Kopano vs. grammm: Streit um Open-Source-Groupware

Oberflächliche Ähnlichkeit kann über reale Verwandtschaft hinwegtäuschen: Die Groupware grammm scheint mehr mit Kopano gemein zu haben, als der Newcomer zugibt.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter Siering

Ende Februar hat grammm seine Exchange-Alternative angekündigt. Wegen auffallender Ähnlichkeit zu Kopano, einer anderen Open-Source-Groupware, hatte c’t das Gespräch mit den Herstellern gesucht. grammm meldete sich schnell, während die Antwort von Kopano erst einige Wochen später kam. Die hat es aber in sich: Die in den Niederlanden beheimatete Firma geht nach eigenen Angaben juristisch gegen den neuen Mitbewerber vor. Kopano wirft grammm vor, Know-how und sogar Code aus einem internen Entwicklungsprojekt zu verwenden, der niemals veröffentlicht worden ist.

Es war optisch schon sehr deutlich: grammm greift für die Weboberfläche seiner Groupware auf die WebApp von Kopano zurück. Auch andere Teile der Software bedienen sich aus dem Sortiment der Niederländer, so baut die Active-Sync-Implementierung auf Z-Push auf, das seinerzeit von Zarafa, dem Vorgänger von Kopano, entwickelt worden ist und heute von vielen Open-Source-Projekten zur Anbindung von Mobilclients verwendet wird. Auch sonst erinnert der grammm-Gesamtfunktionsumfang stark an Kopano.

Im Mail-Austausch mit c’t verwehrten sich die Mitarbeiter der in Wien angesiedelten grammm GmbH sehr dagegen, bei Kopano abgeschrieben zu haben. Sie rechneten vor, dass viele Teile von grammm neu entwickelter Code seien und dass man nur geringe Anteile als Fork übernommen habe, um sich auf eine vollständige Überarbeitung der Innereien der Groupware zu konzentrieren. Der wichtigste Punkt dabei: Schnittstellen, die zu Exchange kompatibel sind, sodass Clients wie Outlook per Exchange-RPCs mit der Groupware kommunizieren.

Auf GitHub hat grammm das gromox-Projekt veröffentlicht. Das ist der wesentliche Kern der neuen Groupware. Wer die Lizenzinformationen sehr genau studiert, findet darin Hinweise darauf, dass gromox sich Programme aus einem Projekt namens Steep-System zu Nutze macht. Das hatte Yang Song Yi schon 2019 auf GitHub veröffentlicht. Es gibt diverse Parallelen zwischen diesem Projekt und gromox. So enthält auch Steep-System eine Variante der WebApp von Kopano, implementiert aber Dienste wie IMAP neu.

Teile von gromox sind also kein Fork von Kopano, sondern von Steep-System, das weitgehend unbemerkt blieb. Delikat wird das Ganze, wenn man weiß, was hinter Steep-System steckt: Laut Kopano hat Yang Song Yi mit anderen Firmen und Entwicklern gemeinsam an Software gearbeitet, die als Forschungs- und Entwicklungsprojekt eingestuft war. Sie sollte im Erfolgsfall langfristig Kernkomponenten von Kopano durch eine Exchange-RPC kompatible Implementierung ablösen.

Die beteiligten Firmen und die Entwickler hatten für dieses Projekt laut Kopano Verträge geschlossen. Die Niederländer wußten nicht nur von dem Versuch, sondern haben ihn offiziell gefördert, aus taktischen Gründen jedoch nicht als offizielles Projekt geführt – die Erfolgsaussichten schätzten die Beteiligten in der Anfangsphase nicht allzu hoch ein. Die Zuversicht, dass es funktioniert, wuchs. Im Jahr 2020 bekamen einige Projektbeteiligte neue Aufgaben im Tagesgeschäft der Kopano-Entwicklung.

Die Groupware von grammm setzt als Kern auf gromox, das ein Fork von Steep-System ist – einem Entwicklungsprojekt, das Kopano angeschoben hat, und das bereits 2019 auf GitHub veröffentlicht wurde.

Die Ankündigung von grammm hat Kopano kalt erwischt. Im Frühjahr 2021 sollte die Software aus dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt zunächst als gehostete Umgebung in einen kommerziellen Probebetrieb gehen. Das hatte die an der Entwicklung beteiligte deutsche Neuberger & Hughes GmbH als Teilhaber bei Kopano so geplant. Bei erfolgreichem Hostingbetrieb sollte das Projekt dann Teil von Kopanos Produkten für den On-Premises-Einsatz werden.

Statt sich diesem Vorhaben zu widmen, haben die Kopano-Teilhaber nun forensisch gearbeitet, um das juristische Vorgehen gegen grammm zu sichern, berichten sie. Ihr Vorwurf: grammm habe nicht nur den als Steep-System veröffentlichen Code benutzt, sondern auch Teile, die nie öffentlich zugänglich waren. Hier steht also Geheimnisverrat im Raum.

Laut Kopano ist die gemeinschaftliche Entwicklung der Software über Verträge abgesichert und lang erfolgreich gelebte Praxis. Das, was aber grammm und die beteiligten Personen, deren Namen man nicht nennt, getan haben, stellt aus Kopanos Sicht eine Urheberrechtsverletzungen dar. Kopano hat den aus seiner Sicht vertragsbrüchigen Firmen und Personen bis zum 12. April 2021 Zeit für eine gütliche Einigung gegeben, sagen die Verantwortlichen. Danach will Kopano Klage anstrengen.

(ps)