Nach der Trump-Sperre: Wie Facebook künftig seine Plattform reguliert

Facebook hat den Ex-Präsidenten offiziell für zwei Jahre gesperrt. Doch die Entscheidung wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Fünf zentrale Antworten.

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(Bild: Lukasz Stefanski/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Abby Ohlheiser
  • Eileen Guo
Inhaltsverzeichnis

In der letzten Woche gab Facebook bekannt, dass es den ehemaligen US-Präsidenten Donald J. Trump für zwei Jahre, mindestens bis zum 7. Januar 2023, aus dem sozialen Netzwerk aussperren wird. Eine Wiederzulassung sei nur möglich, "wenn es die Umstände erlauben".

Die Ankündigung kommt als Reaktion auf die Empfehlungen, die letzten Monat von Facebooks kürzlich geschaffenem, unabhängigen "Oversight Board" ausgesprochen wurden. Das soziale Netzwerk hatte gehofft, dass das Gremium abschließend bestimmen würde, wie mit Trumps Konto umzugehen sei. Doch während es die ursprüngliche Entscheidung des Unternehmens, Trump am 6. Januar wegen Anstiftung zur Gewalt von der Plattform zu entfernen, aufrechterhielt, schob es die langfristige Verantwortung an die Führungskräfte in Palo Alto zurück.

Die Nachricht, dass Trump für weitere 19 Monate von Facebook gesperrt werden würde, lässt viele Fragen offen. Wie reguliert das größte soziale Netzwerk der Welt Politiker und ihre Äußerungen? Aktuell scheint quasi niemand zufrieden zu sein, weder Trump-Gegner noch Befürworter einer strikten freien Meinungsäußerung.

Obwohl die Ankündigung einige tatsächliche Regeln durchscheinen lässt, wie Politiker Facebook künftig nutzen können - und Hinweise darauf, wie diese Regeln durchgesetzt werden - hat die Entscheidung, Trump für mindestens zwei Jahre zu sperren, bei Netzbeobachtern für Frustration gesorgt.

Interessengruppen wie Ultraviolet und Media Matters, die Facebook seit langem dazu drängen, Trump zu sperren, veröffentlichten Erklärungen, in denen sie sagten, dass nur ein dauerhaftes Verbot angemessen sei. Unterdessen fühlen sich die Leute, die jede Regeldurchsetzung gegen konservative Politiker als Beweis dafür sehen, dass Facebook Inhalte aus diesem politischen Spektrum bestraft, in ihrer Haltung bestätigt. Für Trump ist vor allem wichtig bleibt, dass er womöglich eine Chance hat, rechtzeitig zum Wahlzyklus 2024 bei Facebook wieder online sein wird.

Aus der Entscheidung des Oversight Board ergeben sich fünf zentrale Fragen, die Technology Review im Folgenden beantwortet.

Viele Plattformen, einschließlich Facebook, haben eine "Nachrichtenwert"-Ausnahme verwendet, um die Durchsetzung ihrer eigenen Regeln gegen Politiker und Staatsoberhäupter außer Kraft zu setzen. Sind solche Personen wichtig für die öffentliche Debatte, dürfen sie mehr auf der Plattform tun als normale Bürger. Die Ankündigung von Facebook bringt einige Änderungen mit sich, wie dieses Schlupfloch in Zukunft genutzt werden kann. Erstens, so Facebook, wird künftig ein Hinweis veröffentlicht, wenn das Netzwerk die Regel auf ein Konto anwendet. Und zweitens wird Facebook Inhalte, die von Politikern gepostet werden, nun nicht grundsätzlich anders behandeln als Inhalte, die von "normalen" Personen gepostet werden.

