Lotusphere: Lotus entscheidet sich für J2EE

Für zukünftige Software-Angebote setzt Lotus auf J2EE (Java 2 Enterprise Edition). Lotus-Chef Al Zollar erteilte Microsofts .NET eine Absage.

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Für zukünftige Software-Angebote setzt Lotus auf J2EE (Java 2 Enterprise Edition). Das kündigte Lotus-Chef Al Zollar bei seiner Eröffnungsrede der Lotusphere in Orlando an. Das ist zunächst einmal keine Überraschung, zumal die IBM Software Group zu den stärksten Verfechtern dieser Technologie gehört. Microsofts .NET Initiative erteilte er eine deutliche Absage.

Von dieser recht nachvollziehbaren, plakativen Aussage abgesehen, wird die Sache etwas komplizierter, wenn man nachfragt, was das denn für die einzelnen Lotus-Produkte bedeutet. So sollen bisherige Angebote als "Collaborative Web Services" in andere IBM-Angebote einfließen. Das betrifft zum Beispiel K-station, dass bereits im August zur IBM Solutions als Bestandteil von Websphere Portal Server neu positioniert wurde. Bislang handelt es sich dabei aber lediglich um eine Interoparability Bundle. Mit anderen Worten: Zwei Produkte in einem Paket, die zusammen funktionieren. Noch basiert K-station auf Domino. In der nächsten Iteration, vermutlich im zweiten Quartal dieses Jahres, wird es dann komplett auf Websphere Portal Server und damit einer J2EE-Plattform laufen.

Sametime wäre der nächste Kandidat, der sich für eine Portierung anbieten würde. Lotus spricht bereits über eine Version 2.6, die der aktuellen Version 2.5 folgen soll. Sie tritt insbesondere im Zusammenhang mit der etwas unübersichtlichen Angebotspalette um die Marke Learningspace in Erscheinung. Aktuell gibt es Learningspace 5.0, das Lotus mit dem Ankauf der Pathware-Sparte von Macromedia erwarb. Peinlicherweise benötigt dieses Produkt den Microsoft IIS als Serverplattform. Daneben gibt es Learningspace Forum 3.5, das auf Domino basiert. Die beiden Lösungen sind bislang unvereinbar, auch wenn Lotus immer wieder betont, in Zukunft würden die sehr unterschiedlichen Inhalte in einer gemeinsamen Lösung zusammenfließen. In diesem Quartal wird es jedoch zunächst einmal ein Update beider Linien auf Learningspace 5.01 und Forum 3.6 geben. Dabei handelt es sich im wesentlichen um Bugfixes. Forum hat ganz offensichtlich ein viel längeres Leben, als zunächst angenommen. Lotus kann die Kunden nicht verprellen, die frühzeitig in Lerninhalte auf der Domino-Plattform investiert haben.

Ein Bestandteil von Learningspace basiert auf dem Learning Server, den Lotus mit der Firma Databeam erwarb. Hier ist derzeit einiges an Doppelentwicklung nötig, weil auch der Konferenzserver in Sametime aus der gleichen Entwicklungslinie stammt. Hier wird die nächste Learningspace-Version nicht mehr parallel zu Sametime entwickelt, sondern basiert direkt auf dem Sametime-Server. Im Ergebnis wird es nicht mehr nötig sein, neben dem Sametime-Server einen zweiten Server für Learningspace zu unterhalten. Im Laufe des Jahres sollen sich diese Neuerungen als Live Virtual Classroom -- sozusagen das fliegende Klassenzimmer -- manifestieren. Virtual Classroom wird auf Sametime 2.6 und Quickplace 2.6 basieren. Mit dieser Version werden beide Produkte in Entwicklung und Versionierung synchronisiert. Danach nimmt sich Lotus eines Learning Management Systems an. Es geht dabei darum, neben der elektronischen Form des Lernens auch klassische Trainings zu organisieren. Eine Verwaltung der Inhalte in einem Learning Content Management System ist erst für 2003 ins Auge gefasst.

Sowohl Quickplace als auch Sametime werden sich in der Version 2.6 nicht von ihrer Domino-DNA trennen. Sie sollen jedoch ihre Dienste in die J2EE-Welt über Web-Services einbinden können. Wie auch bei Domino ist derzeit noch völlig unklar, welche Teile auf der Basis von J2EE neu implementiert werden.

Gerade erst hat sich Lotus auf einen ungefähren Zeitraum für die Fertigstellung von Domino 6 festlegen lassen, da stellt sich bereits die Frage, was denn mit diesem Server im Umfeld von J2EE passieren soll. Mittlerweile ist klar, dass Domino selbst anders als zunächst angenommen keine Unterstützung von JSPs bieten wird. Auch der Servlet-Support bleibt rudimentär, da Lotus lediglich die schon in R5 angebotene Servlet-Engine mitliefern wird -- vor allem zur Wahrung der Rückwärtskompatibilität. Die Einführung der Open-Source-Implementierung Tomcat aus dem Jakarta Project in der dritten Beta-Version von Rnext bleibt nur eine Anekdote der Entwicklung.

Wer J2EE-Anwendung für und mit Domino entwickeln will, muss dazu eine eigene Infrastruktur unterhalten. Am liebsten sähe IBM da natürlich Websphere. Hier sind im Augenblick noch kleine Stolpersteine zu überwinden. Die Integration beider Produkte ist weiterhin beim Kunden zu leisten. Unklar ist, wo die Reise nach der Version 6 hingeht. Lotus betont einerseits, die Zukunft sei J2EE. Andererseits wurde für Domino 6 gerade die alte 123-Formelsprache komplett neu implementiert, um solch simple Dinge wie Schleifenkonstrukte zu ermöglichen. Widersprüchlich sind bisher die Aussagen verschiedenster Lotus-Mitarbeiter. Einmal ist davon die Rede, alle Domino-Funktionen in Zukunft als J2EE-Services bereitzustellen. Directory-Funktionen sollten von Tivoli geliefert werden, die Datenbasis von DB2. Im nächsten Augenblick wird aber dementiert, dass Kernfunktionen wie Mailrouting neu implementiert werden. Hier sind noch einige Klarstellungen nötig. (Volker Weber) / (jk)