Gesetz für einheitliche Ladekabel auf dem Weg

Die EU-­Kommission könnte tatsächlich ein ­Gesetz für einheit­liche Ladekabel einbringen – doch die Hersteller arbeiten schon an neuem Ladewirrwarr.

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Ladekabel für unterschiedliche Handymodelle

(Bild: dpa, Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa)

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Von
  • Robin Brand

Schluss mit dem Kabelsalat: Seit mehr als einem Jahrzehnt schwelt in der EU die Debatte über ein verpflichtendes einheitliches Ladekabel für Smartphones. Jetzt scheint sich die EU-Kommission einem Ergebnis zu nähern. Wie aus Recherchen von netzpolitik.org hervorgeht, könnte die Kommission noch in diesem Sommer ein Gesetz auf den Weg bringen, das Hersteller von Smartphones, Laptops und diversen anderen tragbaren Elektronikprodukten auf einen einheitlichen Stecker verpflichtet. Das geht aus einer Antwort hervor, die netzpolitik.org auf eine Informationsfreiheitsanfrage erhielt.

Der naheliegende Gedanke: Nutzen alle Geräte einen einheitlichen Stecker, müssen die Hersteller weder Kabel noch Netzteil beilegen. Gegenüber c’t bezeichnet Johanna Sydow, Referentin für Ressourcenpolitik und IT-Branche der Umweltorganisation Germanwatch, das Vorhaben als sinnvoll und überfällig. Ihr geht der einheitliche Ladestecker allerdings nicht weit genug. Darüber hinaus brauche es klare Pläne und Maßnahmen, wie die Lebensdauer der Geräte verlängert werden könne, fordert die Expertin. "Häufig hat die EU die Vorhaben verschoben und noch eine Studie in Auftrag gegeben und die Lebensdauerverlängerung von IT immer wieder auf die lange Bank geschoben. Es ist in diesem Bereich sehr wenig konkretes passiert."

Allein bis 2028 werden laut einer Studie der EU alte Ladegeräte bis zu 13.300 Tonnen Elektromüll verursachen. Die Ressourcen einzusparen, lohne sich aufgrund der negativen Umweltauswirkungen und Menschenrechtsverletzungen, die mit dem Abbau und der Verarbeitung der Rohstoffe einhergingen, so Sydow. Metallische Rohstoffe kommen größtenteils aus dem globalen Süden, Kupfer vor allem aus Chile und Peru. "Im Kontext des Bergbaus sorgt das für soziale Konflikte. Protestierende werden erschossen, weil die Regierung sie als Terroristen deklariert", berichtet Sydow. Durch den Kupferabbau verlören die Menschen in den betroffenen Regionen nicht selten Zugang zu sauberem Trinkwasser. "In Espinar im Süden Perus wurden Schwermetalle im Blut der lokalen Bevölkerung nachgewiesen."

Um künftig Ladegeräte und -kabel einsparen zu können, braucht es aber mehr als einen einheitlichen Stecker. Smartphone-Hersteller haben verschiedene Schnellladetechniken in ihren Geräten implementiert und nicht alle davon sind miteinander kompatibel. Der von der EU teilfinanzierte Umweltverband ECOS kommt in einer Untersuchung zu dem Schluss, dass das USB-Power-Delivery-Protokoll der einheitliche Standard werden könnte – nicht nur zum Laden von Smartphones.

Ein Kabel für alle Fälle: Im Sommer könnte die EU-Kommission ein Gesetz für einheitliche Ladekabel, das Hersteller auf USB-C (rechts) verpflichtet, auf den Weg bringen.

Sollte sich die EU in diesem Jahr auf die Gesetzesinitiative einigen, wäre das der Schlusspunkt unter einen Prozess, der vor über einem Jahrzehnt begonnen hatte –und er fiele in eine Zeit, in der sich USB-C für Smartphones bereits als De-facto-Standard durchgesetzt hat. Einzig Apple sperrt sich bislang, seinen iPhones eine USB-C-Buchse zu verpassen, während die Tablets und Laptops des Konzerns bereits mit solchen ausgestattet sind.

Ausgerechnet die Kalifornier sind es andererseits, die zu einem Umdenken in der Branche hinsichtlich Netzteil-Dreingabe gesorgt haben könnten. Dass ein solches dem iPhone 12 nicht mehr beiliegt, scheint Signalwirkung zu haben. Samsung tut es Apple bei der neuen Galaxy-S-Serie gleich, weitere Hersteller dürften folgen.

Apple hat stets damit argumentiert, eine verpflichtende, einheitliche Ladebuchse sei ein Innovationshemmnis. Ein Zwang zur USB-C-Buchse würde schließlich auch Geräte komplett ohne Buchse verhindern. Nicht nur Apple sagt man nach, mit einem iPhone ohne Anschlüsse zu liebäugeln, Xiaomi stellte jüngst ein solches Konzept-Smartphone vor.

Um die Frage, wie so ein Gerät lädt, zu beantworten, arbeiten die Hersteller schon am nächsten potenziellen Ladewirrwarr. Denn das ginge nur drahtlos. Der weit verbreitete Qi-Standard erlaubt seit 2015 Ladeleistungen bis 15 Watt. Nicht genug für die Hersteller, die eifrig eigene Drahtlos-Ladeprotokolle entwickeln.

Apple, Huawei, OnePlus, Vivo und Xioami gehören zu den Herstellern, die jüngst eigene und proprietäre Drahtlos-Ladelösungen vorgestellt haben. Richtig schnell – mit Ladeleistungen teilweise jenseits der 50 Watt – geht es dann nur auf der passenden Ladeschale. Andernfalls fällt das Smartphone in den langsameren Qi-Standard zurück. Apples MagSafe leistet dabei nicht einmal mehr als die 15 Watt, die auch per Qi möglich wären. Per Qi allerdings lädt Apples proprietärer Drahtloslader nur mit maximal 7,5 Watt. Nach den von netzpolitik.org veröffentlichten Papieren prüft die EU auch, wie sich das – deutlich ineffizientere – kabellose Laden vereinheitlichen lassen könnte. Ein weiteres Jahrzehnt bis zu einer Regelung sollte sie nicht verlieren.

c’t Ausgabe 6/2021

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(rbr)