Facebook führte diese Richtlinie Ende 2016 formell ein, nachdem es ein berühmtes Foto aus dem Vietnamkrieg zensiert hatte, weil es Nacktheit enthielt. Die Ausnahme "Nachrichtenwert" entwickelte sich jedoch zu einer pauschalen Ausnahme für Politiker, einschließlich Trump, die es ermöglichte, dass regelwidrige Inhalte online bleiben konnten. Sie wurden als von öffentlichem Interesse betrachtet. Die neue Facebook-Ankündigung scheint diesen pauschalen Schutz zu beenden, beseitigt ihn aber nicht vollständig und geht nicht näher darauf ein, wie Facebook künftig bestimmen wird, ob ein Posting unter die Ausnahme fällt.

Die Ankündigung wurde von Nick Clegg, dem Vice President of Global Affairs des Unternehmens (und britischer Ex-Politiker), verfasst, nutzt aber durchgehend ein "Wir". Es wird jedoch nicht angegeben, wer bei Facebook in den Entscheidungsprozess involviert war - was angesichts der kontroversen Natur der Entscheidung wichtig für die Transparenz und Glaubwürdigkeit wäre.

"Wir wissen, dass die heutige Entscheidung von vielen Menschen auf verschiedenen Seiten der politischen Spaltung kritisiert werden wird - aber unsere Aufgabe ist es, eine Entscheidung so angemessen, fair und transparent wie möglich zu treffen", schrieb Clegg.

Das Statement besagt auch, dass das Unternehmen sich an "Experten" wenden wird, um "zu beurteilen, ob das Risiko für die öffentliche Sicherheit zurückgegangen ist" – ohne zu spezifizieren, welche Experten dies sein werden, welche Expertise sie mitbringen werden, oder wie Facebook (beziehungsweise – erneut – wer bei Facebook) Entscheidungsbefugnis auf der Grundlage ihrer Erkenntnisse haben wird. Das Oversight Board, das unter anderem dazu gedacht war, umstrittene Entscheidungen auszulagern, hat bereits signalisiert, dass es diese Rolle nicht übernehmen will.

Das bedeutet, dass es besonders wichtig ist, zu erfahren, wessen Stimme für Facebook von Bedeutung ist und wer die Autorität hat, diesen Ratschlägen Folge zu leisten - vor allem, wenn man bedenkt, wie viel auf dem Spiel steht. Konfliktbeurteilung und Gewaltanalyse sind Spezialgebiete – und zwar solche, in denen die bisherige Vorgehensweise von Facebook nicht gerade Vertrauen erweckt. Vor drei Jahren warfen die Vereinten Nationen dem Unternehmen beispielsweise vor, "langsam und ineffektiv" auf die Verbreitung von Hass im Internet zu reagieren, die zu Angriffen auf die Minderheit der Rohingya in Myanmar führte. Facebook gab einen unabhängigen Bericht bei der gemeinnützigen Organisation "Business for Social Responsibility" in Auftrag, die die Vorwürfe der UN bestätigte.

Der Rohingya-Bericht, der im Jahr 2018 veröffentlicht wurde, wies auf die Möglichkeit von Gewalt bei den US-Wahlen 2020 hin und empfahl Schritte, die das Unternehmen durchführen könnte, um sich auf solche "vielfältigen Eventualitäten" vorzubereiten. Facebook-Führungskräfte räumten damals ein, dass "wir mehr tun können und sollten". Aber im Laufe des Wahlkampfs 2020, nachdem Trump die Präsidentschaft schließlich verloren hatte und im Vorfeld der Sperre vom 6. Januar machte das Unternehmen wenig Anstalten, nach diesen Empfehlungen zu handeln.

Die begrenzte Natur des Verbots sorgt dafür, dass die Entscheidung weiter kontrovers diskutiert werden wird – bis es möglicherweise noch unbequemer für Facebook ist, als es bereits ist. Falls das soziale Netzwerk nicht beschließen sollte, das Verbot auf der Grundlage seiner Definition von "Bedingungen, die eine Verlängerung erlauben" aufrecht zu halten, wird es gerade rechtzeitig zur Vorwahlsaison des nächsten US-Präsidentschaftswahlzyklus aufgehoben. Da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen, unken Beobachter. (bsc)