Hintergrund: Wo das verlorene Wasser des Mars vermutlich liegt

Bisher gingen Forscher davon aus, dass atmosphärischer Verlust schuld war, dass der einst nasse Mars trocken und kalt wurde. Inzwischen gibt es neue Ideen.

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Ein Mars, wie er einmal gewesen sein könnte.

(Bild: Illustration der NASA)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Neel V. Patel
Inhaltsverzeichnis

Vor Milliarden von Jahren war der Mars ein warmes Zuhause für Seen und Ozeane. Doch dann verschwanden vor mehreren Milliarden Jahren diese riesigen Gewässer von seiner Oberfläche. Bisher nahmen Wissenschaftler an, dass das Wasser sich ins Weltall verflüchtigte, als die Atmosphäre des Planeten dünner wurde. Wie sich herausstellt, könnte das Wasser in genau die entgegengesetzte Richtung verschwunden sein, nämlich in den Untergrund. Zu diesem Schluss kommen Forscher vom California Institute of Technology (Caltech) in einer Studie, die auch Folgen für die Suche nach bewohnbaren Exoplaneten haben könnte.

"Diese Arbeit steht auf den Schultern der jahrzehntelangen Arbeit", sagt Eva L. Scheller, Planetengeologin bei Caltech und Hauptautorin der neuen Studie. "Immer mehr Beobachtungsergebnisse haben uns dazu veranlasst, über den Wasserverlust auf dem Mars auf neue Weise nachzudenken."

Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass der Mars auf seiner Oberfläche eine globale äquivalente Wasserschicht (m GEL) zwischen 100 und 1500 Metern hatte. Dabei bezieht sich "m GEL" auf eine Schicht von einem Meter Wasser, die eine ebene Oberfläche des Planeten bedecken würde. Scheller zufolge entsprechen 1.000 m GEL ungefähr der Hälfte der Wassermenge des Atlantischen Ozeans. Selbst der niedrigere Wert des Mars-Schätzbereichs ist noch ausreichend Wasser, mit dem potenzielles Leben hätte entstehen können.

Daher ist es wichtig herauszufinden, wie es verschwunden ist. Dann lässt sich besser verstehen, an welchen Orten auf dem Mars Belege für Leben erhalten sein könnten, das sich in dieser Zeit entwickelt hat – und wie aktuelle und zukünftige Mars-Missionen nach diesen Beweisen suchen sollten.

Die meisten Wasserverlustmodelle, die einen atmosphärischen Verlust annehmen, gingen davon aus, dass durch UV-Strahlung Wasserdampf in der Luft in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff dissoziiert. Beide Elemente, insbesondere die leichteren Wasserstoffmoleküle, entweichen aus der Atmosphäre und gelangen in den Weltraum. Wissenschaftler messen diesen Wasserstoffverlust – mit Neutronendetektoren wie dem FREND-Instrument der ESA und dem russischen Spurengasorbiter TGO – stellvertretend für die Bestimmung der Wasserverlustrate auf dem Mars im Zeitverlauf.

Es gibt jedoch zwei Probleme mit dieser Theorie. Zum einen erklärt sie nicht, warum TGO oder andere Missionen immer noch so viel Wasser in der Marskruste entdecken. Zweitens ist die bisher gemessene Wasserstoffverlustrate zu gering, um zu erklären, wie viel Wasser der Mars ursprünglich hatte. "Es konnte nur das niedrigere Ende dessen erklären, was die meisten Geologen Annahmen", sagt Scheller. Darüber hinaus haben die Forscher jetzt ein besseres Verständnis dafür, wie viel Wasser in der Marskruste verborgen ist. Ein Großteil davon ist Rover-Missionen wie Curiosity zu verdanken, die Marsgesteine direkt untersucht haben, sowie Laboranalysen von Mars-Meteoriten, die auf der Erde gelandet sind.

