Code statt rosa Zettel: Das E-Rezept soll manchen Weg ersparen

Die Tage des Papierrezepts sind gezählt, zumindest für gesetzlich Versicherte. Stattdessen gibt es bald pro verschriebenem Medikament einen digitalen Code.

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(Bild: SViktoria/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christina Bachmann
  • dpa
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Ob Antibiotikum, Betablocker oder Cholesterinsenker: Um das richtige Arzneimittel zu bekommen, reicht Patienten zukünftig in der Apotheke ein digitaler Code.

In einigen Arztpraxen und Apotheken der Testregion Berlin-Brandenburg können sie ab Anfang Juli statt des alten rosa Papierrezepts auch ein elektronisches Rezept auf dem Smartphone vorzeigen. Geplanter Start für das E-Rezept in ganz Deutschland ist der 1. Januar 2022. Ganz verschwinden wird das Rezept auf Papier im kommenden Jahr aber noch nicht. Auch für Menschen ohne Smartphone gibt es eine Lösung.

"Für den Patienten sehen wir durch das E-Rezept hauptsächlich Vorteile", sagt Sabine Wolter, Referentin für Gesundheitsrecht bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Dem Patienten werden Wege erspart." Die Testphase werde zeigen, wo eventuell noch Nachsteuerungsbedarf bestehe, so die Verbraucherschützerin.

Am 1. Juli startete das elektronische Rezept in Berlin und Brandenburg. "In dieser sogenannten Fokusregion sind es etwa 50 Arztpraxen und 120 Apotheken, die das E-Rezept testen und bewerten", sagte Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Das sei in der Region etwa jede zehnte Apotheke. In teilnehmenden Praxen können Patientinnen und Patienten wahlweise ein Papier- oder ein E-Rezept bekommen.

Ursprünglich sollte es im Sommer bundesweit losgehen. Doch daraus wurde doch nichts. "Das Ganze ist komplexer als gedacht", begründet Overwiening diese Verschiebung. Nun werden im vierten Quartal dieses Jahres nach und nach alle weiteren Praxen und Apotheken an das System angeschlossen. Erst zum 1. Januar 2022 wird das E-Rezept für alle gesetzlich Versicherten und alle Vertragsärzte in Deutschland verpflichtend. Ab dann soll es kein rosa Rezept mehr geben.

Das blaue Rezept für Privatversicherte gibt es zunächst weiter in Papierform. "Auch privat Versicherte sollen zukünftig einen Zugang zum E-Rezept erhalten", sagt Verbraucherschützerin Wolter. Nach Angaben der ABDA werden hier noch Konzepte für eine benutzerfreundliche Abrechnung erarbeitet.

Zurzeit müssen Privatversicherte in der Apotheke jeweils in Vorleistung gehen und anschließend das Rezept mit ihrer Krankenversicherung abrechnen. Ähnlich läuft es, wenn gesetzlich Versicherte alternative Medikamente erhalten, für die keine Rezeptpflicht besteht. Diese können sie zum Teil später bei der Krankenkasse einreichen. Auch hier gilt das E-Rezept noch nicht, Ärztinnen und Ärzte stellen in dem Fall weiterhin ein grünes Papierrezept aus.

Wer ein Smartphone besitzt, lädt sich zunächst die kostenlose E-Rezept-App herunter. Sie soll ab 1. Juli im Google Play-Store, im App-Store von Apple und der Huawei AppGallery verfügbar sein. Die App wurde von der Gematik entwickelt, die für die Telematikinfrastruktur in Deutschland verantwortlich ist. Das Bundesgesundheitsministerium ist Hauptanteilseigner dieser Gesellschaft.

Hat man die App auf dem Smartphone, verordnet der Arzt ein bestimmtes Medikament nicht mehr auf Papier, sondern digital. "Man bekommt einen speziellen Code auf seine Handy-App", erklärt Verbraucherschützerin Wolter. Den kann man in der Apotheke selbst vorzeigen oder man übermittelt ihn, um sich etwa die Arznei liefern zu lassen.

Damit das alles klappt, muss das Smartphone den NFC-Übertragungsstandard unterstützen und mindestens iOS 12 oder Android 6 als Betriebssystem haben, erklärt die Gematik. Zudem ist eine elektronische Gesundheitskarte mit NFC-Funktion nötig. Das sei an der sechsstelligen Zugangsnummer unter den Deutschland-Farben der Karte erkennbar. Zudem braucht man die PIN-Nummer der Karte. Wer die PIN nicht hat, fragt bei der Krankenkasse nach.

Wer sich nicht mit der Gesundheitskarte in der App anmelden kann – sei es, weil das Smartphone nicht den Vorgaben entspricht oder man die Karten-PIN nicht parat hat –, kann sie nur abgespeckt nutzen: Um den Rezeptcode in der Arztpraxis vom Ausdruck zu scannen, ihn in der App zu speichern und in der Apotheke auf dem Smartphone vorzuzeigen.

Generell ist gut zu wissen: Auch in Versandapotheken ist ein E-Rezept einlösbar. Abgerechnet wird wie bisher: direkt zwischen Apotheke und gesetzlicher Krankenkasse.

Der ausgedruckte Code kann in der Apotheke genauso eingelesen werden wie der digitale. Wer kein Smartphone hat, wird also nicht ausgeschlossen.

Das E-Rezept soll aus Verbrauchersicht idealerweise manchen Weg ersparen. "Im Grunde kann ein Patient vom Arzt nach Hause oder zur Arbeit gehen, in der App nach einer Apotheke suchen und eine unverbindliche Anfrage stellen, ob das Arzneimittel vorhanden ist", erklärt Wolter. So hat man die Option, als Patient nur dann zu bestellen, wenn eine Arznei vorrätig ist.

Bietet die Apotheke einen Botendienst an, bringt sie einem das Medikament vielleicht direkt abends vorbei. Die Verbraucherschützerin rechnet damit, dass sich Botendienste von Apotheken mit dem E-Rezept noch weiter etablieren.

Wer ein Folgerezept braucht, zum Beispiel bei chronischen Erkrankungen, kann durch das E-Rezept eventuell auf den Gang zum Arzt verzichten. Kennt der Arzt den Patienten samt der Krankengeschichte, reicht ein Anruf. "Wenn jemand nicht gut zu Fuß ist oder das Haus nicht verlassen will, kann der Arzt auf einen Anruf hin ein Medikament verordnen und ein E-Rezept schicken", sagt ABDA-Präsidentin Overwiening.

Zudem können auf der App Hinweise zur Einnahme und Dosierung sowie der Medikamentenplan hinterlegt werden. Ein gewünschter Effekt davon ist, so Verbraucherschützerin Wolter: "Der Apotheker sieht, was für Arzneimittel der Patient bereits einnimmt, und merkt, wenn sich vielleicht etwas nicht verträgt."

(kbe)