c't 3003: Boston-Dynamics-Klon im Test - Roboterhund für 550 Euro

Was kann man mit einem preisgünstigen Roboterhund mit KI-Funktionen anfangen? c't 3003 hat's getestet.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

550 statt 70.000 Euro: Der XGO Mini ist ein sehr viel kleinerer Boston-Dynamics-Spot-Klon. Taugt er was? c't 3003 hat ihn getestet.


Transkript des Videos:

So Leute, ich hab mir ernsthaft einen Roboterhund gekauft. Der XGO Mini kommt von dem kleinen Startup Luwu Dynamics aus China; 550 Euro habe ich dafür bezahlt. Der XGO Mini ist erstaunlich leicht zu programmieren ist, beherrscht viele interessante Bewegungsabläufe und kann viele Sachen besser als die biologische Variante – viele aber auch nicht. Bleibt dran!

Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei c’t 3003!

Seit ich als kleines Kind den Film ‚Nummer 5 lebt‘ gesehen habe, wünsche ich mir einen Roboter als Freund; daran konnten auch andere, deutlich schlechter gelaunte Maschinengeschöpfe nichts ändern. Und irgendwie dachte ich als Kind, dass wenn ich erwachsen bin, sicherlich alle ihre persönlichen Roboter haben. Tja, nun ist 2022, und ok, in vielen Wohnungen gibt es tatsächlich Roboter, aber diese Staubsaugerdinger sind zwar auch ganz cool, aber definitiv nicht das, was ich mir als Kind vorgestellt habe.

Zu den wenigen echten Robotern, die mich zwischendurch mal wieder richtig staunen ließen, gehören die Produkte von Boston Dynamics. Aber auch wenn die Firma viele sehr verspielte Videos gemacht hat, waren die Dinger nicht dafür gemacht, Menschen zu erfreuen – sondern eher fürs Gegenteil, zum Beispiel beim Militär. Die meisten Boston-Dynamics-Produkte sind nie über den Prototyp-Status hinausgekommen, lediglich der Roboterhund Spot ist seit 2020 ganz normal als Produkt kaufbar: für ungefähr lockere 70.000 Euro. Er wird vor allem dafür eingesetzt, mit seinen Kameras potenziell gefährliche Umgebungen wie zum Beispiel den nach der Brandkatastrophe in Essen einsturzgefährdeten Wohnhauskomplex zu erkunden.

Das Konzept „Roboterhund“ schien auf alle Fälle einen Nerv getroffen zu haben, denn im letzten Jahre brachte der chinesische Hersteller Xiaomi den Cyberdog auf den Markt, eine deutlich kleinere und leichtere Variante: Statt 32 Kilogramm wie Spot wiegt Cyberdog nur 3 Kilogramm und kostet auch nur rund 1300 Euro. Leider wurden lediglich 1000 Stück hergestellt – und die waren sofort ausverkauft, es schien sich also eher um eine Xiaomi-Promo-Marketingaktion zu handeln.

So und jetzt endlich zu meinem XGO Mini. Der ist mit 700 Gramm nochmal deutlich filigraner als Xioamis Cyberdog, und auch viel billiger: Inklusive Versand habe ich 550 Euro bezahlt. Diesen vergleichsweise günstigen Preis habe ich aber nur bekommen, weil ich das Projekt frühzeitig bei Kickstarter unterstützt habe. Inzwischen kostet das Teil 800 US-Dollar, also ungefähr 700 Euro. Entwickler und Hersteller des XGO Mini ist das fünfköpfige Startup Luwu Dynamics aus China – man merkt am Namen, wo sich die Luwu-Leute haben inspirieren lassen – aber warum auch nicht.

Der XGO Mini macht wirklich einen sehr robusten Eindruck: Er besteht komplett aus Aluminium, und sieht durch seinen Industrial-Look fast ein bisschen cyberpunkmäßig aus. Gefällt mir gut, allerdings merkt man auch deutlich, dass das hier kein Konsumprodukt für den Alltag ist: Hier ist nichts verkapselt, einige Platinen liegen frei, Wasser und Dreck bekommen dem XGO Mini ganz bestimmt nicht gut. Außerdem ist der Roboterhundekörper gefährlich scharfkantig; ich möchte meinen Finger nicht zwischen einem seiner Gelenke haben. 12 Stück hat er davon, an jedem Bein drei und in jedem Gelenk ist ein Servomotor drin.

Als Energieversorgung dient ein 2500-mAh-Stunden-Akku, der reichte bei meinen Tests für 86 Minuten Dauerbewegung. An Sensorik ist lediglich eine IMU eingebaut, also eine aus Gyroskop und Beschleunigungssensor bestehende inertiale Messeinheit. Irgendeine Hinderniserkennung mit Ultraschall oder Infrarot gibt es nicht. Dafür aber ein auf Bilderkennung spezialisiertes Rechnermodul. Dieses Teil wurde nicht von Luwu Dynamics entwickelt, sondern das ist ein fertiges Modul und zwar ein Kendryte K210.

Kurzer Nerd-Einschub: Das Ding rechnet nicht wie ungefähr alle anderen Technikgeräte mit ARM oder X86-Befehlssatzarchitektur, sondern mit RISC-V, das ist ein Open-Source-Standard, jeder darf also solche RISC-V-Prozessoren bauen. Das Rechner-Modul im Roboterhund hat lediglich eine Leistungsaufnahme von 300 Milliwatt. Anders als beispielsweise Geräte mit Android startet der XGO Mini beziehungsweise das KI-Modul in nur drei Sekunden – das hier ist übrigens der Ein-Ausschaltknopf. Ansonsten gibt es nur noch drei weitere Knöpfe zum Bedienen; dabei handelt es sich um minikleine SMD-Druckknöpfe an der Platine hier; das muss man wissen, dass die existieren, sonst würde man sie wahrscheinlich nicht finden.

