Diese Frau wird entscheiden, welche Emojis wir künftig nutzen

Als Leiterin des Emoji-Subkomitees des Unicode-Konsortium hat Jennifer Daniel eine Vision, wie die Bildzeichen für alle funktionieren können. TR sprach mit ihr.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 223 Kommentare lesen

Jennifer Daniel mit Emojis.

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Tanya Basu

Emojis sind längst Teil unserer Sprache geworden. Egal ob Textnachrichten, Instagram-Postings oder TikTok-Videos – überall verwenden wir ursprünglich aus Japan stammenden Bildzeichen, um unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Der aktuelle Emoji-Katalog umfasst fast 3.000 Symbole, die fast alles umfassen – von Emotionen über Essen, Naturphänomene und Flaggen bis hin zu Menschen in verschiedenen Lebenssituationen.

Hinter all diesen Emojis steht das Unicode-Konsortium, eine gemeinnützig arbeitende Gruppe von Hard- und Softwarefirmen, die Standards für IT-Systeme beschließt und fördert, so dass man in jedem Land der Welt Tastaturen verwenden und Texte tippen kann, die möglichst überall gleich aussehen. Mittlerweile ist Unicode aber wahrscheinlich besonders dafür bekannt, dass es der Gatekeeper für Emojis ist: Das Konsortium standardisiert und genehmigt sie oder lehnt neue ab.

Jennifer Daniel ist die erste Frau an der Spitze des Emoji-Subkomitees des Unicode-Konsortiums und eine glühende Verfechterin inklusiver wie durchdachter Emojis. Bekannt wurde sie zunächst durch die Einführung von "Mx. Claus", einer gendergerechten Alternative zum Weihnachtsmann und seiner vor allem in den US bekannten Ehefrau Mrs. Claus. Sie hat aber auch eine geschlechtsneutrale Person eingeführt, die ein nicht geschlechtsspezifisches Baby stillt – und ein männliches Gesicht, das einen Brautschleier trägt.

Nun ist Daniel auf einer Mission, Emoji in eine post-pandemische Zukunft zu bringen, in der sie so breit wie möglich repräsentativ für die Menschheit sind. Das bedeutet, dass sie eine zunehmend öffentliche Rolle einnehmen wird. "Es gibt hier keine Präzedenzfälle", sagt Daniel über ihre Arbeit. Im Interview mit TR erläutert die Emoji-Chefin ihre Aufgabe und ihre Ziele.

Was bedeutet es, dem Unterkomitee für Emojis vorzustehen? Was macht man da so?

Der Job ist nicht sexy (lacht). Ein großer Teil der Arbeit ist die Administration von freiwilligen Mitarbeitenden [das Komitee besteht aus Freiwilligen, die Anträge prüfen und bei der Genehmigung und Gestaltung helfen, Anm. d. Red.]. Es gibt jede Menge Papierkram und jede Menge Meetings. Wir treffen uns zweimal pro Woche. Ich lese viel und spreche mit vielen Leuten. Vor kurzem habe ich mit einem auf Gesten spezialisierten Linguisten gesprochen, um zu erfahren, wie Menschen in verschiedenen Kulturen ihre Hände benutzen. Wie können wir bessere Handgesten-Emojis schaffen? Wenn das Bild nicht gut ist oder nicht klar, ist das ein Dealbreaker. Ich recherchiere ständig und berate mich mit verschiedenen Experten. Ich telefoniere mit einem botanischen Garten über Blumen oder mit einem Walexperten, um das richtige Wal-Emoji zu finden – oder mit einem Herz- und Gefäßchirurgen, damit wir die Anatomie des Herzens im Griff haben.

Warum sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie unsere Emojis gestaltet werden?

