Elektronen-Spin: Mit Spektroskopie Quantenprozesse verfolgen

Ein neue Spektroskopie-Methode liest Spin-Zustände von Elektronenpaaren aus und eröffnet damit neue Wege für organische Solarzellen und das Quantencomputing.

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Technik, Elementarladung, Elektron, SI-Einheiten, Atom
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Von
  • Susanne Nolte
Inhaltsverzeichnis

Ein Forscherteam der Universitäten Konstanz, Würzburg und Novosibirsk liest mit einer neuen Spektroskopie-Methode optisch bislang nicht unterscheidbare Spin-Zustände von Elektronenpaaren aus und kann damit den zeitlichen Verlauf der Zustandswechsel optisch bestimmen. Dazu hatten sie die Pump-Push-Puls-Technik entwickelt und im Dezember vorgestellt. Mit dieser Methode können sie erstmal den Quantenprozess des Zustandswechsel optisch direkt verfolgen.

Das könnte die Grundlage für die Entwicklung organischer Solarzellen und einer verbesserten Implementierung von Qubits in Quantencomputern liefern. Zudem spielt der Wechsel der Spin-Zustände von Elektronenpaaren auch in der Natur eine wichtige Rolle. Man vermutet, dass das Erdmagnetfeld einen Einfluss auf dieses magnetische Wechselspiel hat und damit auf den Kompass von Zugvögeln.

In einem Molekül belegen die Elektronen die quantentheoretisch möglichen Bahnen üblicherweise paarweise. Entscheidend dafür, ob sich zwei Elektronen eine Bahn teilen, ist die Richtung ihres Spins, des Eigendrehimpulses der Elektronen. Nach dem Pauli-Prinzip der Quantentheorie muss ihr Spin dazu antiparallel sein, das heißt, ein Elektron muss sich rechtsherum, das andere linksherum drehen.

Durch Lichtanregung wird ein einzelnes Elektron aus der Paarkonstellation gelöst und auf ein energetisch höheres Niveau gehoben, wo es allein eine freie Bahn besetzt. Von hier kann es dann weiter auf eine freie Bahn eines geeigneten Nachbarmoleküls springen. Physiker nennen das eine photo-induzierte Elektronübertragung. Die beiden einzelnen Elektronen können nun – auf ihren getrennten Bahnen – unabhängig voneinander ihre Spin-Richtung durch eine magnetische Wechselwirkung mit ihrer Umgebung verändern. Eine solche Ladungstrennung durch photo-induzierte Elektronenübertragung findet etwa auch bei der Photosynthese statt. Da das Elektron bei seiner Übertragung nur wenig Energie verliert, ist der größte Teil der anfänglich durch die Lichtanregung aufgenommenen elektronischen Energie noch erhalten und damit in chemischer Form gespeichert.

Chemiker nennen die beiden verwaisten Elektronen, die nun getrennt ihre Bahnen ziehen, ein Radikalpaar. Sind ihre Spins parallel ausgerichtet, spricht man von einem Triplett-Zustand, verlaufen sie entgegengesetzt, von einem Singulett-Zustand des Radikalpaares. Da die Elektronen nun voneinander unabhängig auf ihre Umgebung reagieren, wechselt der Spin-Zustand des Radikalpaars zwischen Singulett- und Triplett-Zustand hin und her. Da energetisch zwischen diesen Spin-Ausrichtungen kein großer Unterschied besteht, waren sie bislang optisch nicht direkt unterscheidbar.

Springt das Radikalelektron vom Akzeptor-Molekül, auf das das Elektron gesprungen ist, wieder zurück zum Donor-Molekül, von dem es kam, findet unter Wärmefreisetzung eine Energiestabilisierung des Radikalpaars statt. Auf die Bahn seines ursprünglichen Partnerelektrons zurückspringen kann es aber nur im Singulett-Zustand, wenn also sein Spin zu diesem entgegengesetzt ist. Im Triplett-Zustand, wenn beide Spins parallel verlaufen, kann es zwar nicht auf seine ursprüngliche Bahn zurück, aber durch Übergang in eine andere freie, tiefere Bahn ebenfalls Energie abgeben. Dadurch bildet sich ein Triplett-Produkt, das von dem Singulett-Produkt optisch unterschieden werden kann.

Die Phase, in der Radikalpaare zwischen den Singulett- und dem Triplett-Zustand hin- und herpendeln, ist für Forscher in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse. Als quantenmechanisch gesteuerte kohärente Bewegung ist der Wechsel grundsätzlich kontrollierbar, etwa durch ein äußeres Magnetfeld. Mit solchen Bewegungen werden beispielsweise in Quantenrechnern Qubits gesteuert.

In der Prinzipskizze des Experiments zerfällt das ladungsgetrennte Radikalpaar (Charge-Separated Radical Pair, CSRP, schwarze Kurve) in etwa 1000 Nanosekunden durch Rekombination der Elektronen zum Singulett- bzw. Triplettprodukt. Der dynamische Wechsel des CSRP zwischen Singulett (S) und Triplett (T) wird dabei nur im Mittel über die Gesamtreaktionszeit erfasst. Die Pump-Push-Puls-Technik kann den Singulett- und Triplettcharakter des CSRP zu jedem Zeitpunkt auslesen.

(Bild: Christoph Lambert / Universität Würzburg)

Um die Singulett/Triplett-Zustände zu bestimmten Zeitpunkten auszulesen, initiiert das deutsch-russische Forscherteam zunächst mit einem sogenannten Pump-Laser-Puls den Elektronentransfer vom Donor- zum Akzeptor-Molekül. Dabei entsteht der ladungsgetrennte Zustand mit Singulett-Spin. Die ungepaarten Elektronen-Spins können sich nun entwickeln.

Nach einer gewissen Zeit wird ein zweiter, ein sogenannter Push-Laser-Puls hinterhergeschickt. Durch ihn wird ein Elektron vom Akzeptor zum Donor zurückübertragen, "wobei der zweite Laserpuls das System zwingt, sofort die Entscheidung zwischen Triplet- oder Singulett-Produktbildung zu treffen, wofür sich das Radikalpaar normalerweise mehrere Spin-Oszillationsperioden Zeit lassen würde", sagt Ulrich Steiner von der Universität Konstanz. Auf diese Weise lassen sich quasi Schnappschüsse des Spin-Zustandes des Radikalpaares zu verschiedenen Zeitpunkten aufnehmen.

(sun)