Nach dem Einschalten kann man dann damit durch ein Menü navigieren: Die beiden Tasten oben steuern nach unten und oben, mit der Taste hier unten bestätigt man die Auswahl. Vorinstalliert sind 21 Demo-Programme, die alle als Python-Skripte auf der mitgelieferten MicroSD-Karte liegen. Als allererstes gibt es zum Beispiel „Dog Move“, hier macht der XGO Mini alle möglichen Hunde-Moves und dabei erscheint ein etwas seltsames Anime-Gesicht auf dem Display. Andere Demoskripte erkennen Objekte und menschliche Gesichter und führen dann Aktionen aus – zum Beispiel, kann ich damit dem Mini beibringen, dass er Pfötchen gibt, sobald er mich erkennt.

Allerdings ist das Ganze nicht wirklich alltagstauglich: Man muss zum Beispiel mit dem Gesicht sehr dicht an der Kamera sein, damit das klappt. Die Kamera zeichnet mit einer Auflösung von 2 Megapixeln auf, das eingebaute LC-Display zeigt lediglich 240 x 240 Pixel an. Was aber wirklich toll ist: Man muss nicht zwingend Python können, um den XGO Mini zu programmieren, man kann auch XGO-Blockly verwenden, eine von CocoRobo lizenzierte Grafikblockbasierte Programmiersprache.

Ok, das ist alles noch ein bisschen frickelig – ich musste nach dem Start der Windows-Software zum Beispiel erstmal das chinesische Symbol für „Sprache umstellen“ finden – aber dann geht’s ganz gut. Man muss übrigens nicht jedes Skript immer manuell auf die MicroSD schreiben, sondern kann den Roboterhund auch einfach über MicroUSB an den Rechner anschließen und die Skripte dann direkt starten.

Man darf aber hier jetzt keine hochglanzpolierte User-Experience erwarten: Man merkt deutlich, dass das alles von einem kleinen Team kommt und dass auch die englischsprachige Dokumentation eher nicht die Priorität ist – so sind die Texte auf den Screenshots zum Beispiel immer in Mandarin, was dann doch etwas verwirrt. Aber sogar ich, der keine Roboterraketenwissenschaft studiert hat, hab das irgendwie hinbekommen. Und es macht definitiv Spaß, einen Roboterhund zu programmieren.

Will man den XGO Mini keine Skripte abarbeiten lassen, kann man ihn auch einfach mit einem Smartphone steuern: Die Steuer-App gibt es für Android und iOS und funktioniert erstaunlich gut – die Kopplung mit Bluetooth klappte bei meinen Tests immer super zuverlässig und schnell, was ich wirklich nicht von allen Bluetooth-Geräten behaupten kann. In der App kann man den XGO Mini vorwärts und seitwärts laufen lassen, ihn auf der Stelle drehen und sogar die Höhe einstellen, also wie tief er im Stand in die „Hocke“ geht. Außerdem lassen sich 19 Bewegungsabläufe abfahren – was definitiv sehr cool ist, wenn man den Roboterhund beispielsweise in einem Video als Schauspieler einsetzen will. Und sportlich ist er auch (Squat, Squat, Squat!). Etwas schade finde ich, dass das Display im Fernsteuer-Modus immer nur die schöne Einschalt-Textmeldung anzeigt – das wäre schon netter, wenn ein Gesicht auf dem Display wäre.

Laufen kann der Mini am besten auf flachem, hartem Untergrund. Auf tiefen Teppichen oder im Gras kommt er nicht gut voran oder kippt im schlimmsten Fall sogar um – dann muss man ihm helfen, um wieder auf die Beine zu kommen – ohne externe Hilfe kriegt er das nicht hin. Interessantes Detail: Wenn ich draußen mit dem XGO Mini herumgespielt habe, hat das Leute, die da vorbeiliefen, nicht wirklich interessiert. Sobald ich aber hier für das Video eine Hundeleine drum gemacht habe – da sind wirklich etliche Leute stehen geblieben und fanden das alles total spannend. Seltsam, oder?

So, mein Fazit zum XGO Mini. Ihr habt ja vermutlich schon gemerkt, dass mir das Roboterhündchen viel Spaß gemacht hat. Aber hätte ich als Privatmensch 550 Euro dafür bezahlt? Und würde ich ihn regelmäßig benutzen? Vermutlich nicht, deshalb gebe ich ihn auch nach dem Test an meine c’t-Kollegin Pina weiter, die sich intensiver mit der Programmierung des KI-Moduls beschäftigen will.

Habt ihr ein konkretes Projekt im Hinterkopf, das zum Beispiel mit Gesichts- oder Objekterkennung zu tun hat und das im besten Falle auf einer Maschine läuft, die sich bewegen kann – dann ist der XGO Mini richtig für euch. Ansonsten fallen mir nur wenig Einsatzgebiete ein: Er könnte vielleicht als Hingucker auf einem Messestand dienen; da kommt einem aber die kurze Akkulaufzeit in die Quere? Alles in allem halte ich den XGO Mini trotzdem für ein beeindruckendes Projekt, man bekommt für vergleichsweise wenig Geld schon ganz schön viel Zukunftstechnik. Aber mein Traum von meinem persönlichen Roboterfreund, der täglich mit mir rumhängt – den erfüllt der XGO Mini noch nicht. Oh, nee, jetzt nicht traurig sein, ich meine das nicht persönlich!


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t magazin. Redakteur Jan-Keno Janssen und die Video-Producer Johannes Börnsen und Şahin Erengil veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)