Nach meinem Verständnis sind 80 Prozent der Kommunikation nonverbal. Es gibt hier eine Parallele dazu, wie wir kommunizieren. Wir schicken Textnachrichten, wie wir reden. Es ist informell, es ist locker. Man hält inne, um Luft zu holen. Emojis werden zusammen mit Worten verwendet. Als sie aufkamen, hatten wir die falsche Vorstellung, dass sie die Sprache ruinieren würden. Eine neue Sprache zu lernen ist wirklich schwer, und Emojis sind so etwas wie eine neue Sprache. Es funktioniert auf die Art und Weise, wie man bereits kommuniziert. Die Technik entwickelt sich weiter, wenn wir und weiterentwickeln. Die Art und Weise, wie man kommuniziert und sich präsentiert, verändert sich, genau wie man selbst. Man kann sich die fast 3.000 Emojis ansehen und ihre Interpretation ändert sich je nach Alter oder Geschlecht oder geografischer Region. Wenn wir mit jemandem sprechen und Augenkontakt herstellen, verändert sich die Körpersprache, und das ist eine Form von emotionaler Übertragung. Es baut Empathie und Verbindungen auf. Dies gibt uns die Erlaubnis, etwas von uns preiszugeben. Emojis können das auch – und zwar in Form von Bildern.

Die neueste Version des Emoji-Standards, die erste unter Ihrer Amtszeit, beinhaltet ein Gesicht, das von Wolken bedeckt ist. Es kann auf unterschiedliche Weise jemanden bedeuten, der mit Gehirnnebel zu kämpfen hat, jemanden der Cannabis raucht, oder jemanden, der gedemütigt wurde. Oder vielleicht verstehen wir es auch ganz falsch. Das ist jedenfalls etwas völlig anderes als zum Beispiel ein einfaches Smiley-Emoji. Wie denken Sie über die Erstellung von Emojis mit solchen Bedeutungsebenen?

Das Internet ist voll von Metaphern. Wir lehnen uns online oft daran an. Sie sagen zum Beispiel: "Ich fühle mich angegriffen." Das bedeutet, dass Sie etwas gesehen haben, das Sie wirklich hart getroffen hat. Sie werden nicht wirklich persönlich angegriffen. Aber es vermittelt dieses Gefühl und die andere Person versteht es. Das umgedrehte Emoji-Gesicht – es ist ein Gefühl. Es ist eine Stimmung. Vielleicht sehen Sie es neben einer Reihe von Wörtern und wissen, dass eine Person sich schlecht fühlt oder Sarkasmus andeutet. Emojis sind flexibel, basierend auf dem Kontext. Abstrakte Konzepte sind global relevant. Wir wollen, dass Emoji positive aufgenommen werden, nützlich und flexibel sind. Und diese Mehrfachverwendung steht ganz oben auf der Liste.

Sie haben entscheidend dazu beigetragen, nonbinäre oder geschlechtslose Emojis einzuführen. Zum Beispiel ist ein schwangerer Körper nicht unbedingt "weiblich" und die Kleidung eines Babys ist weder blau noch rosa. Wie reagieren Sie auf Leute, die sagen, Emojis sollten nicht politisch sein?

Ich meine, schauen Sie mal, noch vor ein paar Jahren, wie viele Leute haben das Wort "they" [die in den USA zunehmend gebräuchliche Mehrzahl für bestimmte Personengruppen] für eine non-binäre Person verwendet? Das hat sich schnell geändert. Bildsprache ist nicht unpolitisch. Sie ist politisch. Nehmen Sie die Toilettensymbole. Warum trägt eine Frau einen Rock? Ich verstehe es, es ist eine Form von Kurzschrift. Aber ist es politisch, dieses Zeichen zu verwenden, oder ist es politisch, damit weiterzumachen, nur weil es einst so entworfen wurde?

Welche Ziele wollen Sie als Vorsitzender des Emoji-Subkomitees erreichen?

Ich agiere so, als ob ich eine Struktur und einen Prozess schaffe, die weiterlaufen können, egal ob ich nun involviert bin oder nicht. Eines der Ziele, die ich habe, ist sicherzustellen, dass die Emojis global relevante Konzepte darstellen. Sie müssen für jeden auf der Welt relevant sein. Das soll nicht heißen, dass global relevant bedeutet, dass das Emoji überall auf der Welt das Gleiche bedeutet. Handgesten können zum Beispiel unterschiedliche Dinge bedeuten. Aber wir müssen uns der Geschichte bewusst sein. Das Seil ist ein gutes Beispiel. Es wurde bei manchen zu einem Lynch-Emoji. So etwas müssen wir antizipieren. Die Historie einzubeziehen ist beim Design völlig unvermeidlich. Wir haben daher schließlich ein Knoten-Emoji gemacht. Es hat die gleiche Bedeutung, aber das Design ist anders. Solche Dinge sind meine Hauptpriorität.

(bsc)