nicht denkbar. "Sie haben im weltweiten Batteriemarkt seit Jahren die höchsten Wachstumsraten."

Wie hoch der Bedarf ist, macht die Außenhandelsstatistik deutlich: Laut Statistischem Bundesamt stieg allein die Zahl der importierten Lithium-Ionen-Akkus von mehr als 55 Millionen oder rund 7267 Tonnen im Jahr 2012 auf fast 230,5 Millionen oder gut 90.151 Tonnen im Jahr 2019. Ähnlich wachsende Tendenzen weisen die Daten zum Beispiel auch für Lithium-Knopfzellen auf, wie sie etwa in Autoschlüsseln stecken.

Hier kann das Bruchsaler Projekt "UnLimited" (Untersuchungen zur Lithiumproduktion aus heißen Tiefenwässern in Deutschland) nur ein wenig aushelfen: Bei rund 8000 Betriebsstunden der Geothermie-Anlage im Jahr könnte den Berechnungen zufolge eine Menge an Lithium gewonnen werden, die für etwa 20.000 Auto-Batterien reiche.

Auch im Norddeutschen Becken kommen erhöhte Lithiumgehalte in Thermalwässern vor. Aus Schichten zwischen 3000 und 5000 Metern Tiefe wird den Angaben nach das 160 bis 180 Grad heiße Wasser erbohrt, das dann durch einen Wärmetauscher geht. Hier soll das Ionensieb ansetzen und im geschlossenen Kreislauf das Lithium herausfiltern.

Die heimische Produktion eröffne auch bei kleinen Mengen Alternativen für Lieferketten, erläutert Jochen Kolb, Professor für Geochemie und Lagerstättenkunde am KIT-Institut für Angewandte Geowissenschaften. "Kurze Transportwege, Flexibilität gegenüber anderen Anbietern, Versorgungssicherheit und erweiterte Lieferketten: Wir nutzen den Rohstoff Geothermalwasser effizienter." Das könnte auch "einen ökonomischen Boost" für die Geothermie geben.

(olb)