Erste Vorabversion von Notes 6 und Domino 6 verfügbar

IBM veröffentlicht die erste vollständige Version von Lotus Notes/Domino 6: Ein Anlass, sich die neue Version etwas genauer anzusehen.

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IBM veröffentlicht die erste vollständige Version von Lotus Notes/Domino 6. Nach einer Registrierung bekommt man beide Pakete, immerhin 132 MByte für Notes und 215 MByte für Domino auf Windows. Dazu gibt es eine Notes-Version für den Mac mit Unterstützung von Mac OS 9 und Mac OS X. Domino wird auch für AIX, Linux und Solaris Sparc angeboten; Versionen für iSeries (ex-AS/400), HP-UX und IBM-Mainframes folgen später. Bis voraussichtlich zum dritten Quartal dieses Jahres will IBM weiter an der Qualität des Produktes feilen. Dabei ist noch mit kosmetischen Änderungen an der Oberfläche von Notes zu rechnen. Bezüglich der Funktionen soll es jedoch keine Änderungen mehr geben. Jetzt ist daher der geeignete Zeitpunkt, sich näher mit diesem Produkt auseinander zu setzen.

IBM hat sich sichtlich bemüht, sich bei Lotus Notes 6 in der Gestaltung eng an R5 anzulehnen, um auf diese Weise Schulungsaufwand einzusparen. Die Umstellung von R5 nach Notes 6 ist wesentlich einfacher als die von Notes 4.x nach R5. Dabei sind viele Notes-Eigenarten behutsam korrigiert worden. Als Beispiel mag der Posteingang dienen, der sich unter bisherigen Version nicht automatisch aktualisiert; bei Notes 6 ist es dagegen nicht mehr nötig, mit der Funktionstaste F9 den Ordner neu zu lesen, wenn eine neue Nachricht eintrifft.

Der überarbeitete Willkommen-Bildschirm läßt sich leichter anpassen, andererseits aber auch zentral administrieren. Auf diese Weise haben Unternehmen eine Möglichkeit, alle Mitarbeiter automatisch mit Nachrichten zu versorgen ohne Rundschreiben per Mail an alle zu schicken. Der Benutzer kann auch ad hoc einzelne Frames dieser Startseite durch andere Inhalte füllen; so kann man zum Beispiel zwischen Kalender und Posteingang wechseln. Ein Quick-Notes genannter Frame beheimatet Abkürzungen, mit denen man schnell eine Adresse notieren, eine Termin-Erinnerung eintragen, Notizen anlegen oder eine kurze Mitteilung verschicken kann.

Die Spalten einer Liste, etwa im Posteingang, lassen sich nun mit der Maus umordnen und Window-Tabs in gleicher Weise verschieben. Ein Autostart-Ordner lädt automatisch mit dem Notes-Start voreingestellte Windows. In Kalender oder Posteingang kann man Einträge nach selbstgewählten Regeln farblich unterlegen, um etwa wichtige Nachrichten hervorzuheben. Ordner zeigen nun die Anzahl der ungelesenen Nachrichten an -- eine vielgewünschte Funktion, die den Einsatz von Filterregeln erst sinnvoll macht.

Besonders umstritten in R5 waren die neuen Bookmarks. Viele Notes-Anwender arbeiten weiter mit einem Desktop wie er bis Version 4 gebräuchlich war. Mit Notes 6 kann man sich die Bookmarks nun optional wieder zweidimensional anzeigen lassen und gewinnt damit die alte "Kachelwand" zurück. Bis einschließlich R5 war die Behandlung von Dateianhängen höchst erklärungsbedürftig. Jeder Notes-Anwender hat sicherlich mindestens einmal einen Anhang bearbeitet, um dann die Änderungen zu verlieren, da Notes die geänderte Datei nicht automatisch in der Mail aktualisierte. Hier hat IBM erheblich nachgebessert. Anhänge lassen sich per Drag&Drop zwischen Notes und Arbeitsoberfläche hin- und herschieben und auch direkt bearbeiten. Wenn man auf eine Nachricht mit angehängter Historie antwortet, dann werden Anhänge wahlweise automatisch entfernt. Auch die als Filter einstellbaren Weiterleitungen verzichten optional auf Anhänge.

Die größten Änderungen hat der Kalender erfahren. Das betrifft einerseits die Formulare, die nun sogar die Planung von Online-Meetings in Zusammenarbeit mit dem Sametime-Konferenzserver ermöglichen. Durch eine neue Notes-Funktion, die ein direktes Bearbeiten von Dokumenten bietet, kann der Benutzer jetzt den Kalender direkt in der Übersicht bearbeiten, ohne die zugehörigen Notes-Dokumente zu öffnen. Auf diese Weise läßt sich ein Termin viel schneller eintragen, Anfang und Ende des Termins sind direkt im Kalender mit der Maus einstellbar.

