Koalition einig: Geheimdienste dürfen bald mit Staatstrojanern spionieren

Neben dem Verfassungsschutz werden auch BND und MAD bei WhatsApp & Co. mitlesen können, haben CDU/CSU und SPD nach langem Streit vereinbart.

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(Bild: M.Moira / Shutterstock.com)

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Die große Koalition will den seit Monaten umstrittenen Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur "Anpassung des Verfassungsschutzrechts" doch noch zeitnah im Bundestag beraten und beschließen. Damit sollen neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dem Bundesnachrichtendienst (BND) sowie dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) auch alle Geheimdienste der Bundesländer die Befugnis erhalten, mithilfe von Staatstrojanern Messenger-Kommunikation etwa via WhatsApp, Signal oder Threema sowie Internet-Telefonate und Video-Calls abzuhören.

Der Entwurf vom Oktober lag lange auf Eis. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese hatte der Spitze der CDU/CSU-Fraktion im Januar vorgeworfen, "die längst geeinigte und dringend nötige Novelle des Verfassungsschutzgesetzes in Geiselhaft" zu nehmen, um das beim Koalitionspartner "ungeliebte Unternehmensstrafrecht" zu verhindern. CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus werde so zum "Sicherheitsrisiko", da den Behörden "wichtige Instrumente fehlen".

Nun sei bei koalitionsinternen Verhandlungen der Durchbruch bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) für die Geheimdienste und beim Sanktionsrecht für Firmen erfolgt, berichten Welt und Spiegel. Der MAD soll demnach künftig ferner eigene Informationen ins Nachrichtendienstliche Informationssystem (Nadis) einspeisen dürfen, damit der Austausch zwischen den Behörden besser gelingt.

"Es ist sehr wichtig, dass die Verfassungsschutznovelle jetzt noch kommt", erklärte der Innenexperte von CDU/CSU, Mathias Middelberg, der Welt. Bei der Reform handle es sich um einen zentraler Baustein bei der "besseren Bekämpfung von Rechtsextremismus und Islamismus". Es dürfe keinen Unterschied machen, ob Terroristen normale Telefone oder Skype und WhatsApp nutzten. Auch Wiese zeigte sich nun zufrieden und sprach von einem "wichtigen Signal", dass nach der Grundsatzverständigung zwischen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) die parlamentarische Arbeit nun starten könne.

Bei der Quellen-TKÜ dürfen die Behörden die laufende Kommunikation direkt am gehackten Endgerät abgreifen, bevor sie ver- oder nachdem sie entschlüsselt wurde. Die Regierungsinitiative sieht hier eine erweiterte Variante vor, wonach die Agenten auch auf gespeicherte Chats und Mails zugreifen könnten. Anbieter von Telekommunikationsdiensten sollen die "berechtigten Stellen" zudem dabei unterstützen, "technische Mittel" wie Staatstrojaner zur Quellen-TKÜ "einzubringen" und die Kommunikation an sie umzuleiten. Ob die Koalition hier noch Änderungen plant, ist bislang offen.

Datenschützer, Bürgerrechtler und Provider kritisierten den Plan der Regierung im Herbst scharf. "Es besteht die Gefahr, dass das Ausmaß der staatlichen Überwachung in der praktischen Anwendung das für eine Demokratie erträgliche Maß übersteigt", warnte etwa der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber. Die Initiative enthalte viele Mängel und schneide tief in die Grundrechte ein.

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Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz lehnt das Vorhaben entschieden ab: "Die Bundesregierung hat es bis heute verpasst, die zahlreichen offenen Fragen in Bezug auf den Einsatz der 'Quellen-TKÜ' zu klären", monierte der Oppositionspolitiker angesichts der aktuellen Meldungen. "Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt sie seit Jahren nicht um. Auf parlamentarische Fragen verweigert sie Antworten pauschal."

Schon im Polizeibereich bestünde "massive Rechtsunsicherheit" beim Einsatz von Staatstrojanern, warnte von Notz. Diese führe dazu, dass das Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwalt das "angeblich elementare Ermittlungsinstrument" in den vergangenen Jahren nicht verwendet hätten. "Statt die IT-Sicherheit so massiv zu gefährden, müssen wir den staatlichen Handel mit und die Nutzung von nicht gemeldeten Sicherheitslücken beenden und ein System zu Meldung für diese einführen." Im Bereich der Strafverfolgung stand zumindest der Vorstand der Bundespartei im Entwurf für das Wahlprogramm der Quellen-TKÜ aber offen gegenüber.

(jk)