"Lokdown" der GDL: "Mit uns gibt es keine Nullrunde"

Bis Freitagmorgen um zwei Uhr stehen die Räder still. Foto: kitmasterbloke / CC-BY-2.0

Der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer endet planmäßig am Freitagmorgen. Lenkt die Bahn nicht ein, könnte es bald wesentlich härtere Arbeitskämpfe geben

Der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat erwartungsgemäß zu massiven Einschränkungen in allen Bereichen des Schienenverkehrs geführt. Im Personennah- und -fernverkehr konnten nach Angaben der Deutschen Bahn am Mittwoch im Durchschnitt nur 25 Prozent der geplanten Verbindungen angeboten werden. Auch im Güterverkehr gab es viele Ausfälle. Am heutigen Donnerstag verläuft der Streik ähnlich, und auch nach Beendigung der Arbeitsniederlegung am Freitagmorgen um zwei Uhr wird es noch viele Stunden dauern, bis der Verkehr wieder planmäßig läuft, da viele Züge erst zu ihren Einsatzorten gebracht werden.

Am Mittwochnachmittag suchte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky das "Bad in der Menge" und hielt vor dem Haupteingang des Berliner Ostbahnhofs vor einigen hundert streikenden Eisenbahnern eine kämpferische Rede. Anschließend besuchte er das nahe gelegene Streiklokal der Gewerkschaft. Weselsky betonte, dass weitere, noch intensivere Arbeitsniederlegungen unausweichlich seien, wenn die Bahn nicht zeitnah ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegt.

Als quasi unverhandelbare Knackpunkte bezeichnete Weselsky die von der Bahn geforderte Nullrunde für 2021, die Absenkung der betrieblichen Altersversorgung und die "Flexibilisierung" der Schichtplanung. Einen derartigen Tarifvertrag hat die Bahn mit der konkurrierenden, zum DGB gehörenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) abgeschlossen.

Tarifeinheitsgesetz als Damoklesschwert

Wohl wissend, dass politische Streiks in Deutschland verboten sind, betonte Weselsky, dass der Streik sich ausschließlich auf die Durchsetzung tariflicher Forderungen beziehe. Dennoch spielte das Tarifeinheitsgesetz (TEG), mit dem bei der Bahn erstmals versucht werden soll, der GDL als kleinerer Gewerkschaft im Unternehmen die Tarifmächtigkeit weitgehend abzusprechen, eine wichtige Rolle in seiner Rede und bei der kurzen, improvisierten Pressekonferenz im Anschluss. Die Bahn behauptet, dass die GDL nur in 16 der 71 Bahnbetriebe, in denen sowohl die GDL als auch die EVG vertreten sind, die Mehrheit unter den gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern hat. Sie stützt sich dabei auf mittelbare Indikatoren, wie die Ergebnisse von zurückliegenden Betriebs- und Aufsichtswahlen.

Weselsky bezeichne das als "Lügen" und "Wunschdenken". Man werde im Zuge entsprechender Verfahren bei den Arbeitsgerichten die eigenen Zahlen vorlegen, "und dann werden wir mal sehen". Er verwies auf den großen Mitgliederzuwachs (mehr als 3.000) in den vergangenen Monaten und geht davon aus, dass dieser Zustrom anhalten wird. Denn immer mehr Kollegen würden gerade jetzt erleben und begreifen, "dass nur die GDL bereit und in der Lage ist, ihre Interessen kraftvoll zu vertreten. Sie wissen, dass es mit uns keine Nullrunden, keine Betriebsrentenkürzungen und keine Schichtpläne geben wird, die eine Freizeitplanung mit der Familie unmöglich machen".

Unter Berufung auf interne Zahlen der EVG behauptete Weselsky ferner, dass über 60 Prozent der Mitglieder der EVG in den Eisenbahnbetrieben Rentner und Pensionäre seien, bei der GDL betrage dieser Anteil weniger als 18 Prozent. Bei der EVG war zu diesen Zahlen bis zur Mittagszeit an diesem Donnerstag keine Stellungnahme zu erhalten.

Empörung bei der SPD, Unterstützung von den Linken

Die Reaktionen von Politikern und Verbandsvertretern auf den Streik waren erwartbar. Scharfe Kritik kam vom SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans. Durch das Vorgehen der GDL würden "die Beschäftigtengruppen der Bahn auseinanderdividiert und die Kunden durch praktisch unangekündigte Streikaktionen düpiert". Sören Bartol, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, sprach von einer nicht akzeptablen "One-Man-Show von Herrn Weselsky". Der kommentierte dies am Mittwoch mit den lapidaren Worten: "Als Sozialdemokrat würde ich mich für solche Aussagen schämen". Weselsky ist Mitglied der CDU.

Während Vertreter von CDU/CSU, Grünen und FDP direkte Kritik an der GDL vermieden und alle Beteiligten zu schnellen Lösungen aufforderten, bezeichnete Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) den Streik als "unverantwortlich" und "gerade in diesen Zeiten auch nicht nachvollziehbar".

Die Gewerkschaft gefährde die ohnehin schwierige Erholung der Wirtschaft in einer Zeit, in der die Betriebe Stabilität und Planungssicherheit bräuchten. Ihr gehe es offensichtlich "vorrangig um Machtinteressen und nicht um das tatsächliche Erzielen eines Tarifkompromisses". Der Fahrgastverband "Pro Bahn" regte gar gesetzliche Regelungen zur Verhinderung kurzfristig angekündigter Streiks an.

Solidarisch erklärte sich dagegen der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch. "Dass es zum Streik bei der Deutschen Bahn kommt, hat die Konzernleitung zu verantworten. Dass sie den Beschäftigten einen Corona-Bonus verweigert, obwohl diese das Land während der Krise sprichwörtlich auf den Schienen gehalten haben, ist ein Trauerspiel", sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Während der Tenor der meisten Kommentare in den Medien eindeutig gegen die GDL und den (laut Bild) "machtgierigen Gewerkschaftsboss" Weselsky gerichtet ist, scheint es mit der vielbeschworenen "Wut der Bahnkunden" nicht so weit her zu sein. So mussten Reporter der öffentlich-rechtlichen Medien bei ihren Berichten sichtlich irritiert einräumen, dass es "erstaunlich viel Verständnis" für den Streik der GDL gebe. Auch das ist - neben dem Streik selbst - ein ermutigendes Zeichen dafür, dass der sich anbahnende Lohn- und Sozialkahlschlag nach den kommenden Wahlen nicht kampflos über die Bühne gehen wird.

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