Moxie auf Mars-Rover Perseverance: Ohne Sauerstoff geht es nicht nach Hause

Als Vorbereitung für bemannte Flüge zum Mars soll das Experiment Moxie dort Sauerstoff herstellen. Der Chefentwickler erklärt im Interview, wofür das nötig ist.

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Moxie vor dem Einbau

(Bild: NASA/JPL-Caltech)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Peter Michael Schneider

Am 18. Februar landet der NASA-Rover Perseverance auf dem Mars. An Bord des fahrbaren Roboters fährt ein Gerät mit, das die Grundlage für eine bemannte Mission zum Roten Planeten legen könnte. MOXIE, das Mars Oxygen In-Situ Resource Utilization Experiment gewinnt aus der dünnen Mars-Atmosphäre den Stoff des Lebens: Sauerstoff.

Michael Hecht ist der Chefentwickler des Sauerstoffexperiments und erläutert im Gespräch mit heise online, was es damit auf sich hat und was sich sein Team von Moxie erwartet.

Das Experiment Moxie soll Sauerstoff auf dem Mars produzieren. Welche Bedeutung hat das Gerät?

Moxie soll die bemannte Erforschung des Mars möglich machen, und zwar schon bald. Als realistisch gelten die späte Dreißiger- oder frühe Vierzigerjahre. Um Astronauten zu beherbergen, benötigt man aber eine große Infrastruktur auf dem Mars. Es muss zuerst eine Basis gebaut werden, noch bevor eine Crew dorthin startet.

Was ist denn das wichtigste auf dem Mars?

Die Crews brauchen einen Ort, an dem sie leben können, also ein Habitat. Sie brauchen eine Kraftquelle, einen Reaktor mit etwa 25 bis 30 Kilowatt Leistung. Und sie müssen womöglich mobil sein, beispielsweise mit einem Rover. Am wichtigsten und schwierigsten ist es, mit einer Rakete wieder abzuheben – von der NASA MAV genannt, für Mars-Aufstiegs-Vehikel.

Was macht einen Raketenstart von dem Mars so besonders?

Das größte Einzelteil, das zum Mars fliegen muss, ist ein Tank, der 30 metrische Tonnen Sauerstoff aufnehmen kann. Denn Astronauten benötigen nur relativ wenig Sauerstoff. Viel mehr braucht eine Rakete, um mit ihm den Treibstoff zu verbrennen, etwa Wasserstoff oder Methan. Das Gleiche machen auch Autos auf der Erde. Hier ist Sauerstoff jedoch frei verfügbarer Teil der Luft, wir denken gar nicht drüber nach. Wenn eine Rakete in den Weltraum fliegt, braucht sie aber enorm große Sauerstoff-Tanks.

Diesen Tank also mit dem Sauerstoff auf den Mars zu transportieren, würde mehrere Starts erfordern, mehrere Rendezvous-Operationen und dann müssen alle Missionen noch am gleichen Ort landen. Dazu müsste man den flüssigen Sauerstoff handhaben, damit er nicht in den Weltraum abdampft. Sauerstoff ist so der größte Einzelfaktor bei den Missionskosten.

Und Moxie ist die Lösung?

Ja. Wir müssten keinen Sauerstoff mitbringen, sondern würden ihn mit Geräten wie Moxie dort produzieren. Damit könnte man die Gesamtmasse an Ausrüstung halbieren, die zum Mars transportiert werden muss.

Wie wollen Sie das machen?

Es hat sich herausgestellt, dass es eine einfache Sache ist, dort Sauerstoff aus der Atmosphäre zu produzieren. So wie Bäume das auch machen. Sie nehmen CO2 auf und atmen Sauerstoff aus. Wir haben also einen Baum zu konstruieren versucht, der in eine kleine Box passt.

Es gibt aber Wassereis auf dem Mars. Ließe sich daraus nicht einfacher Sauerstoff gewinnen?

Nein. Mit Moxie muss niemand irgendwo hingehen, um nach Eis zu suchen. Er muss es nicht ausgraben, prozessieren und hydrolysieren. Das Gerät kann die Mars-Atmosphäre einfach überall gewissermaßen einatmen. Das ist das, was wir Low hanging Fruits nennen. Zwar ist nichts auf dem Mars einfach. Aber verglichen mit anderen Ideen und Ressourcen vor Ort ist es die einfachste und praktischste Methode.

Die Experimente von Perseverance

(Bild: NASA)

Wie funktioniert Moxie?

Moxie funktioniert in zwei Schritten. Zunächst muss es Kohlendioxid, CO2, sammeln. Die Atmosphäre des Mars ist 100-mal dünner als die der Erde. Daher benötigt Moxie eine Pumpe und einen Kompressor, um die Atmosphäre einzusaugen und zu verdichten.

