US-Regierung fordert Ausstieg aus der Kohle

Fracking-Anlage des Unternehmens Halliburton, Nord Dakota. Bild (2011): Joshua Doubek/ CC BY-SA 3.0

Bidens Sonderbotschafter schlägt Alarm wegen Kohle, schweigt jedoch zu Frackinggas und historischer Verantwortung

John Kerry, 2013 bis 2017 unter Präsident Barack Obama US-Außenminister und nun Klima-Sonderbotschafter des neuen Präsidenten Joe Biden, hat die Staaten der Welt aufgefordert, sofort aus der Kohle auszusteigen. Das schreibt die australische Zeitung The Sydney Morning Herald.

Die Äußerungen fielen am vergangenen Mittwoch auf einer von der britischen Regierung und der Internationalen Energie Agentur ausgerichteten (Video-)Konferenz. Kerry kündigte zugleich an, dass Joe Biden gegen Ende des Monats die US-Reduktionsziele erheblich verschärfen werde.

Ohne einen sofortigen Ausstieg aus der Kohle seien die Ziele der Pariser Klimaübereinkunft nicht zu erreichen, so Kerry. 2015 hatte sich die große Mehrheit der Staaten darauf geeinigt die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst nicht mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken.

Ein Bericht des UN-Klimarats IPCC hatte 2018 ergeben, dass jenseits von 1,5 Grad globaler Erwärmung – 1,1 bis 1,2 Grad Celsius sind bereits erreicht – die vielfältigen Gefahren für Welternährung, Küstenbewohner und Gesundheit der Weltbevölkerung rasch zunehmen.

Kerry hat ohne Frage Recht, wenn er die besondere Gefährlichkeit der Kohlekraftwerke anspricht, die im globalen Maßstab eine der wichtigsten Quellen für Treibhausgase sind. Doch aus Sicht der USA sagt er damit nur ein Viertel der Wahrheit.

Methan-Lecks

Zum einen geht in den USA der Verbrauch der Kohle schon seit Jahren zurück, weil der Einsatz von Erdgas in den Kraftwerken günstiger ist. Daran konnte nicht einmal die kohlefreundliche Politik von Bidens Vorgänger Donald Trump etwas ändern.

Allerdings stammt das in den USA eingesetzte Erdgas meist aus sogenanntem Fracking. In den letzten Jahren hat aber eine ganze Reihe von Studien gezeigt, dass bei dessen Förderungen größere, bisher eher unterschätzte Mengen Methan entweichen.

Methan ist ein 28fach wirksameres Treibhausgas als CO2, das bei der Verbrennung von Kohle (und im geringeren Maße auch bei der Verbrennung von Erdgas) freigesetzt wird. Unterm Strich sind die US-Gaskraftwerke daher nicht unbedingt klimafreundlicher als die alten Kohlekraftwerke.

Dennoch zielt Kerrys Äußerung insbesondere auf China, wie auch der US-Sender CNN anmerkt. China ist mit Abstand der weltweit größte Kohleverbraucher, allerdings nur, wenn man sich die aktuellen Zahlen anschaut.

Die Kraftwerke stoßen vor allem CO2 aus, das wichtigste da häufigste von Menschen erzeugte Treibhausgas. Anders als Methan bleibt rund die Hälfte des einmal imitierten CO2s für Jahrtausende in der Atmosphäre und wirkt dort weiter, wenn die Emissionen längst eingestellt sind.

Historische Verantwortung

Daher ist eine Berücksichtigung der historischen Emissionen und der mit ihnen verbundenen Verantwortung, wie sie insbesondere auch von der indischen Regierung immer wieder auf dem diplomatischem Parkett eingefordert wird, nicht ganz unwichtig.

Doch dazu war zum anderen von Kerry wieder einmal nichts zu hören, wie auch die deutschen Regierungen das Thema in den nun schon über 30 Jahre währenden Verhandlungen stets vermeiden und wo sie nur können abblocken.

Nach den von Our world in data zusammengetragenen Daten wurden weltweit 1,5 Billionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen. Ein kleinerer Teil davon durch Entwaldung, aber der weitaus überwiegende durch das Verbrennen von Kohle, Erdölprodukten sowie durch die Herstellung von Zement.

Mit 400 Milliarden Tonnen CO2 gingen mit Abstand die meisten dieser historischen Emissionen auf das Konto der USA. Derzeitige Bevölkerung: 332 Millionen. Danach folgt die EU, wenn man die Europäische Union als die Einheit sieht, als die sie bei den internationalen Verhandlungen zum Beispiel über Welthandel oder Klima agiert. 2017 war Großbritannien noch dabei, also wird es mitgezählt: 353 Milliarden Tonnen CO2 historische Emissionen, Bevölkerung: gut 500 Millionen.

Erst dann folgt China mit 200 Milliarden Tonnen CO2. Bevölkerung: 1,44 Milliarden. Auf Platz vier folgt Russland mit 101 Milliarden Tonnen CO2. Bevölkerung: 146 Millionen und schließlich erst auf Platz sechs, noch hinter Japan und mit großem Abstand Indien: 48 Milliarden Tonnen CO2 historisch Emissionen und eine aktuelle Bevölkerung von 1,39 Milliarden Menschen.

Die Zahlen zeigen, dass weder die USA noch die anderen alten Industriestaaten Anlass haben, Forderungen an den Rest der Welt zu stellen, so lange sie sich nicht zu ihrer historischen Verantwortung bekennen.

Tun sie es nicht, werden sie, wie schon in den letzten 30 Jahren, weiter ernsthafte Fortschritte beim Klimaschutz in den internationalen Verhandlungen hintertreiben.

Oder konkreter: Soll Kerrys Appell in China ernst genommen werden, müsste er nicht nur für die sofortige Stilllegung aller Kohlekraftwerke in den USA sorgen, sondern auch Berlin bedrängen, das Gleiche zu tun, und Australien ein verlockendes Angebot unterbreiten, um es zum Ausstieg aus dem Kohleabbau zu bewegen. Doch derlei ist wohl kaum zu erwarten.