Bisher spricht IBM noch relativ wenig über den neuen Domino-Administrator, wohl vor allem, weil sich damit kein eigener Umsatz generieren läßt. Er ist einfach ein Bestandteil des Servers. Dabei haben die Entwickler hier ganze Arbeit geleistet. So wurde neben einer Windows-Implementierung eine funktionsgleiche Version entwickelt, die vollständig im Browser läuft. Momentan wird neben dem Internet Explorer 5.5 Netscape in der Version 4.7 unterstützt. Damit kann ein Domino-Server nun komplett unter Linux administriert werden, ohne dass man einen Windows-Client benötigt. Bemerkenswert ist zum Beispiel, dass man mit dem Web-Administrator etwa von einem Linux-Admin-Client aus Systemdienste eines entfernten Windows-2000-Servers stoppen und starten kann.

Kurioserweise haben Domino Designer und der Domino Server gegenüber der letzten Beta 4 einige entscheidende Fähigkeiten im Umfeld von J2EE (Java 2 Enterprise Edition) abspecken müssen, obwohl Lotus doch gerade auf der Lotusphere angekündigt hatte, J2EE als Plattform der Zukunft zu unterstützen. Dies hatte zu heftigen Diskussionen im Feedbackforum auf Notes.net geführt. Eine Stellungnahme von Arthur Fontaine, der als Lotus Market Manager für die Domino-Websphere-Integration verantwortlich zeichnet, hatte die Diskussion sogar noch angeheizt, obwohl er lediglich klarstellen wollte, welche Bestandteile der unter dem Codenamen Garnet bekannten Funktionen noch erhalten blieben. Eine technisch fundierte Erklärung von Jeff Calow trägt nun jedoch erheblich zur Beruhigung der Gemüter bei.

Der Strategiewechsel wird deutlich, wenn man das aktuelle Interview mit Calow vom 4. Februar auf Notes.net mit dem vergleicht, dass Mitte letzten Jahres erschien und mittlerweile von der Site entfernt wurde. Google liefert aus dem Archiv immer noch die Version von Anfang Juni 2001. Zu diesem Zeitpunkt hatte Lotus noch versucht, die Entwickler von einem neuen Programmiermodell für Domino-Anwendungen mit JSPs und Servlets zu überzeugen, die dann einmal vollständig unter Kontrolle des Domino-Rnext-Servers laufen sollten. Auf der Entwicklerkonferenz Lotus DevCon 2001 in Las Vegas traf dieses Thema dann auch auf entsprechend breite Resonanz.

Nun hat sich IBM entschieden, die gesamte J2EE-Unterstützung vorzugsweise über WebSphere anzubieten. Aus dem Domino-Server verschwand die eingebettete Servlet-Engine Apache Tomcat wieder und wird durch die aus R5 bekannte Version ersetzt, die lediglich die Servlet-Spezifikation 2.0 unterstützt. Sie läuft in Domino 6 nun immerhin unter der Java-Version 1.3.0_02. Erhalten bleibt die Domino Custom Tag Library, mit deren Hilfe man bei der Entwicklung von JSPs auf Domino Backend-Klassen zugreifen kann.

Selbstverständlich muss man dieser IBM-Empfehlung nicht unbedingt folgen. So kann man durchaus statt Websphere auch andere J2EE-Application-Server einsetzen, etwa BEA WebLogic, Sybase EAServer, Macromedia JRun oder Sun iPlanet. Mit Apache Tomcat für Servlets und JSPs und JBOSS für EJBs (Enterprise Java Beans) kann man sich eine solche Umgebung auch aus Open-Source-Projekten zusammenstellen. Was Domino mit WebSphere verbindet, ist neben dem Hersteller IBM vor allen eine gemeinsame Anmeldung (SSO, Single Sign On). IBM verspricht für Domino 6 jedoch Plugin-Fähigkeiten für Apache, Microsoft IIS und andere Webserver. Hier ließen sich dann wieder Domino und J2EE-Komponenten unter ein Dach bringen. Im Bereich J2EE ist die Diskussion zwischen IBM, Kunden und Business Partnern sicher noch nicht beendet. Man kann heute mit einiger Sicherheit ausschließen, dass Garnet wieder in Domino aufgenommen wird. In welcher Weise und zu welchen Konditionen jedoch später Websphere mit Domino als Bundle angeboten wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. (Volker Weber) / (jk)