EU-Studie: Europa pennt auch bei Open Source

Eine EU-Studie zeigt die vielfältigen Einflüsse von Open Source auf die Wirtschaft. Und findet: Europa fördert Open-Source-Soft- und Hardware zu wenig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 144 Kommentare lesen

(Bild: mixmagic/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Michael Link

Dass Open-Source-Software, Open Hardware und der freie Zugriff auf Daten die Wirtschaft beflügeln, würde man vermuten, doch ob das tatsächlich so ist, hat die EU exemplarisch für das Jahr 2018 untersucht.

Die Studie "The impact of Open Source Software and Hardware on technological independence, competitiveness and innovation in the EU economy" entstand im Auftrag der EU-Kommission. Autoren sind das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) und die Denkfabrik OpenForum Europe (OFE). Die kleinteilig angelegte Studie besteht aus Befragungen von Unternehmen und Analysen, etwa der Anzahl eingepflegter Codefragmente (Commits) auf der Open-Source-Plattform GitHub und ihrer Herkunftsländer.

Makroökonomisch sieht die Studie ein merkliches Wirtschaftswachstum der EU-Länder durch Open-Source-Code. Dabei profitiert die EU von Code, der anderswo entsteht. Die Forscher rechneten aus dem Bruttoinlandsprodukt der EU (2018: 13,5 Billionen Euro) die Anteile heraus, die direkt aus GitHub-Commits erwuchsen: Das sind 60 bis 95 Milliarden Euro – bei Investitionen von rund 1 Milliarde Euro.

Ähnliche Effekte gabs beim Anstieg der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit. Keinen direkten Einfluss hat die Zahl der GitHub-Commits auf die Zahl der Jobs. Und: Ein Treiber für Innovation sei Open Source auch nicht. Positiver sei, dass eine Zunahme der GitHub-Commits von 10 Prozent rechnerisch mehr als 650 Start-ups in der EU hervorbringt.

Die Studie berücksichtigte auch Bekanntes. So führt sie Fallstudien darüber an, dass der öffentliche Sektor durch Open Source die Kosten senken und die Bindung an proprietäre Software vermeiden kann. Ein großer Umfrageteil wertet Antworten von mehr als 900 Unternehmen aus und spiegelt das oben Gesagte wider. Dünn ist der Teil über Open-Source-Hardware; darüber gab es keine so stark sprudelnde Datenquelle wie GitHub. Daher behalf sich die EU-Studie mit fünf Fallstudien.

Die Studie vergleicht die Open-Source-Politik zwischen EU-Ländern und anderswo.

(Bild: EU-Studie (CC-BY 4.0))

Die Betrachtung der EU-Politik zum Gesamtkomplex fällt vernichtend aus: Öffentliche Förder- oder Vergabemaßnahmen dafür waren nur dort erfolgreich, wo sie in der digitalen Kultur der Verwaltung verankert waren. Auch Gesetze für mehr Open Source scheiterten bislang.

Etliche IT-Unternehmen mit Open-Source-Schwerpunkt sind infolge der Handelskonflikte zwischen China und den USA nach Europa umgezogen, etwa die Eclipse Foundation. Gut für die EU, sagt die Studie. Die Forscher empfehlen wenig überraschend weiter, Open Source in EU-Vorhaben und in der EU-Industriepolitik zu verankern. Die Studie enthält gut 30 weitere Anregungen. Dazu zählt der Aufbau eines Netzwerks von 20 Projektbüros, Open-Source-Beiträge als gemeinnützig zu behandeln und die Finanzierung von Sicherheits-Audits kritischer Projekte.

c’t Ausgabe 21/2021

In c’t 21/2021 haben wir uns Mini-PCs für (fast) jeden Zweck näher angeschaut. Sie brauchen wenig Platz und lassen sich unauffällig montieren. Wer jedoch eine individuelle Konfiguration wünscht oder später aufrüsten möchte, muss gezielt einkaufen. Außerdem im Heft: Ihr Weg zum individuellen Cloud-Server, Online-Fotospeicher für Android und iOS im Test und Barrierefreiheit mit Alexa. Ausgabe 21/2021 finden Sie ab dem 24. September im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk.

(mil)