Deutsche Telekom steigt bei De-Mail aus​

Wegen Millionenverlusten zieht sich die Telekom aus dem Prestigeprojekt der Bundesregierung zurück. CEO Höttges hatte zuvor vom "toten Gaul" gesprochen.

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(Bild: Pavel Ignatov/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Die Deutsche Telekom will 2022 aus dem verschlüsselten E-Mail-Dienst "De-Mail" aussteigen. Die Postfächer von Firmenkunden sollen im August abgeschaltet werden, kündigte das Unternehmen den betroffenen Kunden an, ab September sollen die Privatkunden folgen. Als Grund wird "fehlende Wirtschaftlichkeit" genannt. Hintergrund ist offenbar ein auslaufender Vertrag mit dem Bundesinnenministerium.

Hingegen will der Provider 1&1, der De-Mail für seine WEB.DE- und GMX-Kunden im Angebot hat, De-Mail weiter betreiben. Mit 750.000 Accounts sei der Dienst kostendeckend, heißt es in Montabaur. Bisher wird De-Mail von der Telekom, 1&1 sowie von Mentana-Claimsoft angeboten. De-Mail war 2006 in die Betaphase gegangen und ist seit September 2012 auf Grundlage eines eigenen Gesetzes im Regelbetrieb.

Eine De-Mail-Adresse wird nur an Personen oder Institutionen ausgegeben, deren Identität urkundlich geprüft ist. Das System arbeitet mit Versand- und Empfangsbestätigungen. Damit sollte unter anderem die verbindliche und rechtssichere Korrespondenz mit Behörden ermöglicht werden – zumindest in der Theorie.

De-Mail kennt ein einfaches Sicherheitsniveau und das Sicherheitsniveau "Hoch", mit dem das Äquivalent eines Einschreibens oder "Eigenhändig" verschickt werden kann. "Hoch" wird entweder mit der eID des Personalausweises oder der Eingabe einer TAN erreicht. Für Behörden kennt De-Mail das Äquivalent der Postzustellungsurkunde (PZU), ist also ein rechtssicheres Mail-System, das von einem eigenen De-Mail-Gesetz definiert ist.

Laut einem Bericht des Spiegel hat die Telekom nun beschlossen, De-Mail wegen fehlender Wirtschaftlichkeit abzuschalten. Es ist von einem dreistelligen Millionenverlust die Rede. Telekom-Chef Tim Höttges hatte De-Mail im Januar als "toten Gaul" bezeichnet, den niemand je genutzt habe.

Die Bundsregierung verweist hingegen auf "mehr als eine Millionen De-Mail Teilnehmerinnen und Teilnehmer - Tendenz steigend". Doch dass der Dienst hinkte, war sichtbar: De-Mails an die Deutsche Rentenversicherung etwa wurden per Briefpost beantwortet, obwohl jedes Formular der DRV auf die Nutzung von De-Mail verweist.

Zumindest bei 1&1 sieht man eine Zukunft für De-Mail: "Wir sind vom Zukunftspotenzial der De-Mail überzeugt, denn es handelt sich um den einzigen interoperablen, breit verfügbaren Standard für die rechtsverbindliche digitale Kommunikation in Deutschland", erklärte Jan Oetjen, Geschäftsführer von WEB.DE und GMX. Nach seinen Angaben gibt es 750.000 Nutzer und einen deutlichen Aufwärtstrend seit Beginn der Pandemie. De-Mail sei kostendeckend.

1&1 will mit der Telekom verhandeln, wie ein unterbrechungsfreier Übergang der Telekom- und T-Systems-Kunden gewährleistet werden kann. Zudem fordert Oetjen weiterhin eine staatliche Unterstützung des Projektes und eine Verpflichtung, Behördenpost per De-Mail abzuwickeln. "Wir sehen die große Chance, De-Mail über die Systemgrenzen hinweg zum kleinsten gemeinsamen Nenner der so schnell nicht zu bereinigenden öffentlichen IT-Flickenteppiche zu machen. Wenn der Staat seinen eigenen Standard endlich flächendeckend verfügbar macht, lassen sich große Potenziale erschließen."

(vbr)