Nun haben Scheller und ihre Kollegen ein neues Modell entwickelt, das anhand aktueller Daten untersucht, ob das Wasser tatsächlich unter die Erde hätte gelangen können. Es wäre nicht in riesige unterirdische Ozeane gesaugt worden. Stattdessen wurden Wassermoleküle infolge von Prozessen wie Verwitterung in mineralische Strukturen wie Tone eingebaut. Das Gleiche passiert hier auf der Erde. Dieser Prozess könnte laut Modell zwischen 30 und 99 Prozent des gesamten Wasserverlusts in den ersten ein bis zwei Milliarden Jahren des Planeten erklären. Atmosphärischer Verlust wäre für den Rest verantwortlich.

"Es ist ein äußerst faszinierendes Modell", sagt Joe Levy, Geologe von der Colgate University, der nicht an der Studie beteiligt war. "Hydratisierte Mineralien und venenbildende Mineralien sind fast überall auf dem Mars zu sehen. Die außer Kontrolle geratene chemische Verwitterung ist eine wirklich provokative Hypothese, um zu erklären, was mit dem Wasser des Mars passiert ist."

Der Bereich von 30 bis 99 Prozent ist natürlich riesig. Das liegt daran, dass die Wissenschaft nicht genug über den Wassergehalt in der Kruste weiß, am allerwenigsten im globalen Maßstab, oder darüber, wie die alte Marsatmosphäre aussah und inwieweit sie den atmosphärischen Wasserverlust förderte oder begrenzte. Das neue Modell versucht deshalb auch zu berücksichtigen, wie geologische Aktivitäten in langer Vorzeit wie etwa Vulkanismus diese Wasserverlustmechanismen beeinflusst haben könnten.

Das Modell liefert zudem auch neue Hinweise auf die Bewohnbarkeit des Mars. "Die Ergebnisse beantworten auch, wann er sein Wasser verloren hat", sagt Scheller. Die Autoren sind sich sicher, dass die hydratisierten Mineralien in der Kruste mehr als drei Milliarden Jahre alt sind, was bedeutet, dass der Mars zuvor möglicherweise am bewohnbarsten war. Jede Suche nach Beweisen für früheres Leben sollte daher auf Gesteine ausgerichtet sein, die aus dieser früheren Zeit erhalten geblieben sind.

Scheller schlägt vor, dass sowohl die Curiosity- als auch die Perseverance-Rover in der Lage sein könnten, für diesen Zeitraum nach Proben zu suchen. Insbesondere der Perseverance-Rover, dessen Mission hauptsächlich darin besteht, nach Beweisen für das Leben auf dem Mars zu suchen, wird ein 3,8 Milliarden Jahre altes ehemaliges Seebett erkunden.

"Es wird genau dort untersuchen, welche Mechanismen die Wasserbindung in diesen Mineralien in der Kruste verursacht haben könnten", sagt Scheller. Selbst wenn er die Arbeit nicht alleine erledigen kann, sammelt er Proben, die Wissenschaftler dann im Labor untersuchen könnten.

Erde und Mars begannen als sehr ähnliche feuchte Welten, gingen jedoch drastisch unterschiedliche Wege. Der Verlust von Wasser an hydratisierte Mineralien in der Kruste ist nicht nur auf dem Mars zu beobachten. Das passiert auch ständig auf der Erde. Die Erde profitiert jedoch von der Tatsache, dass ihre tektonischen Platten ihre Krustengesteine aktiv recyceln, wodurch dieses Wasser freigesetzt wird.

Außerdem behielt sie eine dicke Atmosphäre bei, die den Planeten auf der perfekten Temperatur hielt, damit sich das Leben entwickeln und gedeihen konnte. Der Mars hat keine tektonischen Platten und blutete in seiner Atmosphäre, als sein Magnetfeld vor vier Milliarden Jahren erlosch. "Letztendlich ist es diese Tatsache, die man bei der Bewohnbarkeit von terrestrischen Planeten beachten sollte", sagt Scheller. "Sie ist sehr zerbrechlich."

(vsz)