Roboter bringt sich selbst das Laufen bei

Autonome Laufroboter gibt es mittlerweile einige. Weit schwieriger ist es, einen Automaten darauf zu trainieren, sein eigener Schüler zu sein.

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(Bild: Hybrid Robotics)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Will Douglas Heaven
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Das Auffälligste an Roboter Cassie sind seine beiden langen Beine. Mit Hilfe von verstärkendem Lernen (Reinforcement Learning), einer Trainingstechnik, die KI komplexes Verhalten durch Versuch und Irrtum beibringt, hat sich Cassie selbst das Laufen gelehrt. Der Roboter lernte von Grund auf eine Reihe von Bewegungen, einschließlich in Hockstellung zu gehen oder während er plötzlich eine Last aufgebürdet bekam.

Aber kann Cassie auch Boogie tanzen? Die Erwartungen an die Fähigkeiten von Robotern sind dank der weitverbreiteten Videos des US-Robotik-Unternehmens Boston Dynamics hoch. Sie zeigen den humanoiden Roboter Atlas, wie er auf einem Bein steht, über Kisten springt und tanzt. Millionen haben diese Videos bereits gesehen, teilweise sogar sie parodiert. Die Kontrolle, die Atlas über seine Bewegungen hat, ist beeindruckend, aber die choreografierten Sequenzen beinhalten wahrscheinlich eine Menge Handarbeit. (Da Boston Dynamics keine Details veröffentlicht hat, ist es schwer zu sagen, wie viel.)

"Durch diese Videos könnten manche Menschen denken, eine solche Aufgabe sei einfach und bereits gelöst", sagt Zhongyu Li von der University of California, Berkeley, der mit seinen Kollegen Cassie entwickelt hat. "Aber wir haben noch einen langen Weg vor uns, bis humanoide Roboter zuverlässig in menschlicher Umgebung arbeiten und leben können."

Cassie kann zwar noch nicht tanzen, aber wenn man dem menschengroßen Roboter beibringt, eigenständig das Gehen zu erlernen, kann er auch leichter verschiedenste Böden meistern und sich besser regenerieren, wenn er zum Beispiel stolpert.

Durch ein Spiel, bei dem einer versucht, den anderen zu überlisten, können die Bots des Unternehmens der Non-Profit-Organisation OpenAI lernen, eine Vielzahl von Problemen zu lösen, ohne dass sie umgeschult werden müssen.

So haben auch viele Bots mit Hilfe von Reinforcement Learning gelernt, in Simulationen zu laufen. Diese Fähigkeit aber auf die reale Welt zu übertragen, ist schwierig. "Viele Videos sind überhaupt nicht realistisch", sagt Chelsea Finn, eine KI- und Robotik-Forscherin an der Stanford University, die nicht an dem Projekt beteiligt war. Kleine Unterschiede zwischen den simulierten physikalischen Gesetzen innerhalb einer virtuellen Umgebung und den realen physikalischen Gesetzen draußen - etwa die Reibung zwischen den Füßen eines Roboters und dem Boden - können zu großen Fehlern führen, wenn ein Roboter dann versucht, das Gelernte anzuwenden. So verliert ein schwerer zweibeiniger Roboter leicht das Gleichgewicht und stürzt, wenn seine Bewegungen auch nur ein winziges bisschen unkoordiniert sind.

Es wäre allerdings gefährlich, einen großen Roboter durch Versuch und Irrtum in der realen Welt zu trainieren. Deshalb arbeitete das Berkeley-Team auf zwei virtuellen Ebenen. In der ersten lernte eine simulierte Version von Cassie zu laufen, indem sie auf eine große Datenbank von Roboterbewegungen zurückgriff. Diese Simulation wurde dann auf die zweite Ebene namens SimMechanics übertragen. Sie spiegelt die Physik der realen Welt sehr genau wider - allerdings auf Kosten der Laufgeschwindigkeit. Erst als Cassie sich dort gut zu bewegen schien, wurde das erlernte Laufprogramm in den realen Roboter geladen.

Die echte Cassie konnte mit dem in der Simulation gelernten Modell ohne Nachbesserungen laufen. Sie konnte unwegsames und rutschiges Gelände meistern, Lasten tragen und ihren Gang auch dann fortsetzen, nachdem sie ein Stück geschoben worden war. Während der Tests beschädigte Cassie zwar zwei Motoren in ihrem rechten Bein, konnte aber ihre Bewegungen daran anzupassen und den Ausfall kompensieren. Finn sieht in dem Projekt einen spannenden Ansatz, ebenso wie Edward Johns, der das Robot Learning Lab am Imperial College London leitet. "Dies ist eines der erfolgreichsten Beispiele, die ich kenne", sagt er. Das Team in Berkeley hofft, mit ihrem Ansatz Cassies Bewegungsrepertoire nach und nach zu erweitern. Aber bis zu einem Tanzturnier wird es wohl noch eine Weile dauern.

(bsc)