2-nm-Chips: EU-Kommission will im Halbleiter-Wettlauf an die Spitze

Die EU-Kommission hat die geplanten Industrieallianzen für Halbleiter und Cloud gestartet. Das Ziel für die Chip-Fertigung fällt deutlich ambitionierter aus.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 43 Kommentare lesen

(Bild: Dragon Images/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die EU-Kommission hat am Montag den Startschuss für zwei im Mai angekündigte industriepolitische Initiativen in den Bereichen Halbleiter und Cloud gegeben. Unter anderem formuliert die Kommission das Ziel, mittelfristig in Europa auch mit Strukturbreiten von 5 bis 2 Nanometer (nm) fertigen zu können.

Angesichts der in Europa erreichten Strukturbreiten von um die 30 nm hatte Binnenmarktkommissar Thierry Breton vor zweieinhalb Monaten "22 bis 10 Nanometer" als Ziel ausgegeben. Entsprechende Chips würden in Europa vor allem benötigt, etwa von der Autoindustrie. Darüber hinaus will Breton nun sichergestellt wissen, "dass wir die Kapazitäten haben, um in Europa die modernsten Chips in Richtung 2 nm und darunter zu entwickeln und zu produzieren".

Fähigkeiten in der Produktion von Prozessoren und Chips "sind entscheidend für die Zukunft der fortschrittlichsten Volkswirtschaften von heute", betont die Kommission. Die Industrieallianz soll daher "aktuelle Engpässe, Bedürfnisse und Abhängigkeiten" in der gesamten Wirtschaft identifizieren und angehen. Brüssel will die strategischen Abhängigkeiten der EU verringern, indem sie ihren Anteil an der weltweiten Halbleiterfertigung bis 2030 auf 20 Prozent in etwa verdoppelt.

Laut Kommission soll die Allianz auch Design- und Fertigungskapazitäten schaffen, "die für die Produktion der nächsten Generation" erforderlich sind. Europa müsse seine Fertigungskapazitäten auf 16- bis 10-nm-Strukturen umstellen, "um den aktuellen Bedarf zu decken". Mittelfristig sollten "5 bis 2 nm und darunter" angestrebt werden, "um den künftigen Technologiebedarf vorwegzunehmen". Die fortschrittlichsten Halbleiter seien darüber hinaus "leistungsfähiger" und hätten das Potenzial, den Energieverbrauch etwa beim Mobilfunk "massiv zu senken".

Breton hatte das ambitionierte Ziel einer europäischen Chipfertigung mit bis zu 2 nm schon im Vorfeld ausgegeben. Ausrüster und Fertiger sehen für solche Vorzeigeprodukte in der EU derzeit aber kaum Bedarf. Sie warnten im April vor einem Milliardengrab, wenn Fabriken ausländischer Produzenten in der EU mit Steuergeldern gefördert würden. Der Binnenmarktkommissar ruderte daraufhin zunächst etwas zurück, hat seine Wunschvorstellungen nun aber doch durchgesetzt.

Bisher produzieren einzig die beiden Chipauftragsfertiger TSMC und Samsung Halbleiterbauelemente mit Strukturen von 5 nm, etwa Apples System-on-Chip (SoC) M1 oder Qualcomms Smartphone-Prozessor Snapdragon 888. Intel hat seine vergleichbare 7-nm-Technik bis 2022 verzögert, "was die technologische Komplexität der Chipfertigung in solchen Dimensionen verdeutlicht". Eine solche Spitzenfertigungsanlage nach Europa zu bringen, erfordere Investitionen von bis zu 20 Milliarden Euro.

Mit den neuen Werten passt die Kommission das Ziel der Allianz an das des europäischen Förderinstituts für "Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse" (IPCEI) Mikroelektronik an, das mehrere Mitgliedsstaaten im Dezember neu auflegten. Auch hier erklärten die beteiligten Länder, zu denen Deutschland gehört, dass europäische Fabs künftig Siliziumchips mit Strukturbreiten von 2 nm produzieren können sollten.

Das IPCEI ME-II ist als Einzelprogramm enger gefasst als die neue Halbleiterallianz. Bei letzterer sollen interessierte Unternehmen, Vertreter der Mitgliedstaaten, Hochschulen, Anwender sowie Forschungs- und Technologieorganisationen unter einem Dach zusammengebracht werden. Teilnehmer müssen Bedingungen zur Cyber- und Versorgungssicherheit, Schutz von Immaterialgüterrechten sowie Datenschutz erfüllen. Als Mitglieder waren im Vorfeld europäische Unternehmen wie ASLM, Bosch, Infineon, NXP und STMicroelectronics sowie das Interuniversity Microelectronics Centre (Imec) und die Fraunhofer-Gesellschaft im Gespräch.

Das zweite Bündnis für "Industriedaten, Edge und Cloud" soll laut der Kommission das Entstehen "bahnbrechender" Technologien in diesem Bereich fördern. Die Allianz solle den besonderen Bedürfnissen der europäischen Bürger, Unternehmen und des öffentlichen Sektors bei der Verarbeitung hochsensibler Daten gerecht werden und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie stärken. In der zunehmenden Verlagerung der Datenverarbeitung an den Rand der Netze (Edge Cloud) sieht Kommission eine Chance für die EU, ihre eigenen Cloud-Kapazitäten und so auch ihre technologische Souveränität zu stärken. Im Cloud-Bereich gibt es in der EU bereits das Projekt Gaia-X und das IPCEI-CIS.

(vbr)