15 statt 380: Justiz korrigiert Zahl der Staatstrojaner-Einsätze in 2019

Ermittler griffen entgegen ihrer früheren Angaben nicht 368-mal zur Quellen-TKÜ in IT-Systeme ein, sondern nur dreimal. Es bleibt bei 12 Online-Durchsuchungen.

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(Bild: Pixels Hunter/Shutterstock.com)

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Das Bundesamt für Justiz (BfJ) hat seine Statistik über die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) für 2019 deutlich nach unten korrigiert. Im Dezember hatte die Behörde in der Übersicht erstmals Zahlen dazu eingefügt, wie oft die Polizei mit ihren 2017 neu erhaltenen Befugnissen laufende Internet-Telefonate und Messenger-Kommunikation bei Verdacht auf eine Vielzahl von Straftaten per Quellen-TKÜ abhört sowie weitergehende heimliche Online-Durchsuchungen durchführt. Demnach sollten die Ermittler 380-mal Staatstrojaner eingesetzt haben. Laut der neuen Version war dies aber nur 15-mal der Fall.

Die Änderungen betreffen hauptsächlich Genehmigungen zu Eingriffen in IT-Systeme auf Basis von Paragraf 100a Strafprozessordnung (StPO), der unter anderem die Quellen-TKÜ regelt. Nach der aktualisierten Fassung erteilten Richter 2019 31 entsprechende Anordnungen, von denen drei tatsächlich ausgeführt wurden. Die Maßnahmen zum Abgreifen von Kommunikation vor einer Ver- oder nach einer Entschlüsselung direkt auf dem Endgerät gelangen demnach je einmal in Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Anfangs war hier von 578 Anordnungen die Rede, von denen 368 in die Tat umgesetzt worden seien. Die meisten Quellen-TKÜs sollten in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen durchgeführt worden sein. "Die Landesjustizverwaltungen haben ihre dem BfJ übermittelten Daten aktuell überprüft", begründet das Amt die massiven Abweichungen.

Laut der neuen Statistik hatten zehn Bundesländer und der Generalbundesanwalt zunächst falsche Angaben bei der Abfrage der Zahlen durch das BfJ gemacht. Justizmitarbeiter sollen "Kreuzchen/Häkchen versehentlich falsch gesetzt" und die Bögen offenbar missinterpretiert haben, hatte es im Januar bereits geheißen. Insgesamt ordneten Richter 2019 bundesweit den Korrekturen zufolge nicht in 5252, sondern in 5234 Verfahren Überwachungen der Telekommunikation nach Paragraf 100a StPO an. Es bleibt dabei, dass sich rund 40 Prozent der Genehmigungen auf Drogendelikte beziehen.

Eine Online-Durchsuchung, bei der die Fahnder auch Festplatten inspizieren dürfen, genehmigten Richter laut der ebenfalls geänderten Übersicht in 21 Verfahren 33-mal. Tatsächlich durchgeführt wurden die Maßnahmen nach wie vor in 12 Fällen. Ein Verfahren beim Generalbundesanwalt ist hier dazugekommen, die Überwachung ließ sich aber letztlich nicht durchführen. Die Anordnungen drehen sich vor allem um räuberische Erpressung und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Gegen die bestehenden Kompetenzen für Strafverfolger, Staatstrojaner zu verwenden, laufen aufgrund der dafür erforderlichen allgemeinen IT-Sicherheitslücken diverse Verfassungsbeschwerden. Die große Koalition weitet die einschlägigen Befugnisse trotzdem ständig weiter aus, Ende 2019 etwa auf Zollfahnder.

Künftig soll die Bundespolizei die Computerwanzen sogar präventiv einsetzen dürfen gegen Personen, die noch gar keine Straftat begangen haben und bei denen bislang kein Tatverdacht vorliegt. Dies geht aus einem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD hervor, über den der Bundestag vorige Woche in 1. Lesung kontrovers debattierte. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken kündigte gegenüber Netzpolitik.org an, diesen Ansatz nicht mittragen zu wollen. Umstritten ist bei dem Vorhaben ferner noch, ob die Fahnder bei einer Quellen-TKÜ auch auf gespeicherte Nachrichten zugreifen dürfen.

(bme)