Schulplattform-Betreiber: "Bei uns kommt aus dem Digitalpakt nichts an"

Der Bund steuert 6,5 Milliarden Euro zur Digitalisierung der Schulen bei. Doch die Mittel fließen kaum ab, Bildungsträger können nicht selbst darüber bestimmen.

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(Bild: fizkes/Shutterstock.com)

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Inhaltsverzeichnis

Erst im September hatten der Bund und die Länder noch einmal nachgebessert beim "Digitalpakt Schule" und die Fördermittel des Bundes auf insgesamt 6,5 Milliarden Euro erhöht. An der Basis, die während der Coronavirus-Pandemie auf Distanzunterricht umstellen musste, tut sich trotzdem wenig. Bettina Stark-Watzinger, parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion, moniert: Das Geld aus dem großen Topf "wird nicht abgerufen".

Heike Schmoll (Moderatorin), Margit Stumpp, Jürgen Böhm, Jörg Ludwig und Bettina Stark-Watzinger

(Bild: Screenshot)

Die Umsetzung in den Ländern seit teils "sehr bürokratisch", beklagte die Liberale am Dienstag bei einer Online-Debatte zum "Startup Schule" der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung. In Bayern müsse man Gesuche auf 400 Seiten schreiben, in Leipzig habe eine Schule WLAN gebraucht, um Mittel beantragen zu können. Viele Kommunen seien daher in Vorleistung gegangen. Kosten für IT-Administratoren könnten nach der Korrektur im Herbst zwar übernommen werden, der Posten der ebenfalls nötigen Lehrerfortbildung fehle aber noch.

"Bei uns kommt aus dem Digitalpakt nichts an", bestätigte Jörg Ludwig, Geschäftsführer der Firma IServ, die die gleichnamige kostenpflichtige Schulplattform anbietet. Es gebe zwar "viele Förderprogramme mit unglaublich komplizierten Antragsformularen", die gingen am Bedarf der meisten Firmen aber vorbei. Den Schulen selbst fehle das Geld, "damit sie Sachen beschaffen können".

Die Direktoren und kommunalen Träger der Bildungseinrichtungen seien zwar "zu großen Teilen aufgewacht", weiß Ludwig. Das Budget liege aber bei den Ländern und mit denen gestalteten sich Gespräche kompliziert sowie langwierig. Die Träger zahlten Software etwa für Schulserver daher zunächst aus eigener Kasse. Viele hätten das Angebot von IServ angenommen, die Technik während der Pandemie zunächst einige Monate kostenlos zu testen, und im Anschluss Lizenzen bestellt.

Der Gründer vermisst auch zentrale technische Verzeichnisse für zertifizierte Software mit Praxisbezug bei den Ländern, "wo man ein Produkt bundesweit bewerben kann". Dafür bräuchte es objektive einheitliche Vorgaben, wie sie etwa die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) aufstelle. In Deutschland gebe es 40.000 Schulen. Mit jeder zu sprechen, schafften nur die großen Anbieter. Start-ups würden im Markt daher oft kaum wahrgenommen.

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Die IServ-Plattform bietet bisher vor allem E-Mail, Organisation und Netzwerkadministration an. Man wolle den "pädagogischen Bereich mit speziellen Werkzeugen" ausbauen und Eltern stärker miteinbinden rund um die Wissensvermittlung, kündigte Ludwig an. Größere Sicherheitsvorfälle habe es bislang nicht gegeben, da man rund um Datenschutz und IT-Sicherheit schon vor zehn Jahren alles gründlich habe prüfen lassen. Unterrichtsvideos etwa seien bislang nicht abhanden gekommen. Der ein oder andere Schüler habe mit kreativen Ansätzen mal ein Passwort ausgespäht und im Gegenzug gleich ein Praktikum angeboten bekommen.

Die Kultusministerien müssten sich bewegen, um mehr Start-ups den Weg in die Schulen zu öffnen, forderte der Vorsitzende des Verbands deutscher Realschullehrer, Jürgen Böhm. Der Online-Unterricht laufe in vielen Strecken viel besser, als oft kolportiert werde. Teils verschicken Schulen "nicht ein Stück Papier mehr", selbst Elternsprechstunden fänden übers Internet statt. Um weiter voranzukommen in diesem Bereich wünsche er sich "endlich rechtssichere digitale Leistungserhebungen", ohne die Schüler dabei gläsern zu machen.

Ein Aufsatz, der am Rechner getippt werde, sei "kaum anders als ein handschriftlich verfasster", begründete der Deutschlehrer und bekennende "Riesenfreund der Handschrift" seinen Appell. "Wir wünschen uns nach wie vor Präsenzunterricht, können uns aber trotzdem nicht der Digitalisierung entziehen", lautet sein Motto auch für die Zeit nach Corona. Alle Kommunikationselemente, "die man jetzt hervorgekramt und mit großer Kraft aufgebaut hat, werden weiter eine Rolle spielen".

Lehrer müssten zwar mit Augenmaß abwägen, wann sie mit dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht beginnen würden, betont Böhm. Er sei aber gegen eine Altersgrenze. Frühere Überlegungen, ob Fünftklässler nicht "zu kleine Finger für Computer" hätten, seien hinfällig. Bildung habe aber vor allem "mit Sprechen, Schreiben, Rechnen, Denken zu tun".

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Digitale Medien gehörten prinzipiell schon in die Kindergärten, erklärte die Bildungsexpertin der Grünen im Bundestag, Margit Stumpp. Die Erzieher wüssten aber selbst auch bei den "digital natives" am besten, "welche Medien es gibt, um logisches Denken zu lernen". Die Grundausbildung habe mit Digitalisierung zunächst nichts zu tun, sondern mit der Freude am Lernen und Experimentieren. Die Politikerin warb so dafür, Experimentierräume für fächerübergreifende Projekte zu schaffen und weniger auf 45 Minuten Frontalunterricht zu setzen.

In drei Jahren sei mit dem Digitalpakt auch eine nationale Bildungsplattform geplant, verwies Stark-Watzinger auf weitere staatliche Schritte. Schon jetzt sei aber eine "Whitelist für qualitätsgeprüfte Programme" wichtig, die Standards einhielten und über offene Schnittstellen verfügten. Es dürfe keinen "Lock-in-Effekt" geben, stellte die Liberale klar. Um Innovationen in die Schulen zu bringen, seien auf diesen Sektor ausgerichtete Start-ups wie "Edtechs" das Mittel der Wahl. Es brauche aber mehr wissenschaftliche Begleitung in diesem Bereich.

(mho)