Elektronische Patientenakte: Sachverständige fordern Opt-Out

Jeder Mensch sollte nach Ansicht des Sachverständigenrates zur Geburt eine Patientenakte bekommen und diese mit Volljährigkeit ablehnen können.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 71 Kommentare lesen

(Bild: kbv.de)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Der Sachverständigenrat für Gesundheit (SVR) hat sich für ein doppeltes Opt-Out bei der elektronischen Patientenakte (ePA) ausgesprochen. Die elektronische Akte solle nach Möglichkeit gleich nach der Geburt oder nach Zuzug und Aufnahme in die Versicherten-Gemeinschaft angelegt werden, hieß es am Donnerstag auf einem Symposium. Die E-Akte solle erst bei Volljährigkeit abgelehnt werden können. Ein weiteres Opt-Out soll nötig werden, wenn jemand seine Daten nicht der Forschung zur Verfügung stellen möchte.

Die Sachverständigen forderten zudem, dass nicht mehr die Datensparsamkeit im Vordergrund stehe, sondern die Daten solidarisch der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn versprach, dass sein Ressort nach der Bundestagswahl ein eigenständiges "Gesundheitsdatenschutzgesetz" in Angriff nehmen werde.

Der Sachverständigenrat für Gesundheit hat noch einmal die Eckpunkte seines Gutachtens zur Digitalisierung des Gesundheitswesens (PDF-Datei) herausgestellt. Die Sachverständigen wünschen sich ein lernendes Gesundheitssystem mit einem leichteren Zugriff auf Gesundheitsdaten für Forschungszwecke.

Allgemein sollte die Verpflichtung für jeden Menschen gelten, seine medizinischen Daten solidarisch der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug wollen die Sachverständigen den Zugriff der Leistungserbringer auf die ePA strenger kontrollieren. Bislang wird er auf der ePA 1.0, die seit Januar eingeführt wird, in der Akte selbst protokolliert. Künftig sollen alle Zugriffe in einer Blockchain kontrolliert werden, wie das in Estland der Fall ist. Dort hatte ein Arzt medizinische Daten von Regierungsmitgliedern an die Presse durchgestochen. Er wurde über die Blockchain ermittelt und verlor seine Approbation.

Mit dem doppelten Opt-Out zieht der Sachverständigenrat Gesundheit die Konsequenz aus der Entwicklung der französischen Patientenakte. Dort war sie auf freiwilliger Basis eingeführt worden, erhielt aber wenig Zuspruch, weshalb Opt-Out eingeführt wurde. Gegen eine solche Lösung sprach sich auf dem Symposium Doris Pfeiffer vom GKV-Spitzenverband aus. Sie frage sich, ob eine Diskussion über den Opt-Out-Zwang oder die Opt-In-Freiwilligkeit zum Start der ePA-Einführung wirklich ein günstiger Zeitpunkt sei.

Jens Spahn lobte sich und die vielen angestoßenen Digitalprojekte, wie sie zuvor von keiner anderen Bundesregierung in Angriff genommen worden seien. Für die Digitalisierung müsse in den 20er-Jahren noch mehr Tempo gemacht werden, meinte Spahn: "Ich will nicht die Wahl haben zwischen Apple und Alibaba, wer unser Gesundheitswesen digitalisiert. Wir müssen es selbst machen." Spahn verwies auf die Geschichte des 17. Juni 1953 und den Arbeiteraufstand in der DDR: "Es muss nicht gleich ein Aufstand sein, aber wir brauchen den Mut zur Veränderung".

Der Gesundheitsminister hob hervor, dass das SGB V um rund 100 Paragrafen erweitert worden sei, um die Sicherheit rund um die elektronische Patientenakte und das E-Rezept zu gewährleisten und versprach, dass nach der Bundestagswahl die Arbeiten an einem Gesundheitsdatennutzungsgesetz in Angriff genommen werden, in dem die Datensparsamkeit neu definiert werde.

Doch im Kern gehe es bei der anstehenden Digitalisierung eigentlich um viel mehr: "Ich möchte eine ein-eindeutige digitale Identität eines jeden Bürgers, bei der alles zusammenläuft, von der Steuer-ID bis zur Kassen-Versicherungsnummer und dem BAföG-Antrag für die Kinder. Hätte es so etwas in dieser Pandemie gegeben, hätte ich jedem Bürger den Gutschein für Schutzmasken als QR-Code aufs Handy schicken können, anstelle sie von der Bundesdruckerei drucken lassen zu müssen."

(anw)