Virgin Orbit schafft Börsengang nur mit Mühe

Virgin Orbit bringt kleine Satelliten ins All. Der Börsengang indes ist kein Höhenflug: Private Investoren sind vorher ausgestiegen. Die Aktie fällt.

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Deckblatt einer Virgin-Orbit-Präsentation, dahinter Sternenhimmel

Deckblatt einer Präsentation, mit der Virgin Orbit Investoren gewinnen wollte.

(Bild: Virgin Orbit/Daniel AJ Sokolov/NASA, ESA, the GOODS Team, M. Giavalisco (University of Massachusetts, Amherst))

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Inhaltsverzeichnis

Virgin Orbit, Schwesterfirma Virgin Galactics, ist seit Donnerstag an der US-Börse NASDAQ gelistet (Symbol VORB). Der Börsengang bringt dem Unternehmen jedoch deutlich weniger Geld als geplant: Statt 564 Millionen US-Dollar sind es 228 Millionen Dollar. Und das auch nur, weil die Virgin Group in letzter Minute 100 Millionen Dollar zugeschossen hat.

Virgin Orbit steht im Eigentum der von Richard Branson gegründeten Virgin Group. Das Emirat Abu Dhabi hat sich als Minderheitspartner beteiligt. Gemeinsam haben sie laut Firmenangaben bisher etwa eine Milliarde Dollar investiert. Zweimal ist es Virgin Orbit gelungen, kleine Satelliten ins All zu bringen. Weitere Starts sind geplant.

Virgin Orbit verwendet dafür eine Boeing 747 und befestigt an deren Unterseite eine zweistufige Rakete namens LauncherOne. Diese Rakete kann Satelliten mit einem Gesamtgewicht von bis zu 300 Kilogramm befördern. Hat das Flugzeug hinreichend Höhe gewinnen, wird die Rakete ausgeklinkt und gezündet.

Die Schwesterfirma Virgin Galactic bietet Touristen Kurzausflüge bis nahe an die Grenze zum Weltall. 2019 ist Virgin Galactic das erste börsennotierte Unternehmen für Weltraumtourismus geworden. Damals verschmolz das Unternehmen mit der Firma eines Wagniskapitalgebers. Diese Firma war zwar bereits börsengelistet, hatte aber noch keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Den gleichen Weg an die Börse hat nun Virgin Orbit beschritten.

Solche Börsengänge ohne öffentliches Feilbieten neuer Aktien (IPO, Initial Public Offering) sind in den USA en vogue, weil es schneller und günstiger ist, als ein IPO-Börsengang. Die börsennotierten Mantelfirmen werden SPAC (Special Purpose Acquisition Company) genannt. Sie werden nur dazu gegründet, Geld von Investoren einzusammeln, um dann mit einer noch nicht börsennotierten Firma zu verschmelzen. Für diese Firma ist das eine Abkürzung auf dem Weg an die Börse.

Die Investoren wissen zum Zeitpunkt ihrer Einzahlung meist noch gar nicht, in welche Firma ihre Gelder später investiert werden. Daher haben sie regelmäßig die Möglichkeit, ihr Geld vor der Verschmelzung wieder abzuheben. Genau das ist offenbar im Fall Virgin Orbits geschehen.

Im Herbst hatte Virgin Orbit mitgeteilt, durch Verschmelzung mit der Mantelfirma NextGen Acquisition Corp. II an die NASDAQ zu streben, und Werbung für den Deal gemacht. Die Mantelfirma war von den Investmentbankern Gregory Summe und George Mattson ins Leben gerufen worden. Die beiden hatten selbst 81 Millionen Dollar aufgestellt und andere Investoren überzeugt, weitere 383 Millionen einzuzahlen. Zudem haben Boeing und AE Industrial Partners einen Fonds aufgesetzt, der weitere 100 Millionen Dollar investieren sollte. Eine Virgin-Orbit-Aktie kostete jeweils 10 Dollar.

In Summe wären also 546 Millionen Euro an Virgin Orbit geflossen. Die bisherigen Eigentümer Virgin Group und Abu Dhabi hätten gemeinsam 84,6 Prozent des Unternehmens behalten. Die SPAC-Investoren 10,4 Prozent, Boeings Fonds 2,7 Prozent und die Investmentbanker Summe und Mattson gemeinsam 2,2 Prozent. Die beiden Herren haben sich allerdings das Recht ausbedungen, 15 Prozent ihres Anteils mit einem durchschnittlichen Gewinn von 37.5% an Virgin Orbit zurückzuverkaufen.

Allerdings dürfte ein Großteil jener Investoren, die die 383 Millionen Dollar in NextGen Acquisition Corp. II eingezahlt hatten, nicht vom Gedeih Virgin Orbits überzeugt gewesen sein und ihre Gelder wieder abgehoben haben. Zum Stichtag waren von den 383 Millionen Dollar nämlich nur noch 68 Millionen im Topf.

Auch der Boeing-geführte Fonds und die Investmentbanker dürften ihr Engagement erheblich reduziert haben. Weil die vertraglich vereinbarte Mindestsumme von 200 Millionen Dollar nicht erreicht war, drohte der Börsengang zu scheitern. Abu Dhabi zeigte keine Lust, zusätzliche Mittel einzuzahlen. Ein Tag vor Heiligabend musste die Virgin Group einspringen.

Am 23. Dezember gab Virgin Orbit bekannt, dass die Virgin Group Aktien im Wert von 100 Millionen Dollar kaufen wolle, gegebenenfalls mit Unterstützung der beiden Investmentbanker. "Ich bin der Zukunft Virgin Orbits als börsennotierte Firma verpflichtet und zuversichtlich", ließ Virgin-Gründer Richard Branson wissen, "Die Investition wird sicherstellen, dass Virgin Orbit das notwendige Kapital hat, um … den schnellen Übergang zu einem erfolgreichen Raumstart-Unternehmen fortzusetzen."

Erst dank dieser 100-Millionen-Dollar-Spritze konnte am 28. Dezember der Börsengang besiegelt und am 30. Dezember durchgeführt werden. In Summe kommen jetzt nur 228 Millionen Dollar herein: 100 Millionen vom bereits bestehenden Mehrheitseigentümer Virgin Group, 68 Millionen von der Mantelfirma NextGen Acquisition Corp. II (nunmehr Virgin Orbit Holdings, Inc), und weitere 60 Millionen von den Investmentbankern und dem Boeing-Fonds.

Der Wettbewerb im Markt für den Start kleiner Satelliten ist intensiv, nicht zuletzt weil SpaceX mehr Satelliten auf einmal befördern kann. Neben Virgin Orbit drängen zahlreiche weitere Firmen in den Markt. Ob die Rechnung für die Aktionäre aufgeht, ist offen. Am ersten Handelstag sind Virgin-Orbit-Aktien bei einem Schlusskurs von 9,14 Dollar gelandet – 8,6 Prozent unter dem Preis von zehn Dollar, den die Unterstützer des Börsengangs gezahlt haben.

(ds)