EU-Kommission nimmt neuen Anlauf gegen Steuertricks

In der EU tätige Konzerne sollen ihre effektiven Steuersätze veröffentlichen. Geplant ist eine einheitliche Körperschaftssteuer.

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Euroscheine

(Bild: AlAnton/Shutterstock.com)

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Die EU-Kommission möchte die Unternehmensbesteuerung reformieren, um legale Steuervermeidung zu erschweren. Entstehen sollen mittelfristig steuerliche Regeln für das 21. Jahrhundert, die besonders der Digitalisierung und der Globalisierung der Wirtschaft Rechnung tragen. Zudem sollen Steuern als zur Eindämmung des Klimawandels und der Schonung natürlicher Ressourcen anhalten.

In ihrer Mitteilung über die Unternehmensbesteuerung vom Dienstag kündigt die Kommission einige Initiativen auf kürzere Sicht an. Nächstes Jahr möchte sie konkrete Normen vorschlagen, wonach "bestimmte in der EU tätige Großkonzerne ihre effektiven Steuersätze veröffentlichen müssen". Der EU-Ministerrat hat sich bereits auf eine Pflicht für Großunternehmen verständigt, über ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Geschäftsland öffentlich zu berichten.

Diese Schritte sollen Kontrolle über "aggressive Steuerplanungsstrategien" ermöglichen und politischen Entscheidungsträgern besseren Überblick über gezahlte Beiträge verschaffen. Zugleich will die Kommission den Missbrauch von Briefkastenfirmen für steuerliche Zwecke mit einem noch in diesem Jahr fälligen Entwurf bekämpfen. Vorgesehen sind neue Überwachungs- und Berichtsvorschriften für solche Konstrukte, damit Steuerbehörden ihrer Aufsichtspflicht besser nachkommen können.

Den EU-Ländern empfiehlt die Kommission, Unternehmen Verlustrückträge zumindest auf das vorangegangene Geschäftsjahr zu gestatten. Dies soll Firmen zugutekommen, die in den Jahren vor der Corona-Pandemie rentabel waren, sodass sie ihre 2020 und 2021 erlittenen Verluste mit den Steuern verrechnen können, die sie vor 2020 gezahlt haben.

Zugleich will die Brüsseler Regierungseinrichtung die Eigenkapitalfinanzierung von Unternehmen fördern. Diese soll nicht länger gegenüber Zinsen als Fremdkapitalkosten schlechter gestellt werden. So könnten steuerliche Fehlanreize zugunsten der Schuldenfinanzierung beseitigt werden. Dieser Teil des Pakets birgt laut Kritikern das Risiko erheblicher Steuermindereinnahmen.

Mittelfristig soll ein einheitlicher Rechtsrahmen für die Besteuerung von Unternehmen in der Europäischen Union geschaffen werden. Besteuerungsrechte sollen zwischen den Mitgliedstaaten nach einer festen Formel aufgeteilt werden. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Sie hofft auf eine Abgabe für die 100 größten Unternehmen, die bis zu 500 Milliarden Euro pro Jahr generieren könnte.

Ferner möchte die Kommission mit einer Mindest- und Digitalsteuer Geld direkt für die EU einheben. Dieses Vorhaben soll eng verbunden werden mit den laufenden Verhandlungen zur globalen Unternehmenssteuerreform bei der OECD. Steuerinitiativen erfordern die einstimmige Unterstützung der EU-Regierungen. Bisher haben sich vor allem Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, die Niederlande und Schweden offen gegen einschlägige Gesetzesvorhaben ausgesprochen.

Der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) bezeichnete das Papier als wenig revolutionär. Einheitliche Regeln zur Ermittlung des zu versteuernden Gewinns wären zwar "ein echter Mehrwert" für den Binnenmarkt. Die Kommission habe sich mit ähnlichen Vorschlägen aber bereits eine blutige Nase geholt.

Von einem ambitionierten und mutigen Vorhaben sprach der Finanzexperte der Grünen im EU-Parlament, Sven Giegold. Er fordert, das Einstimmigkeitsprinzip bei Steuerfragen aufzuheben. Im Zuge der Coronakrise seien die öffentlichen Kassen leer: Die EU könne es sich daher nicht leisten, nötige Reformen weiter zu verzögern. Bei den OECD-Gesprächen müsse sich Europa entschlossener einbringen.

Kommissionsvize Valdis Dombrovskis erklärte, dass eine OECD-Einigung den angekündigten Initiativen "mehr Schwung" verleihen würde. Besteuerung im Bereich Umwelt werde immer wichtiger. Langfristig sei entscheidend, die 27 nationalen Steuergesetze auf eine Linie zu bringen. "Jetzt oder nie", gab Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni als Motto aus. Auch ohne Konsens auf OECD-Ebene werde es verschiedene EU-Richtlinien geben, aber ein internationales Vorgehen wäre ein "enormer Antrieb". Eine starke Verzerrung des Binnenmarkts, die laut Artikel 116 des EU-Vertrags ein Einschreiten der Kommission auch gegen das Nein einzelner Mitgliedsstaaten ermöglichen würde, liegt dem Italiener in Steuerangelegenheiten noch nicht vor.

(ds)