Im zweiten Schritt verwandelt es das CO2 in Sauerstoff. Dabei trennt es das CO2 nicht in reinen Kohlenstoff und Sauerstoff auf. Elementarer Kohlenstoff ist schwierig zu bearbeiten, er macht in Maschinen Probleme. Wir machen daraus Kohlenmonoxid, CO, und Sauerstoff. Normalerweise versuchen wir Kohlenmonoxid aus unseren Häusern herauszuhalten. Aber es ist ein Gas, das wir sammeln, speichern und ablassen können. Wir können es sogar als Treibstoff verwenden.

Als Treibstoff?

Um aus Kohlendioxid Kohlenmonoxid und Sauerstoff zu machen, benötigen wir Energie. Der Prozess lässt sich auch rückwärts laufen lassen, wobei Energie freigesetzt wird. CO und O2 erzeugt CO2 und Elektrizität. Das bezeichnet man normalerweise als Brennstoffzelle. Moxie lässt also eine Brennstoffzelle andersherum laufen.

Wie würde so eine Mission ablaufen?

Wir bekommen etwa alle 26 Monate Gelegenheit, in nur sieben bis acht Monaten zum Mars zu fliegen, wenn die Planeten in einer günstigen Konstellation zueinanderstehen. Wenn zuerst die Sauerstoff-Anlage zum Mars startet und dann die Crew, ließe sich mit einem Kraftwerk Sauerstoff vorproduzieren, bis die Astronauten eintreffen.

Wie viel Strom braucht denn eine solche Sauerstoff-Anlage?

Ich hatte schon erwähnt, dass die Crew etwa 30 Kilowatt benötigt. Das ist ungefähr auch die Leistung, die man braucht, um in diesem Zeitraum den Sauerstoff-Tank für die Rückkehrrakete aufzufüllen. Moxie hat aber das Problem, dass der Perseverance-Rover in der Größe eines Mini Cooper nur mit 110 Watt läuft. Wir haben also ein sehr herunterskaliertes Modell für Perseverance gebaut. Moxie ist etwa 200-mal kleiner als das, was später eine Mars-Crew braucht.

Wie groß wäre ein Riesen-Moxie: Reichte ein Start aus, um es zum Mars zu transportieren?

Da gibt es verschiedene Pläne. Eine Überlegung ist, das Habitat, das Kraftwerks-System und das Aufstiegsmodul gleichzeitig dorthin zu transportieren. Wir erwarten, dass das Gerät zur Sauerstoff-Produktion zukünftig ungefähr einen Kubikmeter Raum einnimmt. Das würde noch auf die gleiche Rakete passen. Es wäre zwar ungefähr eine Tonne schwer. Aber das ist nicht viel, denn es spart ja ungefähr 30 Tonnen.

Was war die größte Herausforderung beim Bau?

Die Temperatur. Einige Teile müssen auf bis zu 800 °C aufgeheizt werden. Es ist schwierig, so eine hohe Temperatur zu halten. Hitze ist wertvoll, weil Energie wertvoll ist. Eine andere Herausforderung war, dass Moxie über Jahre hinweg autonom läuft. Außerdem musste es robust genug sein, um den Start zu überstehen. Wir bauen normalerweise keine Brennstoffzellen, um sie auf einer Rakete zum Mars zu schicken.

Zudem muss es in einer sehr dünnen Atmosphäre arbeiten. Ein Gerät bei diesen hohen Temperaturen luftdicht abzuschließen, ist sehr schwierig. Dann ist es auf der Erde sehr feucht. Wenn man diesen Prozess unter feuchten Bedingungen laufen lässt, funktioniert er sehr viel besser. In einer extrem trockenen Umgebung wie dem Mars ist es dagegen eine Herausforderung.

Ist Moxie schon auf der Erde gelaufen? Quasi unter Marsbedingungen?

Ja, viele, viele Male.

Sie sind also sicher, dass es laufen wird?

Das tun wir jedes Mal, wenn wir etwas in den Weltraum schießen. Und dann funktioniert es häufig doch nicht. Das ist der Grund, weshalb wir Moxie zum Mars schicken. Die Frage ist ja, warum wir es nicht einfach nur im Labor testen. Die Antwort ist, dass wir von den Überraschungen dort lernen wollen. Einer unserer Wissenschaftler, ein ehemaliger Astronaut, pflegt zu sagen, der Unterschied zwischen, etwas zu testen und es tatsächlich im Weltraum zu tun, läge darin, dass die Tests dort zum Erfolg verdammt seien.

Moxie soll insgesamt nur ein paar Stunden laufen. Warum so kurz?

Wenn Moxie läuft, benötigen wir die Energie für einen ganzen Tag. Wir teilen Perseverance aber mit sechs anderen wissenschaftlichen Instrumenten. Das Hauptziel des Rovers ist ja, Proben zu sammeln, damit diese eines Tages abgeholt und zur Erde transportiert werden. Vereinbart ist, dass wir zehn Tage eines Marsjahres für unser Gerät bekommen. Das bedeutet, dass wir alle paar Monate einen Tag für Moxie bekommen, denn ein Marsjahr dauert fast zwei Erdjahre.

Das ist eine Art wissenschaftliches Car-Sharing?

Genau. Es wird sicher passieren, dass etwas mit dem Rover nicht so läuft wie geplant. Dann brauchen die Ingenieure ein paar Tage, um nachzuschauen, warum. Dann wird Moxie bereitstehen, daher werden wir wohl häufiger testen.

Gibt es in der Mars-Atmosphäre noch irgendetwas Brauchbares?

Neben dem produzierten Sauerstoff lassen sich zwei weitere nützlich Gase extrahieren. Das bereits erwähnte Kohlenmonoxid lässt sich als Treibstoff speichern. Denn es wäre sehr einfach, das Kohlenmonoxid in die Brennstoffzelle zurückzuführen und mit Sauerstoff einen Rover anzutreiben, oder die Gase als Energie-Notfallreserve zu nutzen.

Außerdem: Wir Menschen können nicht in einer reinen Sauerstoffatmosphäre leben, wir brauchen Stickstoff. Ungefähr 5 Prozent der Marsatmosphäre bestehen aus Stickstoff und Argon, der Rest sind Kohlendioxid und einige Spurengase. Daher wäre es sinnvoll, auch diese inerten Gase einzufangen, um damit das Habitat zu befüllen und den Sauerstoff zu verdünnen.

Gibt es dafür schon Experimente?

Nein. Vor Moxie hat die NASA nur sehr wenig in diesem Bereich investiert, obwohl vor einem bemannten Marsmission unglaublich viele Dinge getestet werden müssen. Wir haben die Internationale Raumstation mit Astronauten. Das ist derzeit der Bereich, in den das Geld fließt.

Können wir etwas von Moxie für den Mond lernen, selbst wenn er keine Atmosphäre besitzt?

Moxie ist selbstverständlich völlig nutzlos auf dem Mond, weil ihm die Atmosphäre fehlt. Grundsätzlich würde die NASA das für die Mondmission bejahen und sagen, der Mond sei der nächste Schritt zum Mars. Ich persönlich glaube nicht, dass man dort etwas für den Mars lernen kann. Der Staub auf dem Mond ist deutlich gefährlicher als auf dem Mars. Auch die Landung ist ganz anders, denn auf dem Mars lassen sich Fallschirme benutzen, auf dem Mond nicht. Zudem ist die Schwerkraft auf dem Mond deutlich kleiner als auf dem Mars, daher ist eine Landung auf dem Mond fast ein Rendezvous.

Das Wetter auf dem Mars ist sehr wichtig. Die Atmosphäre es dünn, aber es gibt Wetter. Das gibt es auf dem Mond natürlich gar nicht. Auf dem Mond ist es entweder heiß oder kalt, je nachdem, ob ein Ort im Sonnenlicht liegt oder nicht. Der Mars liegt irgendwo zwischen dem Mond und der Erde.

Wird Wassereis daher eher auf dem Mond abgebaut werden?

Ja. Allerdings wird es auf dem Mond sehr viel schwerer. Größere Mengen Wasser werden an sehr isolierten Orten gefunden und abgebaut werden können. In diesen permanent beschatteten Kratern gelangt keine Sonne. Es gibt dort also keine Solarenergie, das macht es schwierig. Wie gesagt, etwas mit Robotern auszugraben und zu extrahieren ist aufwendig – aufwendiger als es einfach einzuatmen.

Was ist der nächste Schritt?

Das wissen wir nicht. Das ist noch nicht definiert. Der nächste Schritt im Programm wäre eine Art internationaler Kollaboration, um Proben vom Mars zur Erde zu transportieren, die der Perseverance-Rover eingesammelt hat.

Aber das ist ein Wissenschaftsexperiment.

Ja, aber was anderes steht nicht im Programm. Erst vor zwei Jahren hat das Raumfahrtprogramm eine Wende zum Mond vollzogen. Vorher war er kein Thema. Die NASA sollte laut der Regierung Trump schon 2024 landen. Das wird zwar nicht passieren, auch wenn es schon die ersten Verträge für die Module und Fahrzeuge gibt. Aber das verbraucht alle Ressourcen. Der Mars ist im Moment vergessen.

(mho)