Deutschland will sich weltweit für Atomausstieg einsetzen

Wenn das letzte deutsche AKW vom Netz geht, sei der Atomaussteig noch nicht beendet, meint das Umweltministerium. Sie will zum Beispiel Atomfabriken schließen.

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Nahe dem westfälischen Gronau reichert Urenco Uran an.

(Bild: Urenco)

Lesezeit: 4 Min.

Auch wenn 2022 in Deutschland das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet sein wird, bestehen weiter nukleare Gefahren für das Land, meint das Bundesumweltministerium. Es will sich daher in Europa und weltweit gegen Atomkraft einsetzen und hat dafür ein 12-Punkte-Papier vorgelegt. Darin wird beschrieben, welche weiteren Schritte nach 2022 nötig sind, um die nuklearen Risiken für Deutschland zu minimieren.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze wendet sich dabei gegen Forderungen, für den Klimaschutz auf Atomkraft zu setzen. "Keine Klimaschützerin, kein Klimaschützer sollte sich auf Atomkraft als Lösung für den Klimaschutz verlassen." Folgekosten und Risiken eingerechnet sei die Atomkraft die teuerste Option zur Stromgewinnung. Neubauprojekte seien nicht nur zu teuer, sondern dauerten auch viel länger, als es angesichts der Klimakrise vertretbar sei. Zudem produzierten sie Müll für 30.000 Generationen. Das sei alles andere als nachhaltig. Das Problem der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle sei noch in keinem Land der Erde gelöst. Immerhin sei Deutschland mit seinem Standortauswahlverfahren hier weiter als viele andere Länder.

Der Anteil der Atomkraft am weltweiten Primärenergieverbrauch betrage weniger als 5 Prozent und könne schon deshalb keinen substanziellen Beitrag dazu leisten, die Klimaziele zu erreichen. Die Atomkraft "ist zu teuer, gerade auch im Vergleich zu den erneuerbaren Energien und sie hemmt deren Ausbau. Denn sie ist schwerfällig und passt daher nicht zu einem dezentralen erneuerbaren Energiesystem", heißt es in den " 12 Punkten für die Vollendung des Atomausstiegs ".

Damit der deutsche Atomausstieg vollendet wird, sollten die Atomfabriken in Gronau, wo Uranangereichert wird, und Lingen, wo Brennelemente gefertigt werden, geschlossen werden, meint Schulze. In der laufenden Legislaturperiode habe sie sich in der Bundesregierung nicht durchsetzen können, nun will sie in der kommenden einen neuen Anlauf unternehmen. "Unser Atomausstieg ist nicht mit der Produktion von Brennstoff und Brennelementen für Atomanlagen im Ausland vereinbar. Die Schließung wurde damals beim Ausstiegsbeschluss versäumt", erläutert Schulze.

In Europa will Schulze den Schulterschluss mit anderen atomkritischen Staaten suchen. Angesichts der anstehenden Laufzeitverlängerungen in mehreren europäischen Ländern kündigte die Ministerin eine klare internationale Positionierung und eine stärkere Unterstützung der Bundesländer in Grenzregionen an. Ihr bereite die zunehmende Überalterung der europäischen Atomkraftwerke große Sorge. "Gegen AKW-Alterung lässt sich nur punktuell etwas machen, nicht umfassend. Darum lehnt die Bundesregierung Laufzeitverlängerungen von AKW ab", sagte Schulze. Sie könne sie letztlich nicht verhindern, werde sich aber für Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten einsetzen.

Die Katastrophe von Tschernobyl habe gezeigt, dass ein Nuklear-Unfall nicht vor Ländergrenzen Halt mache. Als Konsequenz aus dem Reaktorunglück in Fukushima habe die Bundesregierung ein neues umfassendes Notfallmanagementsystem im Strahlenschutzgesetz von 2017 verankert. Im Bundesumweltministerium gebe es ein neues radiologisches Lagezentrum, damit koordiniert und einheitlich auf einen radiologischen Notfall reagiert werden könne.

International will sich das Umweltministerium für höchste Sicherheitsstandards einsetzen. Ähnliches gilt für die Atomhaftung; in vielen Ländern gelte anders als in Deutschland noch kein Prinzip der unbegrenzten Betreiberhaftung. Dafür müsse aber Deutschland seine Kompetenz in Sachen Atomkraft erhalten. "Es kursieren viele Mythen zur Atomkraft, denen wir mit validen Fakten auf dem neuesten Stand begegnen wollen", meint Schulze.

Dabei verweist ihr Ministerium auf Konzepte wie Small Modular Reactors (SMR), die zum Beispiel von Bill Gates als "vielversprechender Beitrag zu einer sicheren, nachhaltigen und generationsgerechten Energieproduktion von morgen propagiert" würden. Technisch seien die Konzepte "oft alter Wein in neuen Schläuchen und beruhen auf Ansätzen, die bereits vor Jahrzehnten entwickelt wurden, sich aber in der Praxis aufgrund gravierender und nach wie vor ungelöster Probleme nicht durchsetzen konnten".

Wie wichtig ein Engagement für Sicherheitsstandard sei, zeige der gravierendste Atomunfall seit Fukushima: Ende September 2017 sei es zu einer erheblichen Freisetzung des radioaktiven Isotops Ruthenium-106 gekommen; Indizienlage und Analysen deuteten auf eine Freisetzung im südlichen Ural hin. Der Vorfall habe sich trotz aller Bemühungen nicht vollständig aufklären lassen, auch wenn sich Deutschland stark für die Aufklärung engagiert habe.

Als der Erfahrung daraus habe sich ergeben, dass eine Aufklärung über den genauen Ort einer Freisetzung oder dessen Ursache als nahezu aussichtslos erweise, wenn ein vermeintlich verursachender Staat angibt, dass ihm kein Freisetzungsereignis in seinen Atomanlagen bekannt sei. Die internationale Gemeinschaft müsse aber schneller reagieren können, damit Informationen über Messwerte und weitere Erkenntnisse unverzüglich über die etablierten Informationssysteme ausgetauscht werden können.

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(anw)