Argumente für einen schnellen Kohleausstieg

Die Energie- und Klimawochenschau: Bundesregierung unter Zugzwang, eine neue Klimaklage und ein Kipppunkt im Amazonas

Im April war es in Deutschland nicht nur gefühlt, sondern auch im langjährigen Mittel deutlich zu kalt. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) handelte es sich um den kältesten April seit 40 Jahren mit 1,3 Grad weniger als in der Referenzperiode 1961 und 1990.

"Auch in Zeiten der Erderwärmung ist ein deutlich zu kühler Monat zwar seltener, aber immer möglich. Dieser April ändert nichts am Trend. Seit Aufzeichnungsbeginn 1881 hat sich die Monatsmitteltemperatur im April in Deutschland um knapp zwei Grad erhöht", erklärt Uwe Kirsche, Pressesprecher des DWD dazu.

Leider war der April 2021 gleichzeitig zu trocken, so dass die Böden auch weiterhin ihre Wasserspeicher nicht wieder auffüllen konnten. Die Menge der Niederschläge war um 40 Prozent geringer als in der Referenzperiode 1961 bis 1990. Und hier lag der April 2021 wieder voll im Trend: Seit 2009 fällt der Frühlingsmonat in Deutschland zu trocken aus.

Nachbesserung am Klimaschutzgesetz noch vor der Wahl?

Bereits in der vergangenen Woche wurde über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Klimaschutz berichtet. Das Urteil verpflichtet die Bundesregierung, die CO2-Reduktionsziele bis Ende 2022 zu präzisieren.

Dies gilt vor allem für fehlende Angaben über das Jahr 2030 hinaus, doch auch für den Zeitraum bis 2030 muss nachgebessert werden. Dem Gebot der Verhältnismäßigkeit folgend müsste die Bundesregierung die nötigen Reduktionen bis zur Klimaneutralität "vorausschauend in grundrechtsschonender Weise über die Zeit" verteilen.

Nun ist die spannende Frage, ob sich noch die amtierende Bundesregierung auf Nachbesserungen beim Klimaschutz einigen wird oder ob sie den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschiebt. Bundesumweltministerin Svenja Schulze kündigte an, noch vor dem Sommer Eckpunkte für ein weiterentwickeltes Klimaschutzgesetz vorzulegen.

Gibt es vor der Wahl keine Einigung, wird möglicherweise eine schwarz-grüne oder grün-schwarze Koalition diese Aufgabe bewältigen müssen. Wie ambitioniert Grün-Schwarz sich in Sachen Klimaschutz gibt, werden wir diese Woche noch im neu verhandelten Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg lesen können. Dort haben sich die beiden Regierungsparteien auf eine Fortführung ihres Bündnisses geeinigt.

Die Tageszeitung Neues Deutschland weist darauf hin, dass die meisten Projekte im neuen Koalitionsvertrag, wenn sie denn mit Kosten verbunden sind, unter einem Haushaltsvorbehalt stehen werden. Das bedeutet allerdings, dass der Klimaschutz einmal mehr der Wirtschaft untergeordnet wird oder auch pandemiebedingten Haushaltslöchern geopfert werden kann.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat gleich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein Sofortprogramm vorgelegt, mit dem "Hunderte Millionen Tonnen CO2" bis 2030 eingespart werden könnten und das noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden könnte.

Zu den acht Punkten zählt unter anderem ein Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030, ein Baustopp für Flüssiggasterminals sowie für Nord Stream 2, ein Zulassungsende für PKW mit Verbrennungsmotor im Jahr 2025 und ein Tempolimit auf Autobahnen von 120 km/h. Vorschläge für eine schnelle Reform des Klimaschutzgesetzes kommen auch von der Agora Energiewende.

Diese beinhalten, das Klimaziel für 2030 auf minus 65 Prozent zu erhöhen sowie weitere Zwischenziele auf dem Weg zur Klimaneutralität, und zwar minus 77 Prozent für 2035 und minus 90 Prozent für 2040.

Klimaklage in Großbritannien

Die Verfassungsbeschwerde zum Klimaschutz in Deutschland war international weder die erste noch die letzte Klimaklage. In Großbritannien haben am 1. Mai drei junge Menschen Klage gegen Premierminister Boris Johnson, Finanzminister Rishi Sunak und Energieminister Kwasi Kwarteng eingereicht.

Beschuldigt werden die Politiker, den Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen nicht gerecht zu werden, wodurch das Recht auf Leben und Familienleben der Klagenden verletzt würde, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert werden.

Unterstützung erhalten die Klagenden von der Organisation Plan B und der Stop The Maangamizi Kampagne. Die Untätigkeit der britischen Regierung zeige sich darin, dass diese neue Öl- und Gasförderlizenzen vergeben hat, 27 Milliarden Pfund in den Straßenbau investiert und den Luftverkehr ausbauen möchte. Auch Finanzgeschäfte würden nicht am Pariser Klimaziel ausgerichtet.

Außerdem würde Großbritannien nicht der Verpflichtung gerecht, die Länder des globalen Südens bei der Anpassung an den Klimawandel sowie der Kompensation von Schäden und Verlusten zu unterstützen. Die Klage wurde beim High Court eingereicht, die Regierung hat 21 Tage Zeit, darauf zu erwidern. Danach wird das Gericht über eine etwaige Anhörung entscheiden.

Aus für die Kohle durch höhere Zertifikatspreise?

Wie schon in den Forderungen der DUH erwähnt, wäre ein früherer Kohleausstieg ein wichtiger Baustein für eine zügige Emissionsreduktion. Das sieht nicht nur der Umweltverband so, sondern auch der Vorsitzende der Internationalen Energieagentur Fatih Birol, allerdings bezogen auf den globalen Maßstab. Gegenüber The Independent bezeichnete Birol den Kohleausstieg als das wichtigste Thema in Vorbereitung auf die Klimakonferenz von Glasgow in diesem Jahr.

Die IEA erwartet einen steilen Anstieg von CO2-Emissionen in diesem Jahr, insbesondere für Kohle wird ein Anstieg der Nachfrage um 60 Prozent prognostiziert.

Für die Betreiber der deutschen Kohlekraftwerke könnte relevant werden, wie das neue CO2-Reduktionsziel der Europäischen Union von minus 55 Prozent bis zum Jahr 2030 umgesetzt wird. Konsequenterweise müsste die EU die Menge der Emissionszertifikate in ihrem Handelssystem ETS verknappen.

Das wiederum könnte ein vorzeitiges Aus für die Kohleverstromung bedeuten, haben Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung berechnet. Ganz einfach, weil Kohlestrom nicht mehr wirtschaftlich produziert werden könnte. Der CO2-Preis müsste nach den Berechnungen der PIK-Wissenschaftler bis 2030 auf 130 Euro pro Tonne steigen.

"Das wäre das Ende der Kohleverstromung, wie wir sie kennen - nämlich nur noch 17 Terrawattstunden im Jahr 2030, lediglich zwei Prozent des Niveaus von 2015", so Sebastian Osorio, einer der Hauptautoren der Studie. Kohlekraftwerke würden in dem Fall auch kaum noch durch Gaskraftwerke ersetzt. "Bei CO2-Preisen von über 100 Euro pro Tonne CO2 erwarten wir, dass die gasbasierte Stromerzeugung bis 2030 auf weniger als 40 Prozent des Wertes von 2015 sinkt, und bis zum Jahr 2045 sogar auf weniger als vier Prozent", so Robert Pietzcker, ebenfalls Hauptautor der Studie.

Den Computermodellen des PIK zufolge würden die erneuerbaren Energien bereits 2030 drei Viertel des Stroms in der EU erzeugen, und bis 2040 könnte der Stromsektor das Ziel der Nullemissionen erreichen. Und noch eine positive Botschaft kam in der vergangenen Woche vom PIK: Gerechte Klimapolitik kann Menschen aus der extremen Armut heraushelfen. Die Betonung liegt hier allerdings auf "gerecht".

In der in Nature Communications veröffentlichten Studie schlagen die Wissenschaftler:innen eine Klimadividende vor, mit der die Einnahmen aus Emissionszertifikaten wieder als Pro-Kopf-Prämie ausgeschüttet werden. Die ärmere Bevölkerung, die weniger Treibhausgase emittiert, bekommt unter dem Strich mehr heraus als die reichere.

Das Modell ist nicht neu, wird hier aber um Finanztransfers von Industrieländern an arme Länder ergänzt. Ohne solche Umverteilung kann Klimaschutz für die ärmsten Teile der Weltbevölkerung auch als Belastung ausfallen, da er zu höheren Energie- und Lebensmittelpreisen führen kann.