Neues aus dem Make-Labor: Audiophobie

Immer Mittwochs berichten wir über spannende Erkenntnisse, neue Bauteile und Tools, raffinierte Schaltungskniffe und zukünftige Projekte.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Carsten Meyer

Heinrich ist, das kann man ohne Übertreibung sagen, einer der wenigen Universalfrickler in der Bastelszene: Egal, ob es den Vergaser eines DeTomaso zu reparieren, eine PA-Anlage zu entstören oder den CAN-Bus eines elektrischen Außenbordmotors zu analysieren gilt, Heinrich kann das. Durch seine szeneweiten Kontakte landen bei ihm bisweilen Dinge mit zweifelhaftem Gebrauchswert, die an seinem Erbarmen rühren, aber letztendlich nur seinen Bastelkeller zu verstopfen drohen.

Als ich ihn neulich wegen einer seiner richtungsweisenden Erfindungen besuchte, standen zwei mächtige, gar nicht so alte Audio-Endstufen in der Nähe zur Eingangstür, was für dort gelagerte Geräte das baldige Ende auf dem Wertstoffhof bedeutet. Die Endstufen seien bei einem Veranstalter übrig geblieben, und es fehlte ihm die rechte Lust, sie zu reparieren. Ich warf ein, dass ich sie für ein Projekt gebrauchen könnte, und nahm sie mit. Zum Transport brauchte man eine Sackkarre, jeder der Mono-Blöcke wog um die 40kg. Das Gewicht des verbauten Ringkerntrafo-Monsters versprach Ausgangsleistungen im Kilowatt-Bereich.

Eine nähere Betrachtung der Leistungsdaten brachte allerdings Ernüchterndes zutage: Ganze 300W leistet jeder Koloss an 4 Ohm. Dafür verballern die High-End-mäßig auf Klasse A eingestellten Gegentakt-Ausgangsstufen schon im Ruhezustand um die 800W und ersetzen damit einen Heizlüfter auf mittlerer Stufe. Welcher Diskothekenbetreiber lässt sich denn so etwas aufschwatzen? Moderne PA-Endstufen der Sub-kW-Leistungsklasse wiegen heute dank Schaltnetzteil und Class-D-Endstufen keine 5kg mehr.

Ein zusätzlicher Widerstand von 10 bis 18kOhm verringert den Ruhestrom der Endstufe merklich.

Die verwerflich hohe Leerlauf-Stromaufnahme der ganz konventionell aufgebauten Materialschlacht ließ sich übrigens durch einen kleinen Eingriff auf unter 50W drücken. Einfach einen Widerstand einlöten – zwischen Basis und Kollektor jenes Transistors, der den Ruhestrom stabilisiert (hier waren es 10 bis 18k). Der Ruhestrom sank dadurch von über 1A auf moderate 50mA, während der Klirrfaktor durch diese Aktion nur von 0,025 auf 0,03 Prozent stieg. Im Dauerbetrieb bedeutet das eine jährliche Ersparnis von 7000kWh oder rund 2000 Euro!

Das interessierte Lesy mag sich jetzt noch fragen, was denn an den Endstufen nun eigentlich defekt war. Der chinesische Hersteller Vincent hatte zwar überall richtig geklotzt und sogar fette rote Folienkondensatoren in Wima-Optik zur Kopplung verbaut, aber ausgerechnet am Schalter für die XLR-Cinch-Eingangsumschaltung gespart. Dessen Zuverlässigkeit lag gleichauf mit Lichtmaschinen von Lucas, dem Erfinder des Wackelkontakts.

Nun noch zu etwas völlig anderem: Unser geschätzter Ex-c't-Zweitchefredakteur Detlef "der" Grell konvertierte im Ruhestand zu einem freudigen Modifikator für elektrische Gitarren und Bodeneffektgeräte. Für sein Tretminen-Sortiment hatte er eine Schaltung entworfen und zur baldigen Veröffentlichung im Make-Magazin vorgesehen, die Pegelunterschiede von unterschiedlichen Gitarren und Effekt-Tretern auffängt und für eine solide Grundverstärkung sorgt.

Prototyp der Gitarren-Vorstufe zum EInbau in einen "Bodentreter".

Beim Ausprobieren seiner auf einem Operationsverstärker basierenden Schaltung traf ich auf ein bekanntes Problem: Sie mochte ausgangsseitig keine längeren Anschlusskabel. Zirpende Geräusche und starkes Rauschen deuteten auf wilde Schwingungen hin, zu denen sich selbst der zahme TL072 hinreißen ließ. Nur bei kurzen Patch-Kabeln herrschte die erwartete Ruhe.

Merke: OpAmps mögen keine kapazitiven Lasten. Je schneller der OpAmp, desto ungehobelter reagiert er darauf. Kabel aber haben immer auch einen kapazitiven "Belag", der durchaus in der Gegend von einigen nF liegen kann. Ein simpler 100-Ohm-Widerstand am Ausgang (also in Reihe zum Kabel) wirkt dann Wunder: Der OpAmp "sieht" dann bei höheren Frequenzen einen akzeptablen ohmschen Anteil und keinen Quasi-Kurzschluss.

Kleine (einfache) Erklärung: Bei stark kapazitiver Last kann die Ausgangssufe im OpAmp nur zeitverzögert dem Eingangssignal folgen. Das wiederum versucht der Eingang auszugleichen, worauf die Endstufe schließlich über das Ziel hinausschießt. Der Vorgang schaukelt sich schließlich zu starken Schwingungen auf. Das Problem ergibt sich übrigens auch, wenn einem schnellen OpAmp eine langsamere Pufferstufe folgt, die mit im Rückkopplungszweig liegt. Für eine stabile Arbeitsweise muss alles, was außerhalb des OpAmps rückgekoppelt wird, schneller sein als der OpAmp selbst. Wer es ausführlicher haben möchte: Der großartige Jim Williams hat dies in einer Application Note von Linear Technologies umfassend dargelegt